«Warrior Nun» – Kriegernonnen auf spaßiger Dämonenjagd
Netflix zielt mit seinem neuesten Original «Warrior Nun» auf Urban Fantasy- und Young Adult-Liebhaber und trifft damit fast ins Schwarze.
Was passiert?
Seit Jahrhunderten beschützt der aus Kriegernonnen bestehende Orden des kreuzförmigen Schwertes die Erde vor dem Bösen. Als die Schwestern auf eine neue Mission geschickt werden, geht aber etwas gründlich schief. Die Soldatinnen des Herrn werden bereits erwartet und die Anführerin, Schwester Shannon, schwer verletzt. Die überlebenden Kriegerinnen ziehen sich in eine Kirche zurück, um Shannons Wunden zu versorgen. Doch jede Hilfe kommt zu spät. Nun gilt es, das größte Geheimnis des Ordens zu schützen, denn jede Anführerin übernimmt von ihrer Vorgängerin den „Heiligenschein“, eine göttliche Energiequelle, die übermenschliche Kräfte verleiht.
Als die Feinde näher rücken und den letzten Rückzugsort der Schwestern zu überrennen drohen, fällt die Chirurgin des Ordens eine folgenschwere Entscheidung. Sie pflanzt der jüngst verstorbenen Ava, deren Leichnam im Keller der Kirche aufgebahrt ist, das Artefakt ein, um es im Körper der Toten zu verstecken. Womit niemand rechnen konnte ist, dass der Heiligenschein ausgerechnet das junge Mädchen als Werkzeug seiner Macht auserwählt und sie zu neuem Leben erweckt. Als Ava von den Toten aufersteht, ist sie verwirrt und geschockt. Was wollen die seltsam gekleideten Frauen von ihr und warum fühlt sie sich gesünder und stärker, als vor ihrem Tod? Ist sie wirklich die Auserwählte des Engels Adriel, oder nur ein Opfer in einem großen Ränkespiel?
Achtung, Young Adult
Gäbe es in der großen Gattung der Phantastik eine Auszeichnung für das Genre mit dem ambivalentesten Verhältnis zu Publikum und Filmschaffenden, die Young Adult Urban Fantasy wäre wohl ein ganz heißer Anwärter auf den ersten Preis. Kaum ein Genre wurde so oft hochgelobt und wieder totgesagt, wie dieses. Die Kategorie mit dem Monsternamen bezieht sich auf Fantasy-Geschichten, die in einer alternativen Gegenwart voller Dämonen und Vampire angesiedelt sind und einen meist weiblichen jugendlichen Helden als Hauptfigur haben. Spätestens seit Joss Whedon mit «Buffy – Im Bann der Dämonen» und dem dazugehörige Spin-off «Angel – Jäger der Finsternis» riesige Erfolge feierte, ließen sich zahlreiche Serienmacher sowie Roman- und Comicautoren von dieser Erzählweise inspirieren.
Alles drin, was reingehört
Die auf dem kanadischen Comic „Warrior Nun Areala“ basierende neue Netflix-Serie «Warrior Nun» schlägt genau in diese Kerbe. Die eigentliche Hauptfigur des Comics, Schwester Shannon, spielt in Simon Barrys («Continuum», «Van Helsing») Adaption nur eine untergeordnete Rolle, während der Hauptpart an die Jugendliche Ava fällt. Der serielle Neuzugang ermöglicht es den Autoren, zahlreiche Coming-of-Age-Elemente einzubauen, die zwar gut zur Story passen, vornehmlich in den Folgen zwei und drei aber auch für einige Längen sorgen. Man muss schon Filmreihen wie die «Twilight»-Saga oder Serien à la «Shadowhunters» lieben und ein wenig Durchhaltvermögen mitbringen, bis es dann ab Mitte der Staffel so richtig losgeht. Außerdem sollte man ohne allzu viel nachzudenken die Geschichte um den geheimen Orden des kreuzförmigen Schwertes als gegeben voraussetzen, dessen Geschichte den Hintergrund für die Show bildet. Eine mittelalterliche Kriegerschwesterngemeinschaft, die mittels einer seltenen Substanz namens Dividium auf Dämonenjagd geht, klingt schließlich nicht für jedermann und jederfrau unbedingt vielversprechend.
Doch die erste Staffel versorgt den Zuschauer immer wieder mit kleinen und großen Happen an Hintergrundinformationen, die im Zusammenspiel mit dem geschickt geschriebenen Plot eine dichte Atmosphäre schaffen. Ein Thema wie dieses eignet sich übrigens hervorragend, um sich auch die Kirche vorzuknöpfen und Kritik am festgefahrenen patriarchalischen Weltbild des Katholizismus zu üben. Die Chance lässt Simon Barry denn auch nicht verstreichen und teilt immer wieder kleine Seitenhiebe in Richtung des Vatikans aus, ohne jedoch respektlos zu werden oder Taktgefühl einzubüßen. Insgesamt ergibt sich so das stimmige Bild einer Urban-Fantasy-Welt mit einem leichten Schuss Verschwörungstheorie und starken Young-Adult-Themen, die in eine spannende und unterhaltsame Geschichte eingebettet sind.
Neu und unverbraucht
Um seiner Ava einen unverbrauchten Look zu verleihen, hat sich das Casting Department für die portugiesische Jungschauspielerin Alba Baptista entschieden, die ihre Sache auch hervorragend macht. Die 23-Jährige ist in ihrer Heimat seit 2012 immer wieder in diversen Serien zu sehen, international aber noch eine eher unbekannte Größe. Das könnte sich möglicherweise bald ändern. Die Darbietung in «Warrior Nun» dürfte Baptista auch internationale Aufmerksamkeit bescheren. Interessant ist, dass fast nur europäisch-stämmige Mimen gecastet wurden, obwohl es sich nominal um eine US-amerikanische Serie handelt. Zum Team der Filmschaffenden zählen unter anderem Mathias Herndl («Nachts im Museum: Das geheime Grabmal»), David Hayter («X-Men», «Watchmen») und Jonathan Clay Harris («Shadowhunters»). Allerdings spielt die Geschichte nicht nur in Spanien, sondern wurde auch in großen Teilen in Andalusien gedreht, in der auch die verantwortliche Produktionsfirma Fresco Films beheimatet ist. Das bekannteste Mitglied des Ensembles dürfte übrigens der Portugiese Joaquim de Almeida als Kardinal Duretti sein, der unter anderem an der Seite von Vin Diesel in «Fast & Furious Five» und «Das Kartell» mit Harrison Ford zu sehen war. In weiteren Rollen sind vornehmlich junge, unverbrauchte Gesichter wie Kristina Tonteri-Young als taffe aber herzliche Schwester Beatrice oder Toya Turner als coole Shotgun Mary (der Name ist übrigens Programm) zu sehen. Hervorzuheben wäre vielleicht noch der in Frankreich geborene Tristán Ulloa, der als Vater Vincent eine gute Figur macht. Der deutsche Jungschauspieler Emilio Sakraya, der Avas kurzzeitigen Freund JC gibt, bildet die berühmte Ausnahme von der Regel. Allerdings ist seine Figur auch so nervig angelegt, dass sich von Anfang an wohl nicht viel aus der Rolle herausholen ließ.
Das größte Manko der ersten Staffel bilden die auf das höchstwahrscheinlich zu geringe Budget zurückzuführenden technischen Mängel. «Warrior Nun» könnte noch so viel mehr Spaß machen, wenn die CGI nicht wirken würde, als wäre sie einem zehn Jahre alten Videospiel entliehen. Wenn man schon einen coolen computergerenderten Feuerdämon in einer Serie als gefährlichen Widersacher einführt, sollte dieser auch stimmig umgesetzt sein. Genau das trifft hier allerdings nicht zu. Während das Aussehen des Monsters zwar stereotyp, aber noch recht gut gelungen ist, wirken die Bewegungen teilweise so hakelig, als seien sie im uralten Go-Motion-Verfahren realisiert worden. So etwas verdirbt unnötig die Spannung und zerrt an der Geduld. Ein wenig mehr Geld und Sorgfalt wäre hier durchaus angesagt gewesen, zumal es sich insgesamt nur um wenige Filmminuten handelt, die über die zehn Folgen verteilt zu sehen sind.
Fazit: Dämonenjagende Kriegernonnen mit einer jugendlichen Heldin? Warum nicht? Coming of Age und Young Adult sind derzeit wieder einmal im Trend und es hat schon seine Gründe, warum rund die Hälfte der Genreliebhaber das Teenager- und junge Erwachsenenalter bereits weit hinter sich gelassen haben. «Warrior Nun» bietet eine spannende Geschichte, die mit einem bunten Mix aus Urban Fantasy, Verschwörung und Teenieschmonzette punktet und einen überwiegend positiven Eindruck hinterlässt – wenn man solche Stoffe mag. Für die zweite Staffel darf man sich ein wenig mehr Sorgfalt in der technischen Umsetzung wünschen. Der Spannungsbogen zieht ab Folge fünf enorm an und hinterlässt den Zuschauer am Ende der Season mit einem der fiesesten Cliffhanger, die man sich nur vorstellen kann. Staffel zwei darf also gerne kommen.
Wo kann ich es sehen? «Warrior Nun» gibt es auf Netflix.