«Bad Education» - Hugh Jackman kriegt auf den Deckel

Cory Finleys zweiter Spielfilm «Bad Education» kam auch ganz ohne Unterstützung der Corona-Pandemie nicht in die US-Kinos, sondern wurde vom Bezahlfernsehdienst HBO in Auftrag gegeben. Nun kommt er zu Sky.

Filmfacts: «Bad Education»

  • Start: 22. Juli 2020 (Sky)
  • Laufzeit: 108 Min.
  • Genre: Biografie/Komödie/Crime
  • Kamera: Lyle Vincent
  • Musik: Michael Abels
  • Buch: Mike Makowsky
  • Regie: Cory Finley
  • Darsteller: Hugh Jackman, Allison Janney, Alex Wolff, Annaleigh Ashford. Ray Romano
  • OT: Bad Education (USA 2019)
Regisseur und Autor Cory Finley katapultierte sich mithilfe seines Regiedebüts «Vollblüter» aus dem Jahr 2018 von null auf hundert in die Liga der aufregendsten Jungregisseure Hollywoods. Sein unbedingter Stilwillen und sein hervorragendes Auge für opulente Leinwandbilder sind für einen Anfänger längst nicht selbstverständlich. Auch seine beiden Hauptdarstellerinnen Olivia Cooke und Anya Taylor-Joy wusste Finley hervorragend zu dirigieren, sodass am Ende ein Thrillerdrama entstanden ist, das bis heute zwar kaum einer kennt, das aber jeder gesehen haben sollte, der auf Filme steht, die subtiles Unbehagen dem grobmotorischem Emotionsdiktat vorziehen. Nun ist ein derart gelungener Erstling natürlich auch eine ziemliche Bürde. Nicht umsonst heißt es, dass nicht etwa der erste, sondern der zweite Film ganz besonders schwierig sei, weshalb viele junge Filmemacher ihrem Stil erst einmal treu bleiben, um sich ganz in Ruhe im Business zu etablieren.

Nicht so Cory Finley, der mit seinem Zweitwerk «Bad Education» nicht bloß direkt ein Fremdskript verfilmt (für das Drehbuch zeichnete «Take Me»-Autor Mike Makowsky verantwortlich, bei «Vollblüter» schrieb er noch selbst), sondern sich auch direkt an ein ganz neues Genre wagt. Er tauscht das Thrillerdrama gegen die Crime-Comedy und inszeniert einen auf wahren Ereignissen beruhenden Spendenskandal als die Ernsthaftigkeit der Umstände keineswegs scheuende, die Absurdität der Prämisse jedoch klar hervorstellende Fingerübung für den Bezahlsender HBO, die auch hierzulande bald zu sehen sein wird – bei Sky.



Das liebe, liebe Geld...


Dr. Frank Tassone (Hugh Jackman) ist Superintendant der Roselyn High School und bei Schülern, Eltern und Kollegen sehr beliebt. In seinen Aufgabenbereich fällt unter anderem die Überwachung und Finanzierung städtischer Bauprojekte auf Long Island. Als eines Tages Rachel (Geraldine Viswanathan), die Reporterin einer Schülerzeitung, über ein solches Projekt berichten möchte, stößt sie bei den Recherchen auf Ungereimtheiten in den Ausgaben. Schnell kommt sie dahinter, dass sowohl Frank als auch seine engagierte Vizeintendantin Pam Gluckin (Allison Janney) über viele Jahr Spendengelder veruntreut und für eigene Zwecke missbraucht haben. Um seinen eigenen Kopf aus der Schlinge zu sehen, bemüht sich Frank, die Schuld auf Pam abzuwenden. Doch je intensiver sich Rachel mit dem Fall befasst, desto klarer zeichnen sich die Indizien dafür ab, wie viel Dreck Frank am Stecken hat…

Auf optischer Ebene weckt «Bad Education» durchaus noch Erinnerungen an «Vollblüter», was irgendwie auch kein Wunder ist. Schließlich übernahm Kamermann Lyle Vincent bereits die aktive Bildgestaltung für ebenjenen Film, sodass man manch dynamische Kamerafahrt, vor allem aber den Fokus auf die Gesichter und die satten Farben aus Finleys Debüt wiedererkennt. Das ist dann aber auch schon die einzige Parallele, die sich zwischen «Bad Education» und «Vollblüter» ziehen lässt. Ansonsten verlaufen die beiden Filme in Sachen Tonalität, Tempo und Figurenzeichnung vollkommen konträr zueinander. Im Mittelpunkt von «Bad Education» steht der gleichermaßen charismatische wie beliebte Frank, der mit so ziemlich jedem in seinem Umfeld gut auskommt und dieses Ansehen sichtbar genießt. Ihm zur Seite steht die nicht minder selbstbewusste Pam; kleine Szenen zu Beginn des Films deuten an, dass beide zusammen ein eingespieltes Team sind, was die Macher allerdings im weiteren Verlauf konterkarieren, als sich Frank zu seinen eigenen Gunsten gegen seine eigentlich vertraute Kollegin stellt.

Trotzdem stimmt die Chemie der sich immer wieder erfrischende Dialoge zuwerfenden Kombination zweier extrovertierter Sympathlinge, die sich auch über ihre Grenzen hinaus auf das berufliche Umfeld der beiden erstreckt. So hat Pam regelmäßig das Haus mit Gästen voll, während Frank selbst High-School-Absolventen von vor vielen Jahren wiedererkennt. Ein krasser Unterschied gegenüber den verhalten untereinander interagierenden, die Umwelt scheuenden Teenagern in «Vollblüter».

Hohes Tempo, viele Informationen


Auch in Sachen Pacing wirkt «Bad Education» wie die Antithese zu Finleys Vorgängerwerk. Setzte der Filmemacher dort noch auf bisweilen in einem Take gedrehte, sehr üppige und nicht selten verklausulierte Dialoge, aus denen man sich die Hinweise für das Seelenleben der beiden Jugendlichen sowie jene auf die sich andeutende Katastrophe im Finale konkret herauspicken musste, ist «Bad Education» nun alles andere als subtil. Und das ist nicht etwa negativ zu verstehen, sondern ergibt sich ganz selbstverständlich aus den Inszenierungsmechanismen einer flott erzählten Skandalnacherzählung, die sich guten Gewissens in der Nähe von Filmen wie «The Big Short», «Vice» oder «Hustlers» verorten lässt. Auf die insbesondere die ersten beiden Vertreter so berühmt machenden Meta-Spielereien muss man in «Bad Education» zwar verzichten, doch das atemberaubende Tempo, mit dem Finley die hanebüchenen Ereignisse nacherzählt, der stets ironische „Habt ihr echt geglaubt, dass ihr damit durchkommt?“-Blick auf die Hauptfiguren und nicht zuletzt das penible Aufdröseln der Umstände machen «Bad Education» zu einem Fest für Liebhaber klassischer (Journalisten-)Thriller, nur ohne die handelsübliche Schwere und Düsternis.

Finley inszeniert seinen Film durch und durch als Komödie, was sich hin und wieder verwässernd auf die dramaturgische Tiefe auswirkt. Doch letztlich fügt sich tonal eben doch alles stimmig zusammen, da das auf dem New-York-Magazine-Artikel „The Bad Superintenent“ basierende Skript den Überblick über die einzelnen Brandherde behält und es manchmal nur sehr wenige, dafür präzise Beobachtungen benötigt, um das Ausmaß der Ereignisse gleichermaßen nachvollziehbar wie ambivalent einzufangen.

Ein wenig zu kurz kommen dabei allerdings die Mitarbeiter der Schülerzeitung, dabei muss man sich das einmal vor Augen führen: Kein großes, prestigeträchtiges Blatt deckte einst diesen weitreichenden Skandal auf (Berichte wie jener aus dem New York Magazine etwa basieren allesamt auf den Recherchen der Jugendreporterin Rachel Bhargava), sondern ein kleines, eigentlich unbedeutendes High-School-Blatt mit „Lesern um die 15 Jahre“, wie es Redaktionsleiter Nick Fleishman (Alex Wolff, «Hereditary») einmal betont. Zwar kann die «Der Sex Pakt»-Schauspielerin die sukzessive zunehmende Realisation ihrer potenziell skandalauslösenden Recherchen mit einem feinen Gespür für zurückhaltende Begeisterung veranschaulichen. Gleichzeitig erhält sie aber kaum charakterbildende Szenen, in denen sie dieses Talent unter Beweis stellen könnte.

Ganz anders Hugh Jackman («Greatest Showman») und Allison Janney («I, Tonya»). Während Jackman als strauchelnde Autoritätsperson eine ähnliche, wenngleich nicht ganz so zerrissene Figur abgibt wie noch in «Der Spitzenkandidat», ist der plötzliche Ansehensverlust der eigentlich so resoluten Pam gleichermaßen tragisch wie witzig; einfach, weil man es sich kaum vorstellen kann, dass sie wirklich geglaubt hat, ihre auf Firmenkosten abgerechneten Anschaffungen wie eine PlayStation 4 oder unzählige Bauutensilien für das Eigenheim niemandem auffallen würden. Szenen wie diese, in der sie ihrer Nichte Jenny (Annaleigh Ashford, «Late Night») vollkommen abgebrüht anbietet, das teure Geschenk für ihren Sohn auf Firmenkosten zu bezahlen, sind so pointiert geschrieben, dass man aus dem Kopfschütteln wie dem Schmunzeln gleichermaßen nicht herauskommt.

Fazit


Cory Finley gelingt mit seinem zweiten Film «Bad Education» ein gewitzter Blick auf die menschliche Dummheit. Allerdings nie, ohne dabei despektierlich auf seine Figuren herabzusehen, sondern mit gleichermaßen Augenzwinkern wie Gespür für die Ernsthaftigkeit der Situation. Jackman und Janney stellen sich ganz in seinen Dienst.

«Bad Education» ist ab dem 22. Juli bei Sky Ticket abrufbar.
21.07.2020 10:00 Uhr  •  Antje Wessels Kurz-URL: qmde.de/119981