Universal wird, entgegen zuletzt angekündigter Pläne, seine Kinofilme nicht parallel zum Start als Stream anbieten. Jedoch wird der Abstand zwischen Kino- und Heimkinopremiere massiv gekürzt.
Das Hollywood-Studio Universal Pictures und die große US-Kinokette AMC haben ihren Streit beendet: Seit Universal im Zuge der globalen Ausbreitung der Corona-Pandemie bekannt gegeben hat, mit «Trolls: World Tour» beginnend die meisten seiner Kinofilme parallel zum Leinwand-Starttermin auch als Streamingtitel anzubieten, liegen die beiden Konzerne im Clinch. AMC sah darin eine Attacke gegen das Kinomodell und drohte damit, Universal-Filme künftig zu boykottieren, damit Universal zu spüren bekommt, wie es wäre, wenn weiter am Kino-Auswertungsfenster gespart wird. Es folgte eine
öffentliche Entschuldigung Universals – doch im selben Atemzug unterstrich das Studio seine Pläne.
Nun hat man aber eine Einigung erzielt: Auf Druck von AMC und weiteren Kinobetrieben wird Universal Pictures von seinem Vorhaben abrücken, Kinofilme parallel zum Leinwandstart auch als Video-on-Demand-Titel anzubieten. Doch statt wie bisher (von wenigen Ausnahmen und der aktuellen Corona-Situation abgesehen) in den USA üblich 70 Tage zwischen Kinostart und Heimkinostart verstreichen zu lassen, wird die Zeit der Kinoexklusivität bei Universal-Filmen auf nur noch 17 Tage reduziert. Ungewöhnlich an diesem Deal ist derweil: Die Kinokette AMC erhält einen Anteil an den während des früheren Kinofensters veröffentlichten Bezahlstreams für Universal-Filme.
Nicht-AMC-Kinos haben derweil nichts von diesem Deal. Laut 'Variety' besteht jedoch die Möglichkeit, dass andere Studios entweder mit der AMC-Konkurrenz ähnliche Abkommen aushandeln oder aber sich ebenfalls an AMC wenden, um sozusagen das Universal-Paket abzumachen.
Was bedeutet das für die Kinos? Nun: Das Geschäftsmodell Kino hat schon andere Krisen und die Mediennutzungsgewohnheiten stärker umwälzende Konkurrenz überlebt. Jedoch steht nun die Theorie im Raum, dass die Entwicklung der vergangenen paar Jahrzehnte massiv beschleunigt wird: Mit dem Zusammenbruch der DVD-Preise setzte ein schleichender Prozess ein, dass immer mehr Menschen ihre Kinobesuche für großes Spektakel aufheben und bei "kleineren" Filmen auf die DVD warten. Mit dem Aufkommen der Abo-Streamingdienste nahm diese Entwicklung zusätzlich an Fahrt auf – es ist daher ein durchaus wahrscheinliches Szenario, dass die Einführung eines 17-tägigen Kinofensters diesen Trend weiter verstärkt.
Eine (unter anderem von 'Variety' vertretene) Gegenthese würde besagen, dass durch das kürzere Kinofenster ein größerer Bedarf an neuen Filmen erzeugt wird und somit wieder Raum für kleinere Projekte entsteht. Bedenkt man aber, dass in vielen Ländern (darunter auch in Deutschland) seit Jahren regelmäßig neue Rekorde für die meisten Neustarts im Jahr aufgestellt werden, und dort dennoch primär großes Popcornkino die Massen ins Kino lockt, sind Zweifel an dieser Hoffnung wohl nicht unberechtigt.
Jedoch muss zunächst festgehalten werden: Zum jetzigen Zeitpunkt gilt dieser Beschluss bloß für die USA (in den meisten Ländern war das Kinofenster auch in den vergangenen Jahren üblicherweise länger als in den Vereinigten Staaten). Und aktuell gilt das 17-Tage-Fenster nur für Projekte aus dem Hause Universal Pictures.
Andere Studios werden jedoch, wie schon angeschnitten, sicherlich versuchen, mit den Kinos ein ähnliches Abkommen auszuhandeln wie die Tochterfirma des in den USA dominierenden Netz- und Kabelbetreibers Comcast, der von einer stärkeren Konzentration des Filmkonsums auf Internetstreams wirtschaftlich profitieren würde. Die 'Variety'-Branchenexperten Brent Lang, Rebecca Rubin und Matt Donnelly prognostizieren jedoch, dass sich der Disney-Konzern nicht an der Kürzung des Kinofensters beteiligen wird: Ironischerweise sei der Mediengigant, der für seine taffen Kino-Konditionen und knallharten Verhandlungen mit Filmtheatern bekannt ist, gleichzeitig das Filmhaus, das am wenigsten Interesse daran zeigt, an der Wertigkeit des Kinomodells zu rütteln.
Eine letzte Feststellung noch: In Deutschland wäre solch ein Deal wie der zwischen AMC und Universal rechtlich nur schwer durchzusetzen – es würde gemäß der hiesigen Rechtsauffassung schließlich nach unlauterem Wettbewerb wittern, würde ein Studio allein einer Kinokette ein Stück vom VOD-Kuchen seiner Filme abgeben und somit andere Kinos noch weiter ins Aus befördern. Dennoch: Das System Kino, wie es in den vergangenen Jahrzehnten als gesetzt galt, wird durch diesen Schritt in den USA aufgerüttelt. Nun heißt es für alle Beteiligten, die Folgen einzuschätzen, abzuwarten und zu reagieren.