Mit «Agatha Raisin und das Geisterhaus» startet ZDFneo am 07. August 2020 bereits die dritte Staffel der sympathischen Brit-Crime-Serie rund um die skurrile Privatdetektivin. Warum diese Doppelfolge der perfekte Einstieg für Neulinge ist, verraten wir in der folgenden Kritik.
Auf der Insel nichts Neues?
Cast & Crew
- Darsteller: Ashley Jensen, Mathew Horne, Jamie Glover u.a.
- Schnitt: Rob Platt
- Kamera: James Moss
- Buch: Julia Gilbert
- Regie: Carolina Giammetta
Ein uraltes Geisterhaus auf dem britischen Land, von Spinnweben verhangene Geheimgänge und eine tollpatschige, leicht affektierte, aber warmherzig sympathische Detektivin. Mehr braucht es nicht, damit sich gestandene Brit-Crime-Fans in wohliger Erwartung in den heimischen Ohrensessel fallen lassen um mit Spannung auf einen neuen Fall zu warten. Das trifft vor allem dann zu, wenn diese Attribute auf eine herrlich abgedrehte Dame namens Agatha Raisin passen. Die auf den Romanen von M. C. Beaton basierende Figur mit dem Hang zu extravaganter Kleidung und außergewöhnlich designten Pumps ermittelt auf ZDFneo bereits seit Februar 2017. Doch erst mit der just startenden dritten Staffel hat die von der schottischen Schauspielerin Ashley Jensen verkörperte Hobbydetektivin eine eigene Detektei gegründet. Unterstützt wird sie von ihrem Lebensgefährten James (Jamie Glover) und ihren Freunden Sarah (Lucy Liemann), Roy (Mathew Horne) sowie dem Polizisten Detective Constable Bill Wong (Matt McCooey). Neu zur Truppe stößt die junge Toni (Jodie Tyack), die sich mit ihrer Ungeschicktheit zwar manchmal selbst im Weg steht, aber dafür über ein fotografisches Gedächtnis und die richtige Einstellung zu einem zünftigen Detektivabenteuer verfügt.
Morde für Wohlfühler
Zum Einstieg in die neuen Folgen hat sich Drehbuchautorin Julia Gilbert dieses Mal Agathas ursprünglich vierzehnten Fall («Agatha Raisin and the Haunted House») vorgenommen und als neunzigminütige Doppelfolge adaptiert. Wie für die Serie üblich, besticht auch die Geschichte um die bösartige Olivia Witherspoon (himmlisch mürrisch von Richenda Carey verkörpert) und einen vermeintlichen Schatz aus dem 17. Jahrhundert durch die richtige Dosis an britischem Humor, idyllische Locations und ganz viel entspannendem Wohlfühlfaktor. Natürlich sterben auch rund um das schöne Chavenage House in Tetbury, Gloucestershire Verdächtige und andere Nebenfiguren wie die Fliegen. Wer zum Beispiel «Inspector Barnaby» kennt, weiß, dass die fiktive Grafschaft Midsomer aufgrund der grassierenden Mordlust der englischen Landbevölkerung eigentlich schon längst entvölkert sein müsste. Ähnlich zahlreich sind die Morde in Agatha Raisins Umfeld. Doch in bester Cosy-Crime-Manier gestalten sich die entsprechenden Szenen niemals unnötig blutig, sondern oft genug mit einem ironischen Unterton. Das unterstreicht den Anspruch, dem Zuschauer einen leicht verdaulichen Feierabendkrimi bieten zu wollen auf beste Weise.
Besonders überraschend gerät auch die erste Doppelfolge der neuen Staffel nicht. «Agatha Raisin und das Geisterhaus» folgt einem typischen Whodunit-Storygerüst. Mit verzwickten nachbarschaftlichen Verhältnissen, die eine Reihe von Verdächtigen mit sich bringen, versucht die Geschichte den Zuschauer in die Irre zu führen und zum Mitraten zu animieren. Allerdings schränkt sich der Kreis der möglichen Täter schnell ein und dem geübten Auge offenbart sich sehr früh, wer der Mörder ist. Dennoch bereitet es eine diebische Freude, die eigenen Bildschirmermittlerfähigkeiten erneut bestätigt zu sehen und den Fall vor der eifrigen Detektivin gelöst zu haben.
Der Slip in der Handtasche
Wem das nicht genügt, der wird ganz sicher am ausgefallenen, trockenen britischen Humor seine helle Freude haben. Mehr als einmal präsentiert sich Agatha als Privatdetektivin irgendwo zwischen extravagant und originell. Da wird schon einmal die in der Handtasche mitgeführte Notfallunterwäsche zweckentfremdet, um eine in 2,50 Meter Höhe montierte Überwachungskamera auszuschalten. Ein anderes Mal knackt die spleenige Ermittlerin das Schloss der Tür zum Anwesen des Hauptverdächtigen mit einer von James‘ kostbaren Sammelfiguren. Witzige Ideen sind über die gesamte Doppelfolge verstreut und provozieren immer wieder ein Schmunzeln oder einen Lacher. Dabei achtet Gilbert peinlichst genau darauf, dass die humorigen Einlagen nie zu übertrieben ausfallen und so den eigentlichen Sinn und Zweck eines Krimis verdrängen könnten. Stattdessen nimmt die Drehbuchautorin lieber die klassischen Gruselgeschichten aufs Korn, die alte britische Herrenhäuser gerne mit sich bringen, und lässt die mutigen Ermittler beim ersten Anzeichen (natürlich gefakter) paranormaler Erscheinungen Hals über Kopf vor dem vermeintlichen Gespenst fliehen.
Fazit: Wer britische Krimis á la «Father Brown», «Barnaby» oder «Grantchester» mag und sich die Fälle der «Agatha Raisin» noch nicht zu Gemüte geführt hat, sollte dies schleunigst nachholen. Man benötigt weder Vorkenntnisse, noch stößt man auf narrative Hürden, um «Agatha Raisin und das Geisterhaus» genießen zu können. Die Geschichte könnte vielleicht ein wenig kniffliger konstruiert sein, punktet dafür aber mit einem angenehm ruhigen Erzähltempo und dem Mut, sich selbst nicht allzu ernst zu nehmen. Ashley Jensen spielt die Hauptrolle überaus charmant, das Zusammenspiel mit den anderen Hauptfiguren funktioniert und Nebendarsteller wie Richende Carey und Jason Barnett, der übrigens himmlisch übertrieben von Detlef Bierstedt (die deutsche Stimme von Commander Riker in «Star Trek: The Next Generation») synchronisiert wird, machen die Sache rund.
Die beiden Teile von «Agatha Raisin und das Geisterhaus» sind am 07. August als Doppelfolge ab 21.45 Uhr zu sehen. ZDFneo zeigt sie. Wer danach noch tiefer in die Materie eintauchen möchte, findet die komplette zweite Staffel in der ZDF-Mediathek.