«Alex Rider» – Coole Agentenaction mit Abzügen in der B-Note
Nach der schlechten «Alex Rider»-Verfilmung «Stormbreaker» von 2006 freuten sich Fans in aller Welt auf die von Amazon Prime angekündigte Serie von Regisseur Andreas Prochaska. Doch kann die erste Staffel wirklich vollends überzeugen?
Was ist los?
Alex ist ein Waisenjunge und lebt gemeinsam mit seinem fürsorglichen Onkel Ian und der Haushälterin Jack in London. Er ist ein ganz normaler Teenager, trifft sich mit seinem Freund Tom nach der Schule, besucht Partys und überhört gelegentlich die guten Ratschläge und Gebote seines Onkels. Doch eines Tages erhält Alex Besuch von einer mysteriösen Frau, die sich als Ians Arbeitskollegin vorstellt und ihm mitteilt, dass dieser soeben bei einem Autounfall zu Tode kam.
Der smarte Teenager glaubt der geheimnisvollen Besucherin kein einziges Wort und stellt eigene Nachforschungen an, bis er eine Entdeckung macht, die sein bisheriges Leben gründlich auf den Kopf stellt. Ian war kein Bank-Angestellter, wie er seinem Neffen immer erzählt hat, sondern ein Spitzenagent des MI6 und wurde während eines Einsatzes kaltblütig hingerichtet. Alex‘ Nachforschungen rufen den skrupellosen Leiter der Geheimdienstabteilung, für die Ian gearbeitet hat, auf den Plan. Denn alle Spuren führen auf die Point-Blanc-Academy, ein einsam gelegenes und schwer überwachtes Internat für schwererziehbare superreiche Kids. Kurzerhand heuert Blunt den Jugendlichen an, denn der verfügt über einige bemerkenswerte Fähigkeiten und den unbedingten Willen, den Tod seines geliebten Onkels aufzuklären. Ehe er sich versieht, ist Alex plötzlich ein Spion und schlittert in das größte Abenteuer seines Lebens.
Objektivität vs. Gusto
Es ist als Rezensent gar nicht immer so einfach, die (hoffentlich vorhandene) Objektivität gegen den eigenen Gusto abzuwägen und eine ausgewogene Kritik zu verfassen. Bei «Alex Rider» fällt dem Autor dieser Zeilen jener Balanceakt besonders schwer. Denn die erste Season der Jugendbuch-Adaption des österreichischen Regisseurs Andreas Prochaska («Das Boot») hat eigentlich alles, was eine moderne Serie für junge Erwachsene heute braucht. Die Story ist ebenso actionreich wie cool. Entsprechend zeigt die Kameraführung typische Actionfilmelemente und der Soundtrack verspricht Nervenkitzel. Die Locations und Sets sind gut gewählt und prima ausgestattet. Außerdem beweist Prochaska grundsätzlich ein gutes Händchen bei der Auswahl seiner Schauspieler/innen und versteht es, die Hauptfigur interessant in Szene zu setzen. Von der technischen Warte aus betrachtet und bezüglich des Unterhaltungswertes lässt sich also nichts aussetzen. «Alex Rider» sollte demnach ein Fest für jeden Fan guter Spionagegeschichten sein.
Dass die erste Staffel dennoch nicht vollends überzeugt, liegt demnach vielleicht eher in persönlichen Befindlichkeiten begründet. Der Teufel steckt nicht im Groben, sondern ist vielmehr im Detail verborgen und sorgt dafür, dass trotz allen guten Willens ein fader Beigeschmack nicht ganz unvermeidlich ist. In einem mit dem Standard geführten Interview verrät der Regisseur, dass er die Lektüre des zugrundeliegenden Romans nach zwanzig Seiten abgebrochen hat, da dieser für Zwölfjährige geschrieben worden sei. Ihm wäre es hingegen wichtig gewesen, den Stoff für ein älteres Publikum aufzubereiten. Darin liegt aber auch die Krux, denn es ist nun einmal ein riesiger Unterschied, ob ein Roman für junge Teenager oder Young Adults gedacht ist. Einem Kind fällt es leicht, sich mit einer gleichaltrigen Hauptfigur zu identifizieren, die quasi über Superkräfte verfügt und gut ausgebildete Agenten austrickst oder mittels Krav Maga auf die Bretter schickt. Für ein erwachsenes Publikum könnte der Mythos des fast unbesiegbaren Teenagers allerdings schnell ein wenig zu dick aufgetragen daherkommen.
Zu alt, oder nicht alt genug?
Das Problem verstärkt sich noch, weil Otto Farrant, der die Rolle des Alex Rider ansonsten hervorragend verkörpert, einfach nicht mehr als Teenager durchgeht. So gerne man es auch möchte, man nimmt Farrant den zwar rebellischen, aber doch netten Schuljungen einfach nicht vollends ab, selbst wenn dieser in der Serienumsetzung eher sechszehn oder siebzehn, als die im Roman genannten vierzehn Lenzen zählt. Es ist zu deutlich ersichtlich, dass wir hier einen jungen Mann vor uns haben, der die Zwanzig bereits einige Jahre überschritten hat (Farrant ist dreiundzwanzig) und daher schon lange nichts mehr auf einer Schule zu suchen hat. Es ist in etwa so als würde ein Regisseur auf die Idee kommen, die «Drei ???» in einem Film mit Darstellern jenseits der Dreißig zu besetzen. Der Aufschrei wäre groß und das Ergebnis wäre ein enttäuschendes Gefühl fehlender Glaubwürdigkeit.
Ähnlich ergeht es dem jungen Superagenten aus London. Immer mal wieder ziehen sich kleine, aber prägnante Inkonsistenzen durch die gesamte erste Staffel. Wenn Alex etwa in Folge drei von Freunden der Tochter seiner Tarneltern mit den Worten: „Alex, komm raus und spiel mit uns“ durch einen Wald gehetzt wird verrät diese Szene zwar, dass Andreas Prochaska ein Fan alter Rockerfilme ist (die Zeile ist fast wörtlich dem US-amerikanischen Actionfilm «The Warriors» entliehen), gleichzeitig überzieht er die Situation aber auch so sehr, dass man beim Zuschauen unwillkürlich ins Stocken gerät. Szenen wie diese ziehen vor allem etwas ältere Zuschauer aus dem Geschehen und können schlimmsten Falls dafür sorgen, dass man die Lust verliert. Das ist gerade deshalb schade, weil die Geschichte ansonsten überaus spannend in Szene gesetzt ist und Drehbuchautor Guy Burt ganz offensichtlich das Herz am rechten Fleck hat.
Fazit: «Alex Rider» ist an sich eine tolle Serie, der es aber an einigen Stellen gefühlt ein wenig an Authentizität mangelt. Wenn man schon einen für Kinder erdachten Stoff auf ein erwachsenes Publikum umdichtet, dann sollte man vielleicht auch den Mut haben, den Gedanken konsequent zu Ende zu führen. Ein Otto Farrant wäre als studierender Alex Rider sicherlich besser durchgegangen. Auch nimmt man, zumindest als erwachsener Zuschauer, einer Ü-20-Figur seine exorbitanten Fähigkeiten womöglich eher ab, als einem Teenager, da sich schlicht die Distanz zum Protagonisten verringert. Ob Anthony Horowitz aber mit einem so einschneidenden Eingriff in seine Geschichte einverstanden wäre, ist eine andere Frage. Die angeführte Kritik sollte aber bitte niemanden davon abhalten, sich ein eigenes Bild zu machen, denn «Alex Rider» findet mit seiner spannungsgeladenen Story und dem hohen Produktionsstandard ganz sicher seine Fans, auch wenn der Rezensent sich leider nicht vollends mit der Serie anfreunden kann.
Die ersten acht Folgen von «Alex Rider» stehen auf Amazon Prime zur Verfügung und können dort abgerufen werden.