Kartellrechtsprobleme: Platz Fusion zwischen Springer und ProSiebenSat.1?

Offenbar sind die Bedenken vieler Medienbeobachter wahr: Nach bisheriger Einschätzung des Bundeskartellamt wäre der Zusammenschluss der Axel Springer AG mit der ProSiebenSat.1 Media AG kartellrechtliche nicht genehmigungsfähig. Betroffen wären von dem Zusammenschluss der Fernsehwerbemarkt, der Lesermarkt für Straßenverkaufszeitungen sowie der bundesweite Anzeigenmarkt für Zeitungen. Bundeskartellamtspräsident Ulf Böge: "Auf den drei betroffenen Märkten würde die Fusion von Deutschlands größtem Zeitungsverlag, der nach eigener Darstellung des Verlags auch international zu den führenden Medienunternehmen zählt, und dem TV-Unternehmen ProSiebenSat.1 nach derzeitiger Einschätzung zu einer nach dem Kartellrecht nicht genehmigungsfähigen Marktmacht führen."

Auf dem Fernsehwerbemarkt verfügen nach den Feststellungen des Bundeskartellamts ProSiebenSat.1 und die zu Bertelsmann gehörende RTL Sendergruppe mit einem seit Jahren konstanten Marktanteil von ca. 80 Prozent über eine gemeinsame marktbeherrschende Position (ein sog. "wettbewerbsloses Duopol" ohne wesentlichen Wettbewerb durch Außenseiter).

Durch den Zusammenschluss käme es zu einer weiteren Angleichung der unternehmensbezogenen Strukturmerkmale beider Konglomerate auf den benachbarten Zeitungs- und Zeitschriftenmärkten sowie zu einer Reihe von Verflechtungen zwischen Springer / ProSiebenSat.1 und Bertelsmann. Dies würde zu einer weiteren Absicherung und damit Verstärkung des Duopols führen. Diese Verflechtungen betreffen gemeinsame Minderheitsbeteiligungen von Springer und Bertelsmann an mehreren privaten Hörfunksendern wie Radio Hamburg und Antenne Bayern und Pressevertriebsunternehmen wie z.B. in Leipzig, Dresden, Pfalz und Berlin sowie die gemeinsame Beherrschung des Tiefdruckunternehmens Prinovis.

Auf dem bundesweit abzugrenzenden Lesermarkt für Straßenverkaufszeitungen würde der Zusammenschluss zu einer Verstärkung der marktbeherrschenden Stellung von Springer führen. Der Verlag hat auf diesem Markt mit der "Bild"-Zeitung einen Marktanteil von ca. 80 Prozent. Durch den Zusammenschluss erhielte Springer die Möglichkeit, die Stellung der "Bild"–Zeitung durch werbliche und redaktionelle medienübergreifende Unterstützung (crossmediale Promotion) weiter abzusichern und damit zu verstärken.

Schließlich würde der Zusammenschluss nach derzeitiger Erkenntnis auch zu einer Verstärkung der Marktstellung von Springer auf dem bundesweiten Anzeigenmarkt für Zeitungen führen. Dem Springer-Verlag kommt hier mit "Bild" und "Welt" bereits heute eine überragende Marktstellung mit rund 40 Prozent Marktanteil zu. Springer erhielte durch die Fusion die Möglichkeit, Werbekampagnen für Produkte abgestimmt über mehrere Medien anbieten zu können und so crossmediale Werbekampagnen für Dritte zu schalten, hiße es. Dies würde die marktbeherrschende Stellung von Springer auf dem Anzeigenmarkt für Zeitungen weiter absichern.

Die Zusammenschlussbeteiligten sowie die zum Verfahren Beigeladenen haben nun Gelegenheit, zu den Darlegungen des Bundeskartellamts binnen drei Wochen Stellung zu nehmen. Das Bundeskartellamt wird unter Berücksichtigung der Stellungnahmen noch vor Jahresende entscheiden, ob sich die deutsche Medienlandschaft verändern wird.
22.11.2005 08:11 Uhr  •  Alexander Krei  •  Quelle: Bundeskartellamt Kurz-URL: qmde.de/12071