«Follow Me» - «Escape Room» trifft «Hostel»

«Escape Room» trifft «Hostel» – mit dieser kruden Mischung geht Regisseur Will Wernick Mitte August auf Zuschauerfang. Dass er damit weit und breit als einziger das Horrorgenre bespielt, dürfte seinem «Follow Me» ordentliche Zahlen bescheren.

Filmfacts: «Follow Me»

  • VÖ: 20. August 2020
  • FSK: 16
  • Laufzeit: 91 Min.
  • Genre: Horror
  • Kamera: Jason Goodell
  • Musik: Crystal Grooms Mangano
  • Buch und Regie: Will Wernick
  • Darsteller: Holland Roden, Ronen Rubinstein, Keegan Allen, Pasha D. Lychnikoff, Denzel Whitacker
  • OT: Follow Me (USA 2020)
Der Begriff „Torture Porn“ wurde 2006 vom US-amerikanischen Filmkritiker David Edelstein geprägt. Filme wie «Saw» und «Hostel» verhalfen ihm zu großem Ruhm, in dessen Folge nicht bloß Fortsetzungen zu den genannten Beiträgen erschienen, sondern auch unzählige Trittbrettfahrer, die ausnutzten, dass es in Sachen expliziter Gewaltdarstellung fortan keine Grenzen mehr zu geben schien. Mittlerweile ist die Hochzeit des Torture Porn vorbei. Aktuell dominieren intelligente Horrordramen den Markt, während die Produktionsfirma Blumhouse auf der anderen Seite die Zügel respektive das Box Office fest in der Hand hält. Unter diesem Aspekt ist Will Wernicks «Follow Me» gerade recht erfrischend. Der «Escape Room»-Regisseur (der Film von 2017, nicht der aus dem letzten Jahr), setzt auf seinen letzten Genrebeitrag noch einen drauf und kombiniert in seinem neuesten Werk sein eigenes „Teenager müssen sich aus einem gefährlichen Escape Room befreien“-Konzept mit handfesten Gore-Einlagen. Ein mutiger Spagat, an dem sich Wernick jedoch spätestens dann verhebt, wenn er auch noch bitterböse gegen die sozialen Netzwerke austeilt.



Alles für die Klicks


Der Social-Media-Star Cole (Keegan Allen) filmt für seinen erfolgreichen Vlog alles, was er erlebt. Seit zehn Jahren liefert er seinen Followern ständig neuen, spannenden Content und schreckt dabei vor keiner noch so extremen Challenge zurück. Zum Jubiläum seines Kanals reist er mit seiner Freundin Erin (Holland Roden) und ein paar Freunden nach Moskau, um dort an einem mysteriösen Spiel teilzunehmen: Ein berüchtigter, hyperrealistischer Escape-Room soll die Gruppe an ihre Grenzen bringen. Doch was als morbides Spiel beginnt, wird bald zum Kampf ums nackte Überleben – den Millionen Fans im Livestream mitverfolgen…

Schon lange bevor in «Follow Me» Arme abgesägt und Kehlen durchgeschnitten werden, strapaziert der hier auch als Autor zuständige Will Wernick die Nerven seines Publikums. Die Einführung seiner zugegebenermaßen auch bewusst ätzend angelegten Hauptfiguren – insbesondere von Influencer Cole – gerät maximal unangenehm. Nach einer im Vlog-Stil gefilmten Jump-Cut-Überdosis bekommen wir erst einmal zu sehen, wie geil sich der im Internet als Videostar abgefeierte Möchtegern-VIP vorkommt, als seine Followerzahlen einen neuen Höchstwert erreichen. Das ist für Zuschauer abseits der Zielgruppe dann eben genauso anstrengend, wie es Videoclips derart von sich selbst überzeugter YouTube-Stars auch wirklich sind. Diese Attitüde lebensecht einzufangen, beherrscht Will Wernick hervorragend. Und auch sein Hauptdarsteller Keegan Allen («Pretty Little Liars») macht einen hervorragenden Job.

Er verkörpert einen Menschentypus, wie es ihn auf Videoplattformen dutzendfach gibt – und entweder, man ist diesem Medienphänomen entwachsen und rollt angesichts Coles Rumgepose genervt mit den Augen, oder man kann sich darauf einlassen, weil man in seiner Freizeit ohnehin derartigen Content konsumiert. «Follow Me» ist stilistisch klar ein Film von heutigem Zeitgeist. Wie lange seine Halbwertszeit ist, wird sich zeigen.

Dass Will Wernick ein solch modernes Thema und fast schon altbackene Torture-Porn-Mechanismen kombiniert, klingt nach einem spannenden Experiment. Zumal die Figuren in «Follow Me» auch allesamt so unausstehlich sind, dass man es als Zuschauer – so zynisch es klingen mag – fast schon genießen kann, wenn hier endlich die tödlichen Fallen und Folterknechte aufs Parkett treten. Dieses Prinzip hat ja schon in «Saw» oder – noch früher – in den unzähligen Teenie-Splatterfilmen funktioniert. Doch wenn es so weit ist, kocht Wernick eigentlich nur auf, was vor einigen Jahren mal en vogue war; Selbst die Ausgangslage einer Gruppe von US-amerikanischen Jugendlichen, die in ein osteuropäisches Land reisen und hier – salopp formuliert – die Schattenseiten des Tourismus kennenlernen, ist eins zu eins aus «Hostel» übernommen. Genauso wie die Instrumente, in die Cole und seine Freunde wahlweise gesperrt oder mit denen sie gepiesackt werden.

Das geschieht zwar auf durchaus blutige Weise, die dem Film eine FSK-Freigabe ab 18 einbringen dürften, doch in «Saw» und «Hostel» wurde schon deutlich kreativer gefoltert als hier. Immerhin: Die jungen Darsteller haben die effektiven Qualschreie voll drauf. Wenn hier die Säge angesetzt wird, geht das durch Mark und Bein.

Visuell dürfte für «Follow Me» ebenfalls «Hostel» Pate gestanden haben. Das matschige Grau-Braun, in dem sich die Twens hier durch den an Schlachträume und Folterkeller erinnernden Escape Room kämpfen (Kamera: Jason Goodell, «Ouija: Ursprung des Bösen»), lässt die Ereignisse auf der Leinwand zu jeder Zeit hässlich und unangenehm erscheinen. Ein Abenteuerflair wie in Will Wernicks «Escape Room» weicht hier blankem Terror – die Idee der Rätselgefängnisse spielt schon bald keine Rolle mehr, da der Film von Anfang an keinen Hehl draus macht, dass hier etwas gewaltig schiefläuft. Doch war der Bruch zwischen den reißerisch-gut-gelaunten Internetvideos hin zum Hardcore-Horrorszenario in der ersten halben Stunde noch ganz spannend, verläuft ab sofort alles in geregelten Genrebahnen – selbst das plötzliche Auftauchen der maskierten Schlächter sorgt schon längst nicht mehr für Gänsehaut. Einfach weil es so vorhersehbar ist, dass man wieder einmal viel eher die jugendlichen Opfer dafür rüffeln möchte, weshalb sie sich nicht einfach umgedreht oder rechtzeitig versteckt haben. Ob man die Macher nun trotzdem dafür loben möchte, dass sie für das Jahr 2020 etwas Neues ausprobiert haben, oder man doch eher das Bedienen an veralteten Motiven hinterfragt, bleibt jedem selbst überlassen. In diesem Jahr ist «Follow Me» zumindest konkurrenzlos.

Wer sich nun fragt, was es eigentlich mit dem Filmtitel «Follow Me» auf sich hat, der dürfte sich anhand der Figurenbeschreibung schon gedacht haben, dass dies sicher mit dem Thema der sozialen Netzwerke in Verbindung steht. Und tatsächlich versucht sich Will Wernick in seinem Film auch noch an bitterböser Kritik am schnellen Internetruhm – ganz ähnlich wie es vor einigen Jahren bereits «Nerve» versucht hat. Dafür vertraut er auf einen Vorschlaghammertwist, wie ihn nicht einmal die Netflix-Serie «Black Mirror» angewandt hätte. Er mag den Zuschauer am Ende des Films zwar tatsächlich kalt erwischen – etwas, was sich ja nun auch nicht von jeder Filmwendung behaupten lässt – doch die erst jetzt zum Dreh- und Angelpunkt auserkorene Message prügelt Wernick nun regelrecht in seine Zuschauer hinein. Und an der internetfixierten Zielgruppe wird sie sowieso vorbeigehen.

Fazit


Will Wernick hat etwas gewagt und nicht alles verloren – im Anbetracht seines wüsten Mixes verschiedener Horrorfilmströmungen ist das vermutlich mehr, als man erwarten durfte.

«Follow Me» ist ab dem 20. August in den deutschen Kinos zu sehen.
18.08.2020 11:45 Uhr  •  Antje Wessels Kurz-URL: qmde.de/120719