«Tenet» - Die Kino-Hoffnung 2020 als gigantische Luftnummer
Die ganze Welt wartet auf «Tenet» - in Christopher Nolans neuestem Film widmet er sich der Regisseur einmal mehr seinem Lieblingsthema Zeit. Doch nach Meisterwerken wie «Memento», «Interstellar» und «Dunkirk» entpuppt sich dieser hier als fauler Zauber.
Filmfacts: «Tenet»
VÖ: 26. August 2020
FSK: 12
Laufzeit: 150 Min.
Genre: Science-Fiction/Thriller/Action
Kamera: Hoyte Van Hoytema
Musik: Ludwig Göransson
Buch und Regie: Christopher Nolan
Darsteller: John David Washington, Robert Pattinson, Elizabeth Debicki, Kenneth Branagh, Michael Caine, Aaron Taylor-Johnson, Clémence Poésy
OT: Tenet (UK/USA 2020)
«Tenet» ist zu einem Symbol dafür geworden, wie die Corona-Krise die Kinolandschaft beeinflusst hat. Aufgrund weltweit geschlossener Lichtspielhäuser wurden zahlreiche Filme auf Streamingplattformen verramscht, andere weit nach hinten verschoben. Einen Großteil ihrer Projekte haben die Verleiher vollständig aus ihrem ursprünglichen Veröffentlichungsradius entfernt – teilweise von 2020 ins Jahr 2021 oder gar noch weiter. Im Falle von Christopher Nolans neuestem Film hielt das Studio Warner Bros. allerdings kontinuierlich an einer breiten Veröffentlichung in diesem Sommer fest; nicht zuletzt auf Drängen von Christopher Nolan selbst, der sich zudem ausdrücklich gegen eine VOD-Auswertung aussprach. Seit dem 13. Juni gab es fast im Wochentakt neue Nachrichten darüber, dass man «Tenet» später als ursprünglich am 17. Juli zeigen wolle und präsentierte immer neue Startdaten, die kurz darauf wieder verworfen wurden. Nun wurde es also Ende August (es ist fraglich, ob es dabei geblieben wäre, hätte man vorher gewusst, dass die zweite Epidemie-Welle aktuell in vollem Gange ist) und damit läutet Nolan so etwas ein, was sich am besten als Post-Corona-Ära bezeichnen lässt. Wird es einem Mega-Blockbuster wie «Tenet» – der teuersten Verfilmung eines Originalstoffes aller Zeiten – gelingen, die Zuschauer endlich wieder in die Filmtheater zu bewegen?
Zumindest diese Frage lässt sich vorab nicht beantworten. Aber zumindest die, ob Nolan ein weiterer Kinomeilenstein gelungen ist. Die Antwort darauf lautet: nein. Denn das erste Mal in seiner Karriere hat sich der gebürtige Brite hier vollkommen verzettelt. Da hilft ihm auch die kontinuierliche Betonung nicht weiter, dass man «Tenet» ja ohnehin nicht verstehen könne.
Zeitreisen? Nein - Inversion.
Die gesamte Welt steht vor ihrem Untergang, als ein russischer Oligarch (Kenneth Branagh) neuartige Technologie in die Hände bekommt. Um den drohenden Dritten Weltkrieg zu verhindern, begibt sich ein namenloser Ermittler (John David Washington), der sich selbst nur „der Protagonist“ nennt, auf eine abenteuerliche Rettungsmission. Dafür zur Verfügung steht ihm ein einziges Wort: Tenet. Schnell erfährt er, was es damit auf sich hat: Vor kurzem hat jemand die Entdeckung gemacht, sich die Umkehr der Zeit zu eigen zu machen. Der Vorgang nennt sich Inversion und bedeutet, dass Gegenstände sich wider ihres Ursprungszustands – also rückwärts – bewegen können. Und möglicherweise ist das auch bereits Menschen gelungen. Also nutzt der Protagonist diese Methode für sich. Ihm zur Seite steht sein Verbündeter Neil (Robert Pattinson), der mehr zu wissen scheint, als er vorgibt. Kann er ihm trauen? Und wird es den beiden gelingen, die Welt zu retten?
Wenn dem Protagonisten in einer frühen Szene die Funktionsweise sogenannter Inversion erklärt wird, lässt sich die ihm gegenüberstehende Wissenschaftlerin zu dem Satz hinreißen, dass es hierbei nicht um das Verstehen, sondern einzig und allein ums Fühlen ginge. Das ist eine klare Ansage, die im Laufe des Films mehrfach wiederholt wird. Etwa wenn die von Robert Pattinson verkörperte Figur des Neil vom sogenannten Großvater-Paradoxon (wie kann ein Zeitreisender in der Vergangenheit seinen Großvater töten, wenn er dadurch ja eigentlich seine eigene Existenz – und damit die Möglichkeit, diese Tat überhaupt erst zu begehen – verhindert?) berichtet. Doch anstatt hierfür eine Erklärung zu liefern, belässt es Neil dabei, dass dies nun eben genau das sei, was das Wort bereits vorgibt: paradox. Und so manövriert sich der auch für das Drehbuch verantwortliche Christopher Nolan kontinuierlich um jedwede Möglichkeit der innerlogischen Hinterfragung herum. Natürlich ist es einfach, einen Film, der es sich zum Kernthema macht, die Grenzen der Physik vollständig auszuhebeln, anhand seiner vermeintlichen Plotholes auszuzählen; insbesondere Nolan-Skeptiker nutzen diese Methode ja regelmäßig, um seinen Filmen die Substanz abzusprechen.
Im Falle von «Tenet» geht es allerdings gar nicht so sehr um die Frage, ob und inwiefern der Ablauf des hier Inversion genannten Zeitumkehr-Mechanismus überhaupt logisch ist. Sondern darum, dass Christopher Nolan seine sich selbst auferlegten Regeln permanent missachtet und es ihm somit 150 Minuten lang nicht gelingt, eine in sich schlüssige Filmwelt zu kreieren.
Wie ein Wollknäuel aus Stacheldraht
Im Klartext bedeutet dies, dass es nahezu unmöglich ist, «Tenet» in seiner Gänze zu verstehen – und das eben nicht, weil die Erzählung an sich so komplex wäre. Die Geschichte wird weder besonders verschachtelt erzählt, noch mangelt es am Bemühen, den Zuschauer hin und wieder mit innerhalb des Films geltenden, wissenschaftlichen Erklärungen zu füttern. Stattdessen sind es die permanenten Widersprüche, die Nolan seinem Film immer dann zwischen die Beine haut, wenn dieser gerade dabei ist, sich aufzurappeln. Nun ist es natürlich schwer, hierzu allzu viel zu verraten, ohne wiederum zu viel zur Filmhandlung preiszugeben. Daher belassen wir es an dieser Stelle mit zwei Beispielen, die sich unterschiedlich stark auf den Film im Gesamten auswirken. Auf der einen Seite sorgen die zahlreichen erzählerischen Inkohärenzen nämlich für massive Verständnisprobleme. So erklärt eine Physikerin dem Protagonisten etwa, was genau Inversion nun eigentlich bedeutet und was man tun müsse, damit sich die Technik nutzen lässt. Wenn die Hauptfigur nur wenige Momente später dann allerdings genau das Gegenteil tut und die Inversion trotzdem funktioniert, weiß man bereits früh nicht, an welche selbst aufgestellte Regel man sich nun halten soll – die anschließend von der Wissenschaftlerin getätigte, bereits zitierte Aussage, man könne all das gar nicht verstehen, sondern müsse es fühlen, wirkt unter dieser Umständen nicht mehr süffisant-augenzwinkernd, sondern wie blanker Hohn.
An anderer Stelle haben die widersprüchlichen Aussagen dagegen keine Auswirkungen auf das allumfassende Handlungsverständnis, lassen sich aber trotzdem als Blendwerk entlarven. Behauptungen wie diese, dass, wer sich in der Zeit zurückbewegt, plötzlich „Gegenwind im Rücken“ hat, mögen physikalisch wiederum vielleicht nicht direkt an den Haaren herbeigezogen sein (das kann man aufgrund dessen, dass die innerfilmischen Regeln permanent unterschiedlich ausgelegt werden, auch kaum beurteilen). Doch wer Gegenwind im Rücken hat, dürfte diesen zumindest nicht spüren, da sich die Bewegungsrichtungen von Wind und Mensch nicht kreuzen – doch der Protagonist solle sich darauf vorbereiten, dass sich dieses Gefühl komisch anfühlen werde. Ganz schön albern.
Um die gesamte Welt vor dem Untergang zu bewahren, steht dem Protagonisten nur ein einziges Wort zur Verfügung: Tenet. Seine Mission führt ihn in eine zwielichtige Welt der internationalen Spionage, in der die Gesetze der Zeit nicht zu gelten scheinen. Zeitreisen? Nein. Inversion.
Natürlich ist es einfach, einen Film, der es sich zum Kernthema macht, die Grenzen der Physik vollständig auszuhebeln, anhand seiner vermeintlichen Plotholes auszuzählen; insbesondere Nolan-Skeptiker nutzen diese Methode ja regelmäßig, um seinen Filmen die Substanz abzusprechen. Im Falle von «Tenet» geht es allerdings gar nicht so sehr um die Frage, ob und inwiefern der Ablauf des hier Inversion genannten Zeitumkehr-Mechanismus überhaupt logisch ist. Sondern darum, dass Christopher Nolan seine sich selbst auferlegten Regeln permanent missachtet und es ihm somit 150 Minuten lang nicht gelingt, eine in sich schlüssige Filmwelt zu aufzubauen.
Fassen wir zusammen: Dadurch, dass Christopher Nolan wahlweise keinerlei Grenzen absteckt oder sie direkt danach wieder einreißt, nimmt er sich den Freifahrtsschein heraus, einfach das zu tun, womit sich das größte Spektakel kreieren lässt. Das ist auch per se nicht schlimm – die Filme eines Michael Bay funktionieren im Grunde auf dieselbe Art und Weise und auch an ihnen lässt sich jede Menge Spaß haben, wenn man sich erst einmal damit arrangiert hat. Doch «Tenet» funktioniert nicht über die „Ich mach einfach, worauf ich Bock habe und entweder, ihr schluckt das, oder lasst es bleiben!“-Attitüde, da er sich im Gegensatz zu Bay permanent in theoretischer Erklärung versucht. Um bei diesem Beispiel zu bleiben: Wenn Bay in «Transformers» drei Sonnenuntergänge an einem Tag stattfinden lässt, dann ist das völlig legitim, solange er es als Style-over-Stubstance-Gaga-Motiv versteht, das einzig und allein dazu dient, den Film geiler aussehen zu lassen. Würde nun allerdings eine Figur zu Beginn des Films erklären, dass es in dieser Welt keine drei Sonnenuntergänge pro Tag gibt, hätte sie eine Grenze gesetzt, die der Film mit dem (unkommentierten) Stattfinden von drei Sonnenuntergängen pro Tag sprengen würde. Dann wären diese nämlich keine reine Style-over-Substance-Entscheidung mehr, sondern handlungsrelevant – und der Film in sich widersprüchlich.
Michael Bay würde man für so offensichtlichen Plotholes verlachen; dabei macht dieser es sich noch nicht einmal zur Aufgabe, in seinem Film physikalische Theorien aufzustellen. Christopher Nolan dagegen übt sich mit «Tenet» dagegen in wissenschaftlicher Erklärung – und darf daher in diesem Fall auch verlacht werden.
Vorwärts? Zurück? Ganz egal.
Nun ist es ja längst nicht das erste Mal, dass Christopher Nolan mit dem Thema Zeit experimentiert. Insbesondere in «Memento», «Interstellar» und «Dunkirk» spielten unterschiedliche Chronologien und relative Zeitempfindungen eine große Rolle. Da Zeit für unsereins etwas ist, das sich im echten Leben nicht variieren lässt – sie fließt eben einfach vorwärts, Sekunde um Sekunde, Minute um Minute, Tag für Tag – gehen Spielereien mit ihr nicht selten mit Mindfucks einher; Christopher Nolan hat sie perfektioniert. Es ist so gesehen nicht einmal auszuschließend, dass es für ihn sehr wohl eine allumfassend innerlogische Erklärung, eine Art Chronologie, gibt – die, glaubt man diversen Aussagen der «Tenet»-Schauspieler allerdings auch nur er zu verstehen scheint. Doch geschenkt, betrachtet man Nolan als grenzenlosen Visionär; auch ein David Lynch verschließt sich bewusst Erklärungen seiner Filme, sondern will sie das Publikum ebenfalls vornehmlich „spüren“ lassen. Doch hier kommt ein Kritikpunkt ins Spiel, der sich nicht etwa auf den Inhalt, sondern auf die Form des Films bezieht: «Tenet» ist auch abseits seiner – nennen wir es einmal freundlich: lückenhaften – Geschichte auf eine Art und Weise wirr und unausgegoren erzählt, die man nicht liebend gern durch mehrmaliges Gucken entwirren möchte (Stichwort: Lynch, Aronofsky und so weiter), sondern auf die Art, die einem den Spaß verdirbt.
Nolan wirft seinem Publikum nicht einfach nur ein verknotetes Wollknäuel zum Entwirren vor die Füße; dieses Knäuel besteht aus Stacheldraht und so vielen Einzelteilen, dass man es nach dem schmerzhaften Entwirren auch noch extra zusammenkleben muss, damit man irgendetwas davon hat. Das tut den einen mehr weh als den anderen – und wer richtig plietsch ist, trägt dabei Handschuhe und kann dabei dann sogar richtig Spaß haben. Doch wenn Christopher Nolan mit «Tenet» seine Zuschauer verliert, ist das in diesem Fall nicht die Schuld des Zuschauers, sondern des Films selbst.
«Tenet» beginnt mit einer Szene in einer Oper – einer fett inszenierten Actionszene, die insbesondere im Kino bei voll aufgedrehter Lautstärke so richtig fetzt. Ein verdammt dynamischer, fast schon an James Bond erinnernder Opener, der sein Publikum sofort in den Film hineinzieht. Wenn sich kurz darauf das Setting ändert und wir die Folgen der zuvor gezeigten Ereignisse zu sehen bekommen, erschließen sich einem die Zusammenhänge noch. Doch sie bietet auch einen Vorgeschmack auf die im folgenden beibehaltene Struktur: In einem bestimmten Setpiece treibt eine (Action-)Szene die Handlung massiv voran, im Anschluss folgt direkt die nächste und darauf folgt wieder die nächste; dazwischen wird sich nicht einmal die Zeit genommen, auf die Folgen der vorherigen einzugehen, weder für die Geschichte, noch für die handelnden Figuren. Diese zahlreichen Ort- und Zeitsprünge (übrigens straight forward – «Tenet» verzichtet vollständig auf Flashbacks oder andere «Memento»-artigen Spielereien, wegen derer man durcheinanderkommen könnte) offenbaren ein klares Desinteresse an allem, was nicht knallt, rumst oder dem Zuschauer anderweitig ein Staunen entlocken soll. Dialoge setzen Wissen voraus, das man nicht hat, die Figuren sind Mittel zum Zweck. Es ist ein regelrechtes Schuldeingeständnis, dass die von John David Washington («BlackKklansman») passend dazu recht einfältig verkörperte Hauptfigur (selbst die Entdeckung von Inversion lässt ihn absolut kalt, was wiederum eher ein Drehbuchversäumnis ist) hier nur „der Protagonist“ genannt wird.
Seine Aufgabe besteht darin, das Geschehen voranzutreiben – und das wars. Er erhält nicht einmal Ansätze einer Hintergrundgeschichte, was zur Folge hat, dass es einem bis zuletzt vollkommen gleichgültig ist, ob er die Ereignisse überlebt. Dasselbe gilt für sämtliche Nebenfiguren; Stars wie Michael Caine («The Dark Knight») fungieren ohnehin nur als Stichwortgeber. Kenneth Branagh («Mord im Orient Express») gibt einen passablen Schurken, der vielmehr aus seiner Rolle herausholen könnte, hätte ihn das Skript nicht mit einer Standard-Allmachts-Motivation abgespeist und Robert Pattinson («Der Leuchtturm») macht als Einziger im Cast das einzig Richtige: Und schmunzelt währen seiner Performance süffisant die leeren Phrasen weg, aus denen «Tenet» zwischen seinen (eben doch nur pseudo-?)wissenschaftlichen Ausführungen besteht. Er erhält sogar ein paar sympathisch-amüsante One-Liner und macht sich damit zum heimlichen Star des Films.
Eine technische Meisterleistung
Das waren bisher alles ziemlich harte Worte zu einem Film, den die Welt im Jahr 2020 vermutlich so sehr erwartet wie keinen zweiten. Und genau aus diesem Grund darf man die Vorzüge an «Tenet» keineswegs unter den Teppich kehren – denn wenn Christopher Nolan zu Lasten erzählerischer Kohärenz bestrebt war, ein möglichst opulentes Leinwandspektakel zu kreieren, dann ist ihm dies definitiv gelungen. Der über 200 Millionen Dollar teure Film besitze laut Nolan selbst „weniger CGI-Effekte als eine handelsübliche RomCom“ – andere Quellen wiederum sprechen sogar von „gar keine“. Was nun genau stimmt, lässt sich so auch gar nicht ausmachen, was allein schon ein riesiges Kompliment ist. Denn selbst wenn in «Tenet» Computertricktechnik zum Einsatz kommt, ist sie nicht zu sehen. Und damit ist nicht nur gemeint, dass Nolan in einer vorab besonders für Aufsehen sorgenden Szene ein echtes Flugzeug (!) hat explodieren lassen, sondern das alles, aber auch wirklich alles an «Tenet» eine Haptik besitzt, die überhaupt keinen Zweifel daran aufkommen lässt, dass hier tatsächlich permanent Dinge in die Luft gejagt werden.
Schade ist, insbesondere nach den spektakulären Trailern, allerdings, dass Nolan überraschend wenig damit macht, was er für «Tenet» als Unique Selling Point auserkoren hat: die in verschiedene Richtungen ablaufende Zeit. Die Momente, in denen sich Bewegungsabläufe rückwärts abspielen, sind rar gesät – und wurden leider zum Großteil für den Trailer verpulvert. Dabei wurde vorab bekannt, dass die meisten Actionszenen zweimal gedreht wurden, um sie einmal rückwärts und einmal vorwärts abspielen zu lassen. Wenn dann auch mal etwas aus diesem Mehraufwand gemacht wird, entstehen darauf spektakuläre Motive wie etwa ein in sich zusammenstürzendes Haus, das kurz darauf wieder aufgebaut wird. Doch für einen Film mit einer so einzigartigen Spielart von Zeitabläufen ist «Tenet» dann doch ein zwar hervorragend getrickster, aber eben doch konventioneller Actionfilm geworden.
Bleibt zu guter Letzt noch ein Blick auf den wohl besten Aspekt: die Musik. Der zuvor für seine Arbeit an «Dune» von «Tenet» abgesprungene Hans Zimmer überließ das Feld seinem Kollegen Ludwig Göransson («Creed II»), der auf die wuchtigen Nolan-Scores seines Vorgängers noch einen draufsetzt. Sämtliche musikalischen Motive bleiben sofort im Ohr und versehen nahezu alle Szenen mit einer treibenden Dynamik, die den Film – zumindest akustisch – auf ein völlig neues Level an Intensität hebt. Was die Figuren und die Handlung nicht vermögen, gleich Göransson im Alleingang aus. Neben der Musik präsentieren sich auch die Bilder von Nolans Stammkameramann Hoyte van Hoytema gewohnt stark, da er als einer von wenigen Kameraleuten das Selbstbewusstsein besitzt, einfach mal weiter weg zu gehen und das auf der Leinwand stattfindende Getümmel von der Ferne aus zu beobachten, anstatt sich mitten hinein zu stürzen. Nein, aus audiovisueller Sicht lässt sich «Tenet» überhaupt nichts vorwerfen. Wären derartige Qualitäten auch auf den anderen Ebenen auszumachen, wäre Nolan vermutlich einer der besten Filme aller Zeiten gelungen. So ist er nur fauler Zauber.
Fazit
Große Klappe, nichts dahinter – Christopher Nolans neuester Film «Tenet» versucht, mit einer herausragenden, technischen Inszenierung zu verschleiern, dass sich der Autor und Regisseur an der Geschichte gnadenlos verhoben hat. Das gelingt allerdings nicht, da er dies in seinem Film permanent selbst zugibt. Doch seine vermutlich selbstbewusst gedachte „Ihr werdet es eh nicht verstehen, daher fühlt es!“-Attitüde wirkt durch und durch überheblich. Zum ersten Mal in seiner Karriere hat Nolan dem Vorwurf, sein Film sei Blendwerk, nichts entgegenzusetzen. Einem Michael Bay hatte man einen Film wie «Tenet» gnadenlos um die Ohren gehauen.
«Tenet» ist ab dem 26. August bundesweit in den deutschen Kinos zu sehen.