«Schönes Schlamassel» hätte ein Film über eine moderne jüdische Identität in Deutschland werden können. Stattdessen steht eine verkrampfte Mischung aus Shoah-Aufarbeitung und Beschneidungswitzen.
Cast & Crew
Vor der Kamera:
Verena Altenberger als Anne Braun
Maxim Mehmet als Daniel Rubenbauer
Lasse Myhr als Tobias Feinstein
Lisa Wagner als Laura Lorenz
Peter Prager als Oskar Braun
Kirsten Block als Sandra Braun
Dieter Hallervorden als Schlomo Wisniewski
Hinter der Kamera:
Produktion: Bavaria Fiction GmbH
Drehbuch: Wolfgang Murnberger (auch Regie) und Peter Probst
Kamera: Peter von Haller
Produzenten: Maren Knieling und Marc ConradIn Deutschland wird wohl kein anderer israelischer Autor so stark mit dem berühmten „jüdischen Humor“ in Verbindung gebracht wie der Satiriker Ephraim Kishon, der Israel und das jüdische Volk mit schier unendlicher Zuneigung und nicht minder spitzer Zunge beschrieben hat. Diese Paarung einer grenzenlosen Sympathie, frei von jedwedem Zynismus, mit einer schonungslosen Beobachtungsgabe ist der deutschen Feuilleton-Literatur, vielleicht mit Ausnahme von Max Goldt, fast völlig fremd: Was Kishons Popularität bei der deutschen Leserschaft nie einen Abbruch tat.
Es ist also in gewissem Sinne folgerichtig, dass bei einer deutschen jüdischen Fernsehkomödie der Stein dadurch ins Rollen kommt, dass eine Buchhändlerin auf einem dicken Wälzer mit Kishons Gesamtwerk ausrutscht und sich dabei den Arm bricht – nur damit in der Klinik dann ein jüdischer Arzt (Lasse Myhr) den Gips anrührt. Besser könnte der Tag für die ungebundene Schickse Anne Braun (Verena Altenberger) trotz der körperlichen Unpässlichkeit also kaum laufen, schließlich fühlt sie sich romantisch seit jeher zu Juden hingezogen – oder zu „Würstchen ohne Zipfel“, wie ihre Busenfreundin (und Masseurin) Lena Lorenz (Lisa Wagner) das formuliert.
Schon an dieser frühen Stelle verhebt sich der Film damit an einem Aspekt, bei dem Kishon fast lehrbuchhaft den Weg weisen könnte: der zweckmäßigen, stilistisch sinnigen Verflechtung des komödiantischen Kommentars mit einer stets im Hintergrund schwelenden Tragik. Denn immer noch scheinen jüdische Figuren im deutschen Fernsehen nicht ohne den Holocaust erzählbar zu sein – und so schwebt auch hier über dem dramaturgischen Konstrukt stets die Ursünde der Shoah, die man wohl als den eigentlichen Ursprung von Annes Philosemitismus ausmachen muss: Denn schräg gegenüber von ihrer Buchhandlung betreiben ihre Eltern einen Antiquitätenladen, der seine wirtschaftlich blühendsten Zeiten mit Schnäppchen-Arisierungen bestritten hat. Die Konfrontationen zwischen den Generationen verlaufen dabei stets gleich: Während Anne (zurecht) Vorwürfe erhebt und ihren Eltern eine „situationsbezogene, elastische Moral“ vorwirft, flüchten die sich ins Herunterspielen, Abwiegeln und Leugnen.
Gleichzeitig will der Film mit seinem betont fulminanten Haupthandlungsstrang – Annes Freundin Lena verguckt sich in den jüdischen Arzt, und Anne datet dessen Kumpel (Maxim Mehmet), der vorgibt, Jude zu sein, um ihr zu gefallen – jedoch eine betont fröhliche, moderne, „normale“ jüdische Alltagswelt in Deutschland zeigen. Natürlich sind das keine einander ausschließenden Tendenzen, sondern vielmehr eine Abbildung der tatsächlich gelebten Realität. Doch stilistisch findet dieses «Schlamassel» damit nie einen Halt, sondern eiert hilflos von bemühter Holocaust-Aufarbeitung zu Beschneidungswitzen, ohne – wie dies vielen israelischen oder angelsächsischen Autoren wohl mühelos gelänge – beides in ein tonal stimmiges Ganzes zu überführen.
Selbstverständlich musste man dabei um jeden Preis die Falle vermeiden, beim Transponieren des Sagbaren aus der einen Kultur in die andere geschichtsvergessen zu werden. Farcen wie in «Seinfeld», wo bei einer Vorführung von «Schindlers Liste» hemmungslos gefummelt wurde, bleiben in Deutschland – glücklicherweise – undenkbar. Doch im Endeffekt vermeidet es «Schönes Schlamassel» nur haarscharf, seine jüdischen Charaktere (und die Goyim, die sich für sie ausgeben) allein über die vom Holocaust geprägte Biographie ihres Volkes/ihrer Religionsgemeinschaft zu definieren – genau der Fehler, den man in einem Film über modernes, aktuelles jüdisches Leben in Deutschland wohl nicht machen wollte.
Das Erste zeigt «Schönes Schlamassel» am Mittwoch, den 2. September um 20.15 Uhr.