Tom Beck spielt einen bayerischen Einsiedler – aber ganz anders, als Sie sich das jetzt vorstellen. Über einen der gelungensten Heimatfilme der Degeto-Geschichte.
Cast & Crew
Vor der Kamera:
Tom Beck als Leonhard
Anna Drexler als Beate
Annette Frier als Hanna Spengler
Martin Brambach als Christian Spengler
Gabriel Raab als Anton Gruber
Mara Widmann als Franziska Gruber
Felix Hellmann als Gregor Obermeier
Hinter der Kamera:
Produktion: Amalia Film GmbH
Drehbuch und Regie: Benedikt Röskau
nach einer Idee von Sylvia Leuker
Kamera: Thorsten Harms
Produzent: Felix von PoserZuerst könnte man denken, Tom Beck wolle der neue Hansi Hinterseer werden; wie er da vor einer Berghütte mit einem wuchtigen Axthieb nach dem anderen Brennholz spaltet, in einem sich vor Brustmuskeln wölbenden Tank Top, immer mit einem Lächeln auf den Lippen und einem freudigen Spruch für die herumstehenden Kühe, die allesamt mit ihren zuckersüßen Vornamen angesprochen werden. ARD-Filme, die mit einem zünftigen „Des is‘ a Hoiz, Anni“ beginnen, haben schließlich ihren Ruf weg.
Auch auf die anjoggenden Touristinnen aus Norddeutschland, die die urige bayerische Landschaft mit derselben lächelnden, anbiedernden Hochnäsigkeit betrachten wie altertümliche, grauhaarige Engländerinnen auf Safari-Tour den afrikanischen Kontinent, wirkt die brachial-bayerische Sprachfärbung des von Tom Beck gespielten Leonhard zunächst nicht allzu ungewöhnlich. Erst als er sich über die finnische Euromünze empört, die ihm die kichernden Nordlichter als Milchgeld überreichen, weil alle finnischen Euromünzen Falschgeld seien, und er mittels seiner Axt den Beweis erbringen will, erkennen wir: Irgendwas ist hier anders als sonst.
Die Antwort liefert sein Cousin aus dem Tal: Leonhard lebt mit einer geistigen Behinderung. Genauso wie die gleichaltrige Beate (Anna Drexler) in Nordrhein-Westfalen, die sogar Leonhards Euro-Obsession teilt und sich im Behindertencafé partout weigert, „portugalesische“ Münzen anzunehmen. Als sie mit ihren Eltern (Martin Brambach und Annette Frier) zu einem Urlaub in die Alpen aufbricht, lernt sie dort Leonhard kennen. Die beiden verlieben sich – und erwarten bald ein gemeinsames Kind.
Vielleicht legt es dieser Film angesichts seiner aus Heile-Welt-Stereotypen zusammengeklaubten ersten Sequenz offensiv darauf an, ob Dialekt und Bergpanaroma zunächst als weitere Heimattümelei belächelt zu werden, nur um den Zuschauer dann mit jeder Szene deutlicher davon zu überzeugen, dass dieser Stil, diese Machart und dieser Sendeplatz genau den richtigen Rahmen bilden, um die hier vorgeführten Themen so effektiv wie möglich zu verhandeln. Dieser Stoff über zwei Menschen mit geistiger Behinderung und ihre sexuellen, intimen und zwischenmenschlichen Wünsche sowie ihre Entscheidung für ein gemeinsames Kind ist kein Problemfilm für den Mittwoch im Ersten, sondern funktioniert am besten in einer heiteren Spielart am Wochenende.
Damit legt «Eine Almhütte für zwei» freilich die Messlatte für all die anderen Produktionen hoch, die Woche für Woche zur selben Sendezeit ausgestrahlt werden. Denn dieser Film macht mit schier frappierender Leichtigkeit vor, wie wunderbar sich ein lebensbejahender, dramaturgisch wenig komplexer Duktus mit einem ernsten Anliegen und inhaltlicher Überzeugungskraft vereinen lässt.
Denn diese «Almhütte» nimmt all ihre Figuren, die behinderten wie die nicht-behinderten, gleichermaßen ernst und flechtet dabei auch das erste Entsetzen von Beates Eltern und Leonhards Cousin über die anstehende Lebensveränderung ehrlich und authentisch in die Geschichte mit ein – auch wenn sich hier zu einfach gedachte Motive schließlich in einer zu gewollten Asymmetrie niederschlagen: Beates Mutter will sich gar nicht ausmalen, welche finanziellen, organisatorischen und emotionalen Belastungen es zur Folge haben würde, wenn ihre Tochter, die intellektuell zeitlebens auf dem Stand einer Achtjährigen verblieben ist, ein eigenes Kind bekommt – und trotzdem will und wird sie ihr diesen Wunsch aus einer bedingungslosen Liebe heraus nicht verwehren. Leonhards Verwandte konzentrieren sich dagegen aufs Taktieren: Denn Leonhard ist Eigentümer einer Bergquelle, deren Ausbeutung ein Millionengeschäft verspräche; sein Kind wäre jedoch ein potentieller Erbe, durch den die großen Pläne sofort ins Stocken gerieten.
So sind es am Schluss auch die sprudelnden Einnahmen aus besagter Wasserverwertung, die den finanziellen Druck vom Kessel nehmen und Beates Eltern eine deutlich positivere, optimistischere Perspektive auf ein Leben mit dem (Enkel-)Kind ermöglichen. Und spätestens mit dieser denkfaulen Wendung verlässt «Eine Almhütte für zwei» endgültig seinen eigentlich alltagsnah und problemorientiert gehaltenen Ansatz.
Was trotzdem gefällt, sind die unkomplizierten Beziehungen der Figuren zueinander, die große Sanftheit und Zuneigung, die das Drehbuch ihnen entgegenbringt, und das völlig unprätentiöse Spiel dieses erstklassigen Ensembles. Gerade Tom Beck (alles andere als ein Kritikerliebling) sticht mit seiner liebevollen, authentischen, ungeschönten Darbietung besonders positiv ins Auge, während seine Spielpartnerin Anna Drexler sich ebenfalls ganz auf ihre Figur einlässt und damit außerordentlich gefällt.
Das Erste zeigt «Eine Almhütte für zwei» am Samstag, den 5. September um 20.15 Uhr.