Bessere Repräsentation und gerechtere Standards: Academy führt neue Oscar-Regeln ein

Die Academy of Motion Picture Arts & Sciences etabliert neue Qualifikationsregeln für die Kategorie "Bester Film": Produktionen müssen zwei von vier Repräsentationsparametern erfüllen.

Die Oscars sind der berühmteste und wohl prestigeträchtigste Filmpreis der Welt – und doch sind sie wenig repräsentativ für die Filmwelt. Nicht umsonst hat sich "Oscar-Film" als semi-offizielle Filmgattung durchgesetzt. Damit die Academy Awards sowohl die Vielfalt des Kinos als auch die Vielfalt der Filmindustrie besser widerspiegeln, befindet sich die für den Award zuständige Academy of Motion Picture Arts & Sciences in einem langen Wandlungsprozess. So wurde in den vergangenen Jahren durch zahlreiche Neuzugänge die demografische Zusammensetzung der Academy verändert, damit sie näher an der demografischen Zusammenstellung der Filmbranche ist, statt weiterhin ein, zwei Untergruppen überproportionales Stimmgewicht beim womöglich wichtigsten Filmpreis der Welt zu geben.

Nun gibt die Academy eine weitere Maßnahme bekannt, um die Existenz eines "typischen Oscar-Films" zu schmälern: Bei den 94. und den 95. Oscars, also bei den Academy-Award-Verleihungen in den Jahren 2022 und 2023, müssen die Verantwortlichen vertrauliche Datenbögen über Filme ausfüllen, die in der Kategorie "Bester Film" eingereicht werden. Darin sollen Angaben über die Inklusionsmaßnahmen im Laufe der Produktion getätigt werden. Ab 2024 respektive den 96. Oscars werden zudem zusätzliche Qualifikationsregeln implementiert. Filme, die für die Kategorie "Bester Film" eingereicht werden, müssen zusätzlich zu den bestehenden Regeln (Mindestlänge, angemessene Kinoauswertung, etc.) zudem mindestens zwei von vier Standards erfüllen. Diese Standards zielen es darauf ab, Geklüngel und historisch-systembedingte Bevorteilungen innerhalb der Filmbranche auszubremsen, und die Industrie somit in kreativen Belangen sowie Vorbildlichkeit hinsichtlich der Arbeitsbedingungen vorwärts zu bringen.

Die von der AMPAS abgesteckten Standards umfassen "Leinwandrepräsentation, Themen und Narrativen", "Kreative Führung und projektbezogene Teamzusammenstellung", "Zugang zur Industrie und Karrierechancen" und "Publikumsentwicklung". All diese Standards bezwecken, dass künftig Filme, die von der Academy als würdig erachtet werden, für den bekanntesten und bedeutendsten Filmpreis der Welt eine Nominierung zu erhalten, die Branche auch in einem guten, aufgeschlossenen Licht darstellen sollten. Anders gesagt: Unter ungerechten Bedingungen produzierte Filme sollen nicht länger von der Filmindustrie als herausragende Leistung prämiert werden.

So kann man den Standard "Zugang zur Industrie und Karrierechancen" durch bezahlte Praktika für Menschen erfüllen, denen Hollywood bislang aus vorurteilsbelasteten Gründen die Tür vor der Nase zugeschlagen hat, oder dadurch, dass die Produktionsfirma innerhalb der Industrie unterrepräsentierte Menschen ausbildet. Den Standard "Kreative Führung und projektbezogene Teamzusammenstellung" können Filme unter anderem bereits dadurch erfüllen, dass zwei Academy-relevante Kreativposten (u.a.: Schnitt, Regie, Musik, Kostümdesign) an Mitgliedern von bislang durch Hollywood sträflich benachteiligte Personengruppen gehen. Der Punkt "Publikumsentwicklung" blickt auf repräsentative Zusammenstellungen des Marketingteams, der Standard "Leinwandrepräsentation, Themen und Narrativen" auf den Cast und den Filminhalt.
09.09.2020 09:46 Uhr  •  Sidney Schering Kurz-URL: qmde.de/121242