Die neue Serie von Bill Lawrence («Scrubs») und Teilen der «Saturday Night Live»-Crew steht AppleTV+ gut zu Gesicht. Wie sie Humor und Tiefgang vermischt...
„Jungs, wir sind kaputt. Wir brauchen Veränderung. Veränderungen können Angst machen. Den einen Tag spielst du Fangen in der Pause mit deinen Freunden und plötzlich kriegst du Pickel, deine Stimme wird tief und immer wenn sich deine Kunstlehrerin Mrs. Scanlon runterbeugt, um sich dein Projekt anzusehen, wirst du ganz kribblig.
Sie war eine eindrucksvolle Frau. Nicht wirklich schön. Aber eindrucksvoll. Meine ersten Bikinistreifen. Meistens ist Veränderung etwas Gutes. Ich denke, darum geht’s. Veränderung anzunehmen. Mutig zu sein. Das zu tun, was zu tun ist, damit jeder im Leben mit seinem vorankommt.“ Ted Lasso
Wer ist dieser «Ted Lasso»? Der Mann, den diese besagte Rede in seiner Serie quasi zum Wendepunkt verhalf? «Ted Lasso» ist niemand weniger als der neue Apple+TV-Superstar – das neue Projekt des Tech-Giganten, das zusätzliche Kaufanreize für iPhones, iPads oder elektronische Armbanduhren schaffen soll. Bekannt wurde «Ted Lasso» durch eine fast schon kongeniale Cross-Promo gemeinsam mit dem weltweit agierenden Sportstreamer DAZN – während des Champions-League-Finals lief dort nämlich ein mehrminütiger Spot für die Serie, in der Lasso den bekannten Fußball-Coach Jose Mourinho mit Fragen rund um das Spiel mit dem runden Leder nervte.
Zur Zeit ist «Ted Lasso», glaubt man den Bewertungen auf imdb.com, die auf an die 8.000 Votes basieren, mit einer Wertung von 8,7 von zehn unter den Top-Serien weltweit – zumindest wenn man auf die schaut, die in dem Jahr neu veröffentlicht wurden. Der aus «Saturday Night Live» bekannte Jason Sudeikis spielt darin den Football-Coach Ted Lasso, der die USA verlässt, um sich einer neuen Herausforderung zu stellen. Der englische Fußballverein AFC Richmond, der in der Premier League spielt, hat ihn als neuen Cheftrainer verpflichtet. Ausgerechnet Lasso, der zwar Ahnung von Football hat, aber nicht einmal weiß, dass es im Fußball nicht vier Spielabschnitte, sondern nur zwei gibt.
Wieso passierte das? Recht schnell erfährt der Zuschauer, dass die Klub-Chefin, grandios gespielt von Hannah Waddingham, ganz eigene Ziele verfolgt. Sie weiß, dass der Verein ihrem Ex-Mann, der sie so fies betrogen hat, nach wie vor am Herzen liegt. Sie weiß, dass es der Verein ist, über den sie ihn noch wirklich treffen kann. Also hat sie kurzerhand einen Coach verpflichtet, mit dem eine erfolgreiche Saison quasi ausgeschlossen ist. Lasso sitzt gewissermaßen in der Falle. Natürlich spielt das neue AppleTV+-Original viel damit, dass im Kernland Amerika Fußball eher noch Nischensport ist. Natürlich aber ist es auch geschickt, den Amis eine Fußballserie zu präsentieren; auf dem Vormarsch ist der Sport dort auch; 2026 soll dort die Mega-WM mit dann 48 Teams stattfinden.
In den jeweils rund halbstündigen Folgen sieht sich Lasso mit allerlei menschlichen Problemen konfrontiert. Innerhalb der Mannschaft knirscht und knarzt es mit jeder Niederlage mehr und auch privat ist Lasso nicht böse, tausende von Kilometern von seiner Heimat und seiner Familie entfernt zu sein. Ohne zu viel zu verraten – auch das Verhältnis zu seiner Frau könnte besser sein.
Brendan Hunt und Joe Kelly («Saturday Night Live») und («Bless the Mess») sowie «Scrubs»-Erfinder Bill Lawrence haben für das neue AppleTV+-Format vor allem höchst liebevolle Charaktere geschaffen. Ihr Handeln ist durchgehend herzerwärmend, selbst der eingebildete Torjäger des AFC Richmond agiert letztlich niemals böswillig, sondern eher auf verrückte Art tollpatschig. «Ted Lasso» ist daher Feel-Good-Fernsehen zum Zurücklehnen, aber eben auch ein Programm mit sehr tiefgründigen Momenten. Es geht um Zusammenhalt, Vertrauen, Loyalität und ganz am Rande auch um diese komische Sportart, bei der der Ball rund und nicht eierförmig ist.
AppleTV+ selbst ist seit rund einem Jahr auf dem Markt – knapp einen Fünfer kostet der Dienst, der keine externen Filme oder Serien anbietet, sondern sich auf eine kleine, aber eine Auswahl eigener Stoffe beschränkt. AppleTV+ ist kein Supermarkt, sondern der kleine Tante-Emma-Laden, immer sauber, immer aufgeräumt, immer mit Qualität versehen. Zweifel daran, dass sich der Apfelkonzern mit dieser Strategie gegen die Großen wie Netflix oder Disney wird durchsetzen können, gab es zuhauf. Weiterhin liegt Apple was umgesetzte Smartphones angeht im weltweiten Ranking nur auf Platz zwei – hinter Huawei und Samsung. Das könnte sicherlich besser sein. AppleTV+ wird daher aufgerüstet – kaum eine andere einen Streamingdienst anbietende Firma hat in den vergangenen Monaten so viele Stars unter Vertrag genommen wie Apple.
Weitere AppleTV+-Dramen in der Bewertung
- «The Morning Show» kommt derzeit bei IMDB auf eine Bewertung von 8,4 von 10
- «Defending Jacob» liegt bei guten 8 von 10.
So wird Star-Regisseur Martin Scorsese nun Filme nur für AppleTV+ machen, Carlton Cuse («Lost») entwickelt Stoffe, die Firma von Leonardo DiCaprio hat ein Projekt untergebracht, Robert Downey Jr. setzte seine Unterschrift unter einen Vertrag mit dem Unternehmen. Auch Idris Elba wird weiterhin für Apple arbeiten.
Der AppleTV+-Weg, er ist ein anderer und ein eigener. Er setzt auf Qualität, statt Quantität – das passt letztlich auch zu Apples Markenkern. Denn wenn dabei immer Stoffe wie «Ted Lasso» herauskommen, kann es dem Konsumenten letztlich nur recht sein.