Jürgen Vogel: ‚Ich glaube, dass das, was ich mache, bereits Politik ist‘
Ernste Rollen liegen dem beliebten Schauspieler genauso wie das komische Fach. Den Beweis liefert er erneut mit seinem neuen Film «Es ist zu deinem Besten».
So ist das mit Jürgen Vogel! Das Thema ist eine Komödie, aber man kommt während des Gesprächs noch auf so viele andere Themen, die essentiell sind. Dabei ist der 52-jährige Hamburger mit Wohnsitz in Berlin alles andere als ein Grübler, und nicht erst in «Es ist zu deinem Besten» hat er seine komödiantische Seite ausgespielt. Aber er ist nun mal ein Mann, der sich Gedanken macht und dabei das Lachen nicht verliert. In «Es ist zu deinem besten» erlebt man ihn nun als gestressten Vater einer 18-Jährigen (Lisa-Marie Koroll), die sich in einen Typen verliebt hat, der altersmäßig selbst ihr Daddy sein könnte. Wie denkt Jürgen Vogel von solchen Altersunterschieden in der Liebe? Wir haben ihn zum Interview getroffen.
Wie haben Sie bisher die Corona-Krise überstanden?
In meiner Branche ist es für viele schwierig geworden und es kommen gerade weniger Filme ins Kino. Aber vielleicht ist das auch eine Chance, weil die Konkurrenz nicht so groß ist. Ich hoffe, dass wir jetzt mit unserem Film den richtigen Moment abpassen, dass die Leute wieder Lust haben auf Komödie. Ein bisschen lachen, das ist gerade nicht so verkehrt.
Guter Humor, war das ein Grund für Sie, mal wieder eine leichte Komödie zu drehen?
Auf jeden Fall, weil ich auch selber gern lache. Ich habe schon vorher Komödien gedreht, wenn auch nicht so viele wie man denkt. Aber die, in denen ich dabei war, habe ich aus Überzeugung und sehr, sehr gerne gemacht.
Was fanden Sie am Drehbuch zu «Es ist zu deinem Besten» besonders gelungen?
Generell die Idee, dass sich Väter zusammentun, um die potentiellen Schwiegersöhne loszuwerden. Zuhause haben sie nichts zu sagen. Da haben die Frauen das sagen, was ich ebenso mag, und die Töchter haben überhaupt keinen Bock darauf, ihre Väter in ihr Liebesleben einzuweihen. Das zusammen hatte für mich so viel Potential an Humor, dass ich da gern mitgemacht habe.
Als echter Vater würden Sie aber nicht so reagieren wie im Film, oder?
Niemals! Ich habe Töchter in dem Alter wie Lisa-Marie Koroll, die im Film meine Tochter spielt. Ich selbst habe aber immer schön lockergelassen und die Leine losgelassen, sonst wird es für dich eine schwere Zeit. In Liebessachen kannst du sowieso nichts machen, höchstens einen Tipp geben, aber nur wenn sie dich fragen. Wenn nicht, sollte man sich raushalten. Das ist klüger.
Es scheint, dass Sie generell ein Mensch sind, der positiv auf die Dinge zugeht oder sie auf sich zukommen lässt…
Manchmal muss man diplomatisch sein, manchmal muss man sich aber auch abgrenzen, und dann hilft nur ein Nein. Das kann ich auch, doch prinzipiell finde ich, dass man sich immer wieder neu ausprobieren sollte, um bloß nicht zu glauben, man wüsste alles. Es hilft, auch mal andere Wege zu gehen, um offen und jung zu bleiben.
Ewige Jugend?
Nein, ich finde es ganz toll, älter zu werden. Innerlich darf man nur nicht alt werden, weil du sonst glaubst, alles besser zu wissen, nur weil du älter bist. Du kannst als Älterer über deine Erfahrungen reden, was aber längst nicht heißt, dass du Recht hast. Dinge müssen nie so sein, wie sie zu sein scheinen. Du kannst sie auch anders betrachten.
Momentan scheinen wir uns aber in einer Zeit zu befinden, in der jeder auf seine Meinung behaart und es immer mehr zur gesellschaftlichen Spaltung kommt, gerade beim Thema Corona…
Das ist aber auch ein schwieriges Thema mit gewissen Empfindlichkeiten. Man muss aber auch sagen, dass man jetzt erntet, was in der Vergangenheit falsch lief. Ich sage nur Bildungspolitik. Da gibt es große Schwächen.
Wie meinen Sie das?
Gegenseitiges Verständnis und Empathie hat ganz viel mit Bildung zu tun. Wenn Leute weniger gebildet sind, nimmt die Einfältigkeit überhand. Ich meine damit nicht, dass man Abitur haben muss. Bildung ist ganz viel: Tanz, Theater, Kultur etwa. Alles was sich mit den Dingen auseinandersetzt, und zwar vielschichtig und nicht einseitig. Doch eine Gesellschaft zu leiten und dafür Module zu bauen, die wirklich lebbar sind, ist sehr komplex. In dieser Verantwortung möchte keiner sein.
In die Politik zu gehen, wäre also nichts für Sie?
Ich glaube, dass das, was ich mache, bereits Politik ist. Die Filme, die ich drehe, die Figuren, die ich darstelle, zeugen von einer Haltung. Interviews wie unseres sind auch eine Möglichkeit, seine Meinung zu sagen. Ich habe Filme wie «Die Welle» oder «Der freie Wille» gemacht, die auf einer anderen Ebene Politik sind wie ich sie kann. Man kann damit provozieren, aber mit allem, was streit-und diskutierbar ist, verändert man auch was und regt zum Nachdenken an.
Wie nehmen Sie die Welt gerade wahr?
Es sieht nicht nur düster aus, ich sehe auch Chancen. Viele Leute sind empathisch. Während des Lockdowns habe ich etwas über Geflüchtete gepostet und bekam gleich Gegenwehr, dass es jetzt zuerst um uns gehen muss, und es der falsche Zeitpunkt wäre. Aber nein, es war genau der richtige Moment. Wenn man selber in einer Ausnahmesituation ist, kann man sich viel besser vorstellen, wie es wäre, wenn jetzt auch noch Krieg wäre.
Wie intensiv nutzen Sie die sozialen Netzwerke?
Nicht umsonst poste ich auf Facebook nur alle sechs Monate etwas, weil mich das total nervt. Auf der anderen Seite haben wir mit mehreren Schauspielern auf den sozialen Netzwerken für die Aktion ‚Los für Lesbos‘, die Volker Bruch ins Leben gerufen hat, unheimlich viel gesammelt. Da denke ich mir, wie geil. Man muss also immer versuchen, das Positive zu sehen.