Rosamund Pike: ‚Ich fühle mich von Menschen, die Mut zeigen, angezogen‘

Im Sommer war Pike in «Marie Curie» zu sehen. Den Corona-Shutdown nutzte Quotenmeter, um mit dem bösen Bond-Girl zu sprechen.

Als böses Bond-Girl wurde sie weltberühmt. 18 Jahre ist es nun schon her, dass sie Pierce Brosnan als britischer Geheimagent 007 in «Stirb an einem anderen Tag» das Leben zur Hölle machte. Rosamund Pike (41) ließ sich aber auf das Image der verruchten Femme fatale nicht festlegen, probierte sich lieber in anderen Genres wie Komödie («Johnny English – Jetzt erst recht!»), Fantasy-Filmen («Zorn der Titanen») und Historiendramen («Stolz und Vorurteil») aus. Historisch geht es auch in ihrem neuen Film zu. Die Britin spielt die polnisch-französische Wissenschaftlerin Marie Curie (1867-1934), die gemeinsam mit ihrem Ehemann Pierre die Elemente Polonium und Radium entdeckte. Als Vorlage für «Marie Curie – Elemente des Lebens» (seit 16. Juli im Kino) diente Regisseurin Marjane Satrapi («Persepolis») der Comic-Roman „Radioactive: Marie & Pierre Curie: A Tale of Love and Fallout“. Entstanden ist ein vielseitiges Porträt einer starken Frau, die sich in einer männerdominierten Welt durchsetzen musste, eindrucksvoll gespielt von Rosamund Pike. Markus Tschiedert traf die charismatische Schauspielerin in Paris.

Mrs. Pike, wie nähert man sich einer Person, die nicht nur der Wissenschaft wertvolle Dienste leistete, sondern auch eine Vorkämpferin der Frauenrechtsbewegung war?
Wenn man eine Legende oder Ikone spielt, muss man sich bewusst machen, dass diese Person sich selbst so nie gesehen hat. Meine Aufgabe war es, die Wahrheit hinter ihr zu finden, das Menschliche. Man hat zuerst nur die historische Sicht auf sie, aber ich musste mich in ihre Zeit zurückversetzen, um in diesem Kontext ihre Hoffnungen, Ängste und Ambitionen verstehen zu können.

Wie würden Sie Marie Curie aufgrund ihrer intensiven Auseinandersetzung beschreiben?
Sie war eine sehr ambitionierte und direkte Frau, die ständig beschäftig war. Es gibt wenige Fotos von ihr, und wenn, sieht man sie darauf immer in Bewegung. Entweder ist sie am Gehen oder in einem Gespräch, sie fühlte sich eher gestört, fotografiert zu werden.

Sie sagen das so, als würde Sie das sehr faszinieren…
Ja, diese Fotos weckten auf jeden Fall meine Neugier. Sie lebte für ihre Arbeit und ich glaube, sie selbst sah sich gar nicht so sehr als Frau, die sich in einer Männerwelt durchsetzen muss. Sie sah sich als Wissenschaftlerin, die auf ihrem Gebiet etwas erreichen wollte. Es muss eine aufregende Zeit für sie gewesen sein. Elektrisches Licht setzte sich durch, das Eisenbahnnetz wurde ausgebaut und Röntgenstrahlen wurden entdeckt.

Inwieweit ist Marie Curie ein Vorbild für Sie?
Ich fühle mich generell von Menschen, die Mut zeigen, angezogen. Anfangs wusste ich aber nur wenig von ihr, denn erst seit der #MeToo-Bewegung wurden in England Kinderbücher über außergewöhnliche Frauen in der Wissenschaft herausgebracht. Jedes Mädchen weiß jetzt wer Marie Curie war. In meiner Kindheit war das anders. Natürlich habe ich auch meinen beiden Söhnen ein solches Buch geschenkt.

Im Film kommt aber auch rüber, dass Marie Curie kein einfacher Mensch war, von manchen sogar als arrogant empfunden wurde. In dem Zusammenhang fällt auf, dass Sie schon verhältnismäßig oft Frauen porträtiert haben, die nicht gerade nett waren…
Was heißt nett? Das ist ein Wort, das wir nochmals überdenken sollten. Klar, in «Gone Girl» habe ich auch schon mal eine Psychopathin gespielt, die zählt natürlich nicht. Interessant dabei ist, dass ehrgeizige, offene, direkte, argumentative, intellektuelle und blonde Frauen oft als nicht ‚nett‘ eingestuft werden. Für mich sind das jedoch bewundernswerte Eigenschaften. Neulich sagte ein Mann zu mir, er könnte nicht verstehen, warum Marie Curie trotz ihres Erfolges so eine Hexe war. Ich antwortete: ‚In meinen Augen war sie das nicht, aber dass Sie sie so sehen, sagt mehr über Sie aus als über Marie Curie.‘

Existiert also ein großes Missverständnis zwischen Männern und Frauen?
Ich glaube, es kommt bei allen Menschen immer wieder zu Missverständnissen. Man darf das nicht geschlechtermäßig betrachten. Wir Menschen sind nun mal so, und das hat auch etwas unendlich Faszinierendes für mich. Deshalb bin ich auch Schauspielerin geworden. Ich will die Menschen verstehen, und je älter man wird, desto mehr gelingt einem das. Momentan wird ja viel über die gesellschaftliche Rolle der Frau diskutiert. Genauso sollten wir aber auch über die Rolle des Mannes sprechen. Was macht einen Mann aus?

Welche Antwort haben Sie darauf?
Es gibt eine Menge Männer, die sich mit dem archetypischen Bild eines Mannes nicht identifizieren können. Was bedeutet eigentlich Männlichkeit? Als sich mit Schriftstellern wie William S. Burroughs nach dem Zweiten Weltkrieg die Beat-Generation formierte, galt ein Mann noch als Versorger einer Familie, der zu arbeiten hatte, um auch das Haus finanzieren zu können. Für viele Männer klang das nicht mehr lebenserfüllend. Sie wollten frei sein und nicht mehr dem klassischen Bild von Männlichkeit entsprechen. Wie auch bei Frauen geht vielleicht darum, die Balance zu finden.

Ihr Lebenspartner Robie Uniacke ist ein Mathematiker. Können Sie sich für dieses Thema erwärmen?
Ja, ich interessiere mich durchaus für Naturwissenschaften. Chemie war sogar eines meiner Lieblingsfächer in der Schule. Trotzdem habe ich Literatur studiert, weil mir das einfacher vorkam (lacht). Für die Rolle der Marie Curie nahm ich aber nochmals Chemie-Unterricht. Das war großartig, weil ich bei meinem Privatlehrer immer wieder nachfragen konnte, wenn ich etwas nicht verstanden habe. In der Schule ist man dafür viel zu schüchtern. Ich musste auch lernen, alles mit der linken Hand auszuführen, denn Marie Curie war Linkshändlerin. Was mir aber nicht schwergefallen ist.
11.11.2020 11:24 Uhr  •  Markus Tschiedert Kurz-URL: qmde.de/122648