Der Spielfilm «Mulan» sollte eigentlich ein Millionenpublikum in den Kinos begeistern. Doch Disney hat den Film digital verwertet.
Es sind schlimme Zeiten, und ganz besonders haben Kinobetreiber zu leiden. Und das nicht nur, weil wegen der zweiten Corona-Welle wieder alles dicht gemacht werden musste, viel fataler ist der Blick in die Zukunft. Kino wie es einmal war, wird es so nicht mehr geben. Es steht uns womöglich ein immenses Kinosterben bevor. Einen der ersten Sargnägel schlug Disney mit der Entscheidung, den aufwendig inszenierten Actionkracher «Mulan» nach dem ersten Lockdown nicht mehr auf die große Leinwand zu bringen, sondern auf die hauseigene Streaming-Plattform Disney+ zu verbannen.
Der eigentlich potenzielle Kino-Blockbuster basierend auf den gleichnamigen Zeichentrickklassiker von 1998 war jedoch nur für das Dreifache einer Kinokarte abrufbar. Das lohnte sich nur noch für Familien und Wohngemeinschaften, für vereinzelte Zuschauer lohnten sich Streaming-Kosten von 30 Dollar. Kinogänger und Kinobetreiber waren sowieso verärgert, dass der Film der großen Leinwand entrissen wurde.
Damit scheint die Rechnung für Disney nicht wirklich aufgegangen zu sein. Zumindest wenn man den westlichen Filmmarkt betrachtet, auf den es der Micky-Maus-Konzern aber in erster Linie auch gar nicht abgesehen hat.
Das Mädchen aus uralten Zeiten
Denn «Mulan» basiert auf eine alte chinesische Volkslegende. Danach hat sich ein Mädchen im 5. Jahrhundert nach Christus als Mann verkleidet, um an Stelle ihres alten kranken Vaters in den Krieg zu ziehen. Bereits 1994 nahm sich Disney der Geschichte an und es entstand ein munterer Zeichentrickfilm mit lustigen Figuren und schmissigen Songs. Als der fertige Film dann 1998 in die Kinos kam, wurde damit vor allem eine jüngere Zielgruppe angesprochen. Bestes Family Entertainment, dass weltweit über 300 Millionen Dollar in die Kinokassen spülte.
Im Zuge von Disneys Strategie, erfolgreiche Zeichentrick-Klassiker nochmals in aufwendige Realfilm-Remakes umzumünzen, landete auch «Mulan» auf diese Liste. Im Gegensatz zu den Eins-zu-Eins-Adaptionen wie «Cinderella» oder «König der Löwen» beschritt Regisseurin Niki Caro mit ihrer Realverfilmung jedoch einen anderen Weg. Als Kinderkram kann ihre Version wohl nicht bezeichnet werden. Sowohl der allseits beliebte Drache Mushu als auch die zum Mitsingen einladenden Liedchen wurden eliminiert. Eine Enttäuschung für alle Fans des Zeichentrickfilms, die nun ähnliches erwartet haben.
Stattdessen ist die echte Hua Mulan nun eine verbissene Kämpferin und entspricht damit viel mehr dem Bild einer modernen Frau, die sich durchzusetzen weiß. Als der chinesische Kaiser seine männlichen Untertanen aufruft, sich mit Waffengewalt gegen die einfallenden Hunnen zu wehren, klaut Mulan (Liu Yifel) die Rüstung ihres Vaters, um als Junge an die Front zu gehen. Doch sie wird enttarnt und verstoßen. Als sie ein Attentat auf den Kaiser verhindern kann, wendet sich das Blatt. In China und einigen anderen Ländern, wo Disney+ noch nicht zur Verfügung steht, kam «Mulan» natürlich ins Kino. Genau auf den chinesischen Kinomarkt hatte man beim Disney-Imperium auch gesetzt – nichtsahnend, welche Welle der Entrüstung damit ausgelöst werden würde.
Proteste und Boykottaufrufe
«Mulan» strotzt nur so vor gewaltigen Schlachtgemälden und anständig choreografierten Martial-Arts-Kämpfen. Ein echter Hingucker, der um die 200 Mio. Dollar verschlungen haben soll und mit dem sich Disney vermutlich bei den Chinesen einschmeicheln möchte. Dieser Eindruck verstärkt sich durch die Tatsache, dass der US-Konzern wohl mit den chinesischen Behörden zusammengearbeitet haben soll und «Mulan» in der Provinz Xinjiang drehte. Ausgerechnet dort, wo die chinesische Regierung gegen die uigurische Minderheit vorgeht.
Da ist von Masseneinkerkerung des muslimischen Volksstammes die Rede, was für Menschenrechtsaktivisten Grund genug ist, einen Boykott gegen «Mulan» auszurufen. Im Abspann des Films bedankt sich Disney sogar bei den Sicherheitsbehörden aus Xinjiang, was beweist, wie blauäugig hier vorgegangen wurde. Nur um den chinesischen Filmmarkt noch mehr abzuschöpfen, macht Hollywood solche Zugeständnisse. Wie immer geht es also nur ums Geld, zumal das chinesische Volk davon kaum etwas mitbekommt. Denn die chinesische Staatspresse vermeidet selbstverständlich solche Auseinandersetzungen und Boykottaufrufe aus dem Ausland werden sowieso außer Acht gelassen.
Die Hauptdarstellerin äußert sich
Es stand nie in Frage, dass die Titelheldin unbedingt von einer Chinesin dargestellt werden müsste, von einer Schauspielerin, die sich in China bereits einen Namen gemacht hat, auch wenn sie im Rest der Welt unbekannt sein sollte. Die Wahl fiel auf Liu Yifel, die bereits 2009 in der chinesischen Verfilmung von «Mulan» nicht als Titelheldin, sondern in einer Nebenrolle dabei war. Darüber hinaus hatte die 33-Jährige schon Erfahrungen in Hollywood gesammelt, spielte 2008 neben Jackie Chan in der chinesisch-amerikanischen Koproduktion «The Forbidden Kingdom» mit und hatte an der Seite von Nicolas Cage einen Auftritt in dem Mittelalter-Actionfilm «Outcast – Die letzten Tempelritter».
Liu Yifel – ein beliebter Star, aber nicht überall! Als sie 2019 das harte Vorgehen der Hongkonger Polizei gegen die Demonstranten, die wegen der zunehmenden Verbundenheit ihrer Regierungschefin Carrie Lam zu Peking auf die Straßen gingen, begrüßte, zog sie sich mächtig viel Zorn zu. Nicht nur Hongkonger Demonstranten riefen unter dem Hashtag
#BoycottMulan zum Boykott auf, sondern auch im Ausland nahm die Zahl derjenigen zu, denen die Lust auf «Mulan» vergangen ist. Pleiten, Pech und Pannen verfolgen den Film und es bleibt abzuwarten, welchen rechnerischen und moralischen Stellenwert er in der Bilanz von Disney für das Jahr 20202 bekommen wird.
Fazit: Mit «Mulan» hat sich Disney nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Der Film hat einige Schauwerte zu bieten, die sich auf dem Bildschirm zuhause aber weitweniger entfalten als auf der großen Kinoleinwand.
«Mulan» kann digital erworben werden. Außerdem ist der Film ab 3. Dezember 2020 kostenlos bei Disney+ zu sehen.