Das ZDF zeigt am Montagabend ein Kammerspiel, geschrieben von Daniel Kehlmann, mit Charly Hübner und Sophie von Kessel in den Hauptrollen.
„Wir haben nicht allzu lange Zeit“, sagt Thomas vom Staatsschutz (Charly Hübner) immer wieder mit aufgesetzter Freundlichkeit, während er durch das Hotelzimmer der Philosophieprofessorin Judith (Sophie von Kessel) auf- und abtrabt, die er dort festsetzt. Und doch dauert es eine Ewigkeit, bis wir am zentralen Punkt angelangen, mehr als eine halbe Stunde, bis endlich die zentrale Frage gestellt wird: Wo ist die Bombe?
Bis dahin hat Thomas mit einem falschen Lächeln im Gesicht und in ihrer übertriebenen Höflichkeit lächerlichen Worten (scheinbare?) Banalitäten abgefragt: Warum nächtigt Judith zu Weihnachten in einem Hotel, anstatt bei ihren Eltern zu wohnen? Kam es gestern Abend, als sie sich mit ihrem Ex-Mann getroffen hat, zum Geschlechtsverkehr? Und wieso hat sie damals, bei ihren Aufenthalten in Südamerika, nur so wenig Kontakt in die Heimat gehalten?
Die Strategie von Thomas ist offensichtlich: Er will sie einlullen, mit Freundlichkeit einen Terroranschlag verhindern, hinter dem – da ist er sich sicher – die Philosophieprofessorin steckt. Zu offensichtlich sind die gewaltlegitimistischen Passagen in ihrer Doktorarbeit über den französischen Philosophen Frantz Fanon, über dessen „tz“ im Vornamen sich der elitenverachtende Thomas gar nicht genug auslassen kann. Zu reizwortbehaftet sind auch die Titel ihrer Proseminare über strukturelle Gewalt – und ihre politisch überzeugten Äußerungen im Verhör klingen auch ein bisschen wie Ulrike Meinhoff in ihren aktiven Jahren: „Um die Unterdrückten der Erde zu finden, reicht es, hier auf die Straße zu gehen.“, „eine mutlose Vernunft“, „ein Zeichen, das niemand überhören kann“, „Alles ist Lüge, wenn man es von Afrika aus betrachtet“.
Das alles sind natürlich Phrasen, und vielleicht legt es dieser Film – samt seiner zweiten Hauptfigur, dem weniger intellektuellen Staatsschutzpolizisten – darauf an, diese Phrasen auch als leeres Gerede zu offenbaren. Doch für einen Film, der es aufgrund seines kammerspielartigen Settings, der geschliffenen Dialoge seiner Figuren und der Ernsthaftigkeit seiner Themensetzung auf den ernsthaften Versuch von Erkenntnisgewinn anlegt, ist das natürlich herzlich wenig.
So wird auch ganz am Schluss nicht klar, wovon «Das Verhör in der Nacht» erzählen will: Soll dieser Film die leeren Phrasen potentieller linksextremer Terroristen als leeres Gerede demaskieren? Oder liegt die Sympathie schließlich doch eher bei der gewaltbereiten, moralabsolutistischen Judith, die am Schluss mit ihrem radikalen Weltbild auch vor ihrem eigenen Untergang nicht zurückschreckt? Ist Thomas vom Staatsschutz dann nichts weiter als die schnöde Verkörperung beliebiger staatlicher Allmacht, und das ganze Drama ein Wer-soll-wen-repräsentieren-Spiel wie in einem Stück von Brecht, nur ohne die Erkenntnis durch Verfremdung? Daniel Kehlmann, der Verfasser dieses Fernsehspiels und des Theaterstücks, auf dem es basiert, scheint es selbst nicht so recht zu wissen.
Das ZDF zeigt «Das Verhör in der Nacht» am Montag, den 30. November um 20.15 Uhr.