Der neue «Tatort» aus Wien mit Harald Krassnitzer und Adele Neuhausuer will nach ganz "unten" in unserer Gesellschaft blicken, und wendet sich doch bisweilen von dem Elend ab.
Stab
Darsteller: Harald Krassnitzer, Adele Neuhauser, Maya Unger, Michael Steinocher, Hubert Kramar, Thomas Stipsits
Musik: Karwan Marouf
Kamera: André Mayerhofer
Drehbuch: Thomas Christian Eichtinger und Samuel R. Schultschik
Regie: Daniel ProchaskaGanz unten ist der Journalist Gregor Aigner (Jonathan Fetka) angekommen. Einst war er gefeierter Investigativreporter, durfte sich „Herr Magister“ nennen und hat Bankenskandale aufgedeckt. Nach einem persönlichen und beruflichen Absturz hat er die letzten Jahre auf der Straße gelebt und sich in so abstruse Verschwörungstheorien geflüchtet, dass sogar die anderen alkoholisierten Tippelbrüder ihn für nicht mehr ganz dicht hielten. Jetzt wird in einer alten Industriehalle seine Leiche gefunden – und der Fall geht besonders Majorin Bibi Fellner (Adele Neuhauser) nahe.
Die hatte das Mordopfer viele Jahre lang gekannt und als Informanten im Milieu geschätzt. Bis er seine Geschichten (aus Geltungssucht und Alkoholismus) immer weiter ausschmückte und am Schluss gänzlich frei erfand. Sie ließ ihn fallen. Und auch als er vor ein paar Wochen manisch bei ihr auf dem Revier auftauchte und von einer seltsamen Verschwörung faselte, winkte sie ab.
Jetzt bekommt sie nicht nur seelisch die Quittung für ihre Ignoranz. Denn an den mysteriösen Vorgängen, in denen der gefallene Reporter „recherchierte“, scheint einiges dran zu sein. Tatsächlich verschwinden in Wien bei näherem Hinsehen auffallend viele Obdachlose im nichts – und alle hatten sie Verbindungen zu einer ominösen Notunterkunft und derselben Privatärztin (Jutta Fastian), die neben ihren gut bezahlten plastischen Eingriffen auch Zeit findet, um medizinisch unnötige Blutuntersuchungen bei den Ärmsten (und Wehrlosesten) unserer Gesellschaft durchzuführen.
Es braucht einige Zeit, bis diese Geschichte auch jenseits der Krimidramaturgie halbwegs rund wird. Denn während Majorin Fellner von Schuldgefühlen geplagt wird und Kollege Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) ihr tröstend die Hand hält, unterbricht „Unten“ diesen Handlungsstrang immer wieder mit der Geschichte einer kürzlich obdachlos gewordenen jungen Mutter, die mit ihrem Sohn im Grundschulalter in der Notschlafstelle von besagter Obdachlosenunterkunft untergekommen ist, aus der regelmäßig die Menschen spurlos verschwinden. Wer eins und eins zusammenzählen kann und bereits über etwas «Tatort»-Erfahrung verfügt, kann sich früh denken, wohin die Reise für sie gehen wird.
Der soziale Blickwinkel nach ganz „unten“ wird derweil von einem punkigen Pärchen verkörpert, das den Toten gut kannte, aber nicht an seinem Ableben schuld sein will, sowie von einer schizoiden Ex-Bankerin, die seit dem Börsencrash keine feste Bleibe mehr hat und der das Leben auf der Straße nicht nur den Dreck ins Gesicht gezeichnet hat. Schockierende Lebensverhältnisse und Figurenzustände, die dieser Film aber nur als Kulisse darstellt, und sich weigert, sich ihrer thematischen Wirklichkeit vollends anzunehmen. Denn die schon im Titel anklingende Unterteilung in Oben und „Unten“ bleibt mit den verdreckten Obdachlosen auf der einen Seite und einer menschenverachtenden Ausschlachtärztin, die man sich nur mit einem Champagnerglas in der Hand auf Galas vorstellen kann, eine Karikatur der Extreme und nur im Oberflächlichen eine Solidarisierung mit den Ausgegrenzten auf der Straße.
Das Erste zeigt «Tatort – Unten» am Sonntag, den 20. Dezember um 20.15 Uhr.