«The Midnight Sky» – Am Ende der Erde mit George Clooney
Ein weiterer Regisseur versucht sich an ein Science-Fiction-Drama. Aber bietet der neue Netflix-Film mehr als schöne Landschaften?
Längst hat sich George Clooney mit Filmen wie «Good Night, and Good Luck» oder «The Ides of March» auch als Regisseur etabliert. Seinen Kriegsfilm «Monuments Men» drehte er sogar in Babelsberg und Görlitz. Massentauglicher ist der Beau aus Kentucky natürlich als Schauspieler. Dabei verschlug es ihn immer wieder in den Weltraum wie in «Solaris» oder ganz stark in «Gravity».
Nun hat Clooney als Regisseur einen eigenen Science-Fiction-Film inszeniert, indem er wieder zugleich die Hauptrolle spielt. Allerdings ähnelt er mit Rauschebart eher einem abgekämpften Weihnachtsmann als einem strahlenden Helden, von dem sich der heute 59-Jährige im Laufe der vergangenen Jahren sowieso immer weiter entfernt hat. Gewöhnungsbedürftig ist sein Look als Astronom in «The Midnight Sky» dennoch. Das lässt sich ebenso über seinen Film sagen. Alles andere als ein aufregendes Weltraumabenteuer hat Clooney fertiggestellt, sondern ein schweres Zukunftsdrama, das gewiss auf die Gegenwart verweisen will.
Das Überleben der Menschheit sichern
Wir schreiben das Jahr 2049: Der angesehene Astronom Augustine Lofthouse (George Clooney) beobachtet auf einer Polarstation in der Arktis den Nachthimmel, um mehr über die Entstehung des Universums zu erfahren. Doch eine weltweite Klimakatastrophe ändert alles. Die Mitarbeiter werden evakuiert. Augustine bleibt allein zurück, denn er ist unheilbar an Krebs erkrankt. In einem Versteck findet er ein elternloses Mädchen, für das er auf einmal die Verantwortung trägt.
Inzwischen scheinen Iris (Caoilinn Springall) und Augustine die einzigen Überlebenden zu sein. Als ein NASA-Raumschiff zur Erde zurückkehren will, versucht Augustine alles, um die fünfköpfige Besatzung zu warnen. Derweil rätseln Missionsleiterin Sully (Felicity Jones) und Flugkommandant Adewole (David Oyelowo), warum es zur Erde keinen Funkkontakt mehr gibt. Augustine sieht nur noch eine Chance für den Fortbestand der Menschheit. Das Raumschiff muss den Jupiter-Mond K23 ansteuern, um einen Neubeginn zu wagen.
Mehr Weite als Tiefe
Immer wenn der Sternenhimmel oder diverse Schneelandschaften das Bild ausfüllen, ist man völlig fasziniert von der Schönheit, die uns umgibt. Der deutsche Kameramann Martin Ruhe, der mit Clooney bereits «The American» drehte, hat hier gute Arbeit geleistet - und doch reichen solche Sehnsuchtsbilder allein nicht aus, um ein Publikum für zwei Stunden bei der Stange zu halten. Gerade was seinen eigenen Charakter angeht, ergießt sich Clooney in Schwermut. Daher auch sein unattraktives Äußeres mit ungepflegtem Vollbart und geschundener Frisur (Clooney soll selbst zur Schere gegriffen haben).
Was aber entgegen der Weite des Weltraums fehlt, ist menschliche Tiefe, um selbst emotional berührt zu werden. Dieser Augustine bleibt einem irgendwie egal, und das, obwohl er doch so viel leidet und trotz angedeuteter Schicksalsschläge ein guter Mensch geblieben ist. Nicht anders ergeht es einem übrigens mit den Raumfahrern. Auch sie bleiben blass, selbst wenn es Clooney mal menscheln lässt. So baute er den Umstand, dass Felicity Jones schwanger war, ins Drehbuch ein und hatte damit das perfekte Bild von neuem Leben.
Und dann kam Corona
Schön ausgedacht, aber genau da scheint auch oft das Problem bei der Umsetzung des Romans von Lily Brooks-Dalton zu liegen. Zu viel wird auf der Metaebene abgehandelt, eine emotionale Distanz entsteht und man kann sich in die Figuren nicht wirklich rein fühlen. Es bleibt ein bedeutungsschwangerer Überbau, der die Notlage unseres Planeten im Hier und Jetzt reflektieren will. Was für eine Klimakatastrophe uns in knapp 30 Jahren ereilen könnte, ist zweitrangig. Wichtig ist die Botschaft, dass sie kommen könnte, wenn wir so weitermachen wie bisher.
Eine klare Botschaft, auch wenn Corona derzeitig die drängendste Sorge geworden ist. Clooney konnte die Dreharbeiten von «The Midnight Sky» im Februar noch rechtzeitig abschließen. Nur Filmkomponist Alexandre Desplat musste sich etwas einfallen lassen, um seine Musik orchestral einspielen zu lassen. Da er wegen der Pandemie nicht nach London reisen konnte, dirigierte er seine Musiker in den Abbey Road Studios per Videoschaltung aus Paris. Besonders in den spektakulären Szenen im All kommt seine Komposition zur Geltung, und man bedauert dabei, dass «The Midnight Sky» wohl nie auf der Leinwand zu sehen sein wird - nicht nur wegen Corona, sondern weil er von vornherein für Netflix entstanden ist.
Fazit: Ein schwerfälliges Zukunftsdrama, das nachdenklich macht. Atemberaubende Weltraum- und Schneelandschaftspanoramen geben zumindest optisch einiges her.
29.12.2020 14:00 Uhr
• Markus Tschiedert
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