Um die Ereignisse aus «Avengers: Endgame» zu verarbeiten hat Wanda scheinbar ihre eigene Realität geschaffen, in der sie zusammen mit Vision lebt. Doch nichts ist so, wie es scheint…
Wer «WandaVision» nach den ersten beiden Folgen bewertet, kann kaum zu einem anderen Schluss kommen als das die Serie die Geduld der Zuschauer massiv (über-)strapaziert. Die Sitcom-Welt der 1950er Jahre wurde zwar dank 4:3 Bildformat, schwarz-weiß Bildern und einem Schauspielstil, der von over-acting nur so strotzt, hervorragend in Szene gesetzt, nach wenigen Minuten dürfte sich allerdings fast jeder Zuschauer fragen, was er sich hier gerade anschaut. Die wenigsten actionverwöhnten Marvel Fans werden sich an der liebevollen, mit Metaphern und Hyperbeln gespickten Hommage an längst vergangene Fernsehgeschichte erfreuen dürfen, die weitaus länger anhält als initial vermutet werden kann. Noch problematischer wird die Serie für mit dem Marvel-Kosmos kaum bis gar nicht vertraute Zuschauer, denn die vielen versteckten Anspielungen an die vorausgehenden Filme können so unmöglich verstanden werden.
Disney bzw. Marvel hat hier einiges riskiert, denn nicht wenige Fans dürften bereits irgendwo in den ersten 40-60 Minuten der Serie ausgestiegen sein. Nur wer bis zum Ende der dritten Folge durchhält, dürfte positiv überrascht werden. Die mit Folge drei eingeleitete Verschiebung des Settings von den 1950ern in die 1970er Jahre samt Farbe macht die Serie auch für jüngere Zuschauer um einiges zugänglicher, die bereits zuvor bröckelnde Fassade von «WandaVision» bekommt mit dem Ende der Folge gewaltige Risse, sodass die Zuschauer immer mehr Hintergrundinformationen erhalten und spätestens hier auch ein Anreiz zum Dranbleiben geboten wird. Die Geschichte der Serie ist bis zu diesem Punkt mit einem langsam schmelzenden, etwas ungewöhnlich schmeckenden Eis zu vergleichen, dessen leckerer Kern aber erst mit den Folgen vier und fünf zum Vorschein kommt.
Abseits der Handlung müssen die Schauspielleistungen von Elizabeth Olsen (Wanda) und Paul Bettany (Vision) besondere Erwähnung finden, denn beide scheinen zur Einstimmung eine Menge 1950er und 1970er Jahre Sitcoms geschaut haben, wodurch sie ihren Schauspielstil exzellent an damals gängige Standards angepasst haben. Ihre Rollen fügen sich daher fantastisch in die gegebenen Settings ein. Die extrem aufs Detail bedachten Kostüm- und Maskenbildner, gepaart mit den liebevoll ausgestatteten Sets, erschaffen kombiniert ein Gesamtbild, dass prinzipiell wohl auch vor 70 bzw. 50 Jahren hätte auf Sendung gehen können.
«WandaVision» ist objektiv nur äußerst schwer zu bewerten. Der Kreis der Zuschauerschaft kann auf knallharte Marvel Fans beschränkt werden, die sich entweder für die nostalgische Sitcom-Welt begeistern können oder gewillt sind, sie auszusitzen, um jeden noch so kleinen Hinweis als Vorbereitung auf Phase 4 des Marvel Kosmos aufzusaugen. Letztendlich wurden hier eine ganze Menge Zutaten in einen Topf geworfen, die einzeln nicht alle für Gaumenfreuden beim Zuschauer sorgen dürften, als Gesamtpaket aber recht gut harmonieren. Prinzipiell kann man Marvel gratulieren, ein solch gewagtes Experiment in Produktion geschickt zu haben und sich damit immens vom immer wieder gleichen Einheitsbrei abgehoben zu haben.