Jörg Dahlmann: "Rassismus? Das weise ich strikt von mir!"

Für Sky brachte der Spruch über Japaner als „Land der Sushis“ das Fass zum Überlaufen. Im Quotenmeter-Gespräch zieht Jörg Dahlmann Bilanz.

Geht es nach Sky, dann wird man die Stimme von Jörg Dahlmann auf diesem Pay-TV-Sender gar nicht mehr hören, es sei dann, man bemüht die Archive. Trotz Vertrages bis Saisonende wird der 62-Jährige nach Beschluss von Sky keine Partien mehr kommentieren. Nach der Runde trennen sich die Wege ohnehin. Quotenmeter bat Dahlmann zum Gespräch.

Herr Dahlmann, Sie sorgen regelmäßig für Schlagzeilen, verlieren nun Ihren Job. Heutzutage fängt man sich in den sozialen Netzwerken ja ohnehin leicht ein paar Hater ein, wenn man in der Öffentlichkeit steht und nicht auf dem Mund gefallen ist. Aber - um mal das, um was es geht, erstmal nach hinten zu schieben: Hätten Sie gedacht, dass Sky wirklich so harte Konsequenzen daraus zieht?
Natürlich nicht! Ich schätze Sky und die zahlreichen Kolleginnen und Kollegen. Aber diese Reaktion hätte ich beim besten Willen nicht erwartet. Ich bin auch enttäuscht darüber.

Müsste ein Sender nicht eigentlich seinen Mitarbeiter schützen, wenn es im Netz beispielsweise eine "Initiative gegen Jörg Dahlmann" gibt? Statt auf solche Leute zu hören, die problemlos Sachen schreiben dürfen wie "Ekelhafter Typ", "...dumm wie ein Kleiderbügel.... armseliges Würstchen" oder "Sie sollten den Job als Kommentator aufgeben. Bei dem Stuss was Sie da zusammen krabbeln tun einem ja die Ohren weh".?
Nein. Da muss mich der Sender nicht verteidigen. Hater stellen sich schon selbst ein Armutszeugnis aus. Und mit diesem Zeitgeist muss jeder, der in der Öffentlichkeit steht, leben. Aber wenn es um unberechtigte Vorwürfe wie Rassismus geht, da würde ich Unterstützung des Senders erwarten.

Die Facebook-Gruppe "Ich ertrage Jörg Dahlmann nicht" hat sechs Mitglieder. Spricht für eine Wahnsinns-Relevanz...
Na ja, dadurch dass Sie diese erwähnen, kommen ja ein paar hinzu, wenn ich das mal einem zwinkernden Auge sagen darf. Nein, ich respektiere Menschen, die meinen Reporter-Stil nicht mögen. Ich weiß, ich polarisiere. Ich weiß aber eben auch, dass sehr viele Menschen meinen Stil mögen. Es gibt zum Beispiel bei Instagram Jörg-Dahlmann-Fanpages.

Haben Sie einen von vielen aktuellen Beiträgen gelesen, wo es heißt: "Danke für die gute Arbeit. Übrigens, habe ich mein Sky Abo gekündigt."? Schöner Zuspruch?
Ach, ich möchte gar nicht, dass man Sky kündigt. Ich finde, meine Kollegen machen tolle Arbeit und hätten das nicht verdient. Aber der Zuspruch ist enorm. Selbst Frank Buschmann unterstützt mich öffentlich. Und von Moderator-Kollege Elton habe ich auf Instagram einen beeindruckenden Support bekommen und er hat die Aktion von Sky heftig kritisiert. Zumal - wie er herausfand - Sky selbst Dortmunds Kagawa als „Sushibomber“ bezeichnet hatte. Übrigens diesen Begriff finden Sie auch bei Kicker, Spiegel etc. Bemerkenswerte Recherche!

Kommen wir mal zum Auslöser der Trennung: Japan als 'Land der Sushis' zu bezeichnen, wird als rassistische Äußerung gewertet. Sie haben ja schon Stellung bezogen, aber bitte hier nochmal.
Das ist kein Rassismus. Die Japaner selbst bezeichnen sich überwiegend als Land der Sushis. Das ist wie Neuseeland als 'Land der Kiwis' oder Norwegen 'Land der Fjorde'. Abgesehen davon: Ich bin selbst halber Ausländer, meine Mutter stammt aus Holland, und verabscheue Rassismus aufs Tiefste.

Irgendwo war zu lesen, dass es nicht so schlimm gewesen wäre, wenn sie 'Land des Sushis' gesagt hätten...
Aber ein Blick in den Duden zeigt: 'Land des Sushis' ist Genitiv Singular, 'Land der Sushis' ist Genitiv Plural. Wer Böses will, legt es so aus, dass mit 'Land der Sushis' die Menschen gemeint sein könnten. Aber Letzteres weise ich strikt von mir.

Sie zeigen sich auf Instagram Sushi essend und gelöst wirkend. Aber im Inneren brodelt es?
Ja, ich will den vielen Zuschriften von Japanerinnen und Japanern Respekt zollen, die die vor allem bei Twitter in Gang gesetzte Rassismus-Diskussion in diesem Zusammenhang in Frage stellen. Und ja, es brodelt, aber vor allem, weil ich von der Sky-Spitze enttäuscht bin. Durch die sofortige Kündigung fühle ich mich zu Unrecht in eine Rassistenecke gedrängt.

Vor ein paar Wochen der Spruch über Union Berlins Ersatzkeeper Loris Karius und seine Partnerin Sophia Thomalla, mit der Sie auch gerne mal kuscheln würden. Angeblich sexistisch. Warum darf ein Mann öffentlich nicht dazu stehen, wenn er das mit einer schönen Frau machen möchte?
Mmmhhh.... Das muss man differenziert sehen. Sophia selbst hat darüber gelacht und empfand es sogar als Kompliment. Aber dieser Spruch gehört eben nicht ins Fernsehen. Ist mir rausgerutscht. Ich selbst würde drüber schmunzeln, wenn es ein anderer sagen würde. Aber ich respektiere die Meinung derer, die es nicht mögen.

Sophia Thomalla hat also den Spruch an sich ganz locker genommen, oder?
Ja, sie ist eine coole, weltoffene Frau. Sie hat sich köstlich amüsiert mit den Worten: 'Ich kenn das als Queen der Shitstorms'.

Wie muss man sich das vorstellen: Kommt nach so einer Geschichte jemand von Sky auf einen zu uns sagt: 'Dahlmann, noch so ein Spruch - und das war´s'?
Nein. Der Redaktionsleiter Mario Nauen hat gesagt, man habe beschlossen, mich aus der nächsten Reportage Mainz gegen Bochum rauszunehmen. Fand´ ich nicht so prickelnd. Ich hätte mir schon da mehr Rückhalt gewünscht. So war ich auf einer öffentlichen Anklagebank. Ich hätte es als Chef besser gelöst!

Laut Sky hätten Sie sich 'mehrfach unsensibel und unpassend verhalten'. Lebt nicht eine jede gute Reportage davon, dass sie den ein oder anderen lockeren Spruch enthält? Momentan wird ja auch Thomas Gottschalk für sein lockeres Mundwerk von früher kritisiert und Dieter Bohlen nun parallel bei RTL rausgeworfen. Komische Entwicklung, oder?
Ja, die Zeiten ändern sich. Bild-Kolumnist Franz-Josef Wagner hat mal geschrieben, er mag mich und meinen Reporterstil, aber ich sei nun mal aus einer Zeit der VHS-Cassetten. Herrlicher Vergleich! Übrigens: Als ich zu Sky zurückkam, sagten mir die Bosse Carsten Schmidt und Burkhard Weber: Jörg, sei emotional, sei ein bunter Vogel, sei verrückt. Fußball ist Emotion. Inzwischen ist der eine bei Hertha, der andere leider verstorben. Nun entscheiden andere. Und die haben andere Philosophien.

Sollte man für den Job als Sportjournalist heute besser lange blonde Haare haben, weiblich und möglichst blendend aussehen?
Nein, das ist Quatsch! Ich sehe doch blendend aus (lacht).

Immerhin arbeiteten Sie mal ein Jahr lang für den Frauensender TM3, weil der die Rechte an der Champions League hatte... Da muss man doch sensibel umgehen können mit Frauen...
Ja, das war ja damals ein Coup von TM3. Es war eine kurze, wunderbare Zeit mit einem wunderbaren Chef Michael Pfad, tollen Kollegen wie Wasserziehr, Küpper, Ploog. Auch Kalle Rummenigge, Stefan Kuntz und Hansi Müller waren rudern im Frauensender-Boot.

Wie müssen wir uns das vorstellen: Ihr Vertrag läuft bis Saisonende. Und Sie bekommen auch ohne Einsätze Geld? Oder nur durchs Kommentieren?
Oh, da möchte ich nichts zu sagen. Ich bitte da um Verständnis.

Sie sind 62 Jahre alt. Da kann man an Rente denken. Da kann man aber auch noch locker zehn Jahre für das Fernsehen arbeiten. Gibt es schon Pläne?
Wenn ich mir die Präsidenten-Kandidaten des letzten Wahlkampfs in den USA anschaue, sage ich: Ich will noch weitermachen. Ich habe Bock. Und 1.000 Ideen. Reporter ist nur eine Option. Ich wäre gerne Redaktionschef. Vielleicht ja bei Sky (lacht).

Bei Ihnen denkt man immer sofort an Jay Jay Okochas Jahrhunderttor für Eintracht Frankfurt. Damals kommentierten Sie: 'Liebe Zuschauer, die Zeit für meinen Bericht ist zwar abgelaufen, aber egal. Sollen sie mich rausschmeißen. Ich zeige Ihnen die Szene bis zum Umfallen!' Sat.1 hat Sie damals mutmaßlich nicht kritisiert?
Nein. Sat.1 hat mich gefeiert. Wir waren eh eine coole Truppe um Beckmann, Wontorra, Kerner, Welke. Es war zu einer Zeit, wo es keine sozialen Medien gab. Vielleicht hätten Twitter-Hater, wenn es sie damals schon gegeben hätte, die Reportage gedisst. Wer weiß!

Legendär auch und fast 1,4 Millionen Mal auf YouTube aufgerufen ist Ihr Interview für Sat.1 2010 mit dem damaligen Bayern-Trainer Louis Van Gaal. Aus journalistischer Sicht haben Sie damals komplett alles richtig gemacht. Dennoch steht unter den Kommentaren beispielsweise das: 'boah ich hasse diesen Jörg Dahlmann'. Schon krass, oder?
Ja, da hat damals die Wucht der Bayern-Fans zugeschlagen. Der FC Bayern hatte mich sogar nach diesem Interview sperren lassen. Aber Uli Hoeneß hat mich persönlich angerufen und meine journalistische Leistung über den grünen Klee gelobt. Ich dachte zuerst, es sei ein Stimmenimitator, aber es war tatsächlich Hoeneß. Er mag mich, und ich mag ihn.

Sie sind gebürtiger Gelsenkirchner. Ist das in diesen Wochen eine Strafe?
Liebe kennt keine Liga. Ja, ich mag Schalke, war schon zu Libuda-Zeiten in der Glückauf-Kampfbahn und halte zum Verein auch in schweren Zeiten.

Ein Bild, das wir von Ihnen zeigen, entstand 2005 beim Kommentieren für das DSF vor einem Zaun, hinter dem zahlreiche Zuschauer stehen. Können Sie spontan erahnen, wo das war und zu welchem Anlass?
Nö? Aber ich mochte immer die Fannähe. Bin keiner, der von oben herab die Sache angeht.



(Anm.d.Red.: Es war ein U20-Länderspiel in Schweinfurt zwischen Deutschland und China mit unter anderem einem damals ziemlich unbekannten Mario Gomez.)

Zuletzt noch das: 2004 erkrankten Sie an Darmkrebs, wurden wieder gesund. Haben Sie eine Botschaft an die Menschen, sich besser regelmäßig untersuchen zu lassen?
Ja, ich hatte sogar danach noch zwei weitere Male Krebsdiagnosen. Zuletzt Prostatakrebs. Aber gerade Darmkrebs ist wunderbar heilbar, wenn man es rechtzeitig erkennt. Am besten spätestens ab 40 Jahren aufwärts sich kontrollieren lassen. Die Untersuchung tut nicht mal weh. Der Darm hat keine Nerven. Ist fast wie Haareschneiden. Wer sich nicht checken lässt, ist doof. Oh, das war diskriminierend!

Wir danken für das Gespräch und wünschen alles Gute!
15.03.2021 08:03 Uhr  •  Michael Horling Kurz-URL: qmde.de/125513