Sina Scherzant: ‚Es geht nicht darum Regierungsvertreter:innen durch den Kakao zu ziehen‘

Marius Notter und Sina Scherzant betreiben einen erfolgreichen Instagram-Account über die typischen Deutschen. Im Gespräch mit Quotenmeter äußern sich die Autoren des Buches „Noch drei Treuepunkte bis zum Pfannen-Set“ zu Rassismus in Social-Media und wie man heutzutage Geld verdienen kann.

Sie haben das Buch „Noch 3 Treuepunkte bis zum Pfannen-Set“ auf den Markt gebracht. Damit spielen Sie auf Cashback-Systeme wie Payback, Deutschlandcard & Co. an. Sind Bonusprogramme durch intelligente Kassensysteme und Algorithmen inzwischen in der Gesellschaft angekommen? Oder muss man immer noch Angst haben, überwacht zu werden?
Marius Notter: Beim Thema Bonusprogramme geraten die Deutschen in einen Zwiespalt. Einerseits lieben sie alles, was mit sammeln, Rabattaktionen und „Geld zurück“ zu tun hat, andererseits schwebt die Angst vor dem Datenklau stets über ihnen. Bei Bonusprogrammen - vorausgesetzt sie werden von den Nutzer:innen als seriös wahrgenommen - überwiegt der Wunsch nach finanziellem Vorteil aber offenbar gegenüber den Überwachungsängsten. Es würde mich jedoch nicht überraschen, wenn der ein oder andere mit einem erfundenen Namen auf der Paybackkarte herumlaufen würde.

Viele Menschen haben oftmals ein Problem damit, Ihre Daten beispielsweise bei der Corona-App mit dem Gesundheitsamt zu teilen, aber geben auf Facebook, Instagram oder Clubhouse viele intime Daten preis. Ein Trugschluss?
Sina Scherzant: Wie Marius schon gesagt hat, offenbaren sich bei der Daten-Thematik Zwiespälte und Widersprüche. Das hat aber neben Ängsten auch sicher viel mit Unwissenheit zu tun. So ist ja auch immer wieder zu beobachten, dass Leute in sozialen Netzwerken irgendwelche schlecht gebastelten Share Pics, also Bilder zum Weiterleiten, teilen, wobei sie dann glauben, sie könnten damit der Weitergabe ihrer Daten auf der jeweiligen Online-Plattform widersprechen.

Was ist eigentlich ein Alman?
Sina Scherzant: Wir möchten uns selbst nicht so eine Deutungshoheit über den Begriff zusprechen, indem wir ihn anderen erklären. Schließlich haben wir ihn nicht erfunden. Wer aber ahnungslos ist und dem Begriff auf die Spur gehen möchte, wird mithilfe von Internet-Suchmaschinen schnell fündig.

Sie betreiben ja auch den Instagram-Account alman_memes2.0, der schnell mit Memes populär wurde.
Marius Notter: Memes sind… gute Frage, was sind Memes? Vielleicht sind Memes die Karikaturen des Internets, nur dass wir nicht zeichnen, sondern Fotos und Videos durch Textzufuhr in andere Kontexte setzen und mit einer Pointe versehen.

Mit 600.000 Abonnenten erreicht man eine Menge Menschen in Deutschland.
Sina Scherzant: Das bedeutet auch Verantwortung. Wir überlegen uns in der Regel sehr genau, was wir posten und kontrollieren unsere Memes immer gegenseitig. Außerdem betreiben wir sehr zeitintensives Community-Management, das bedeutet, wir überprüfen die Kommentare und achten darauf, dass niemand beleidigt wird und dass dort keine verschwörungstheoretischen, rassistischen, sexistischen oder sonst wie menschenfeindlichen Aussagen getätigt werden. Außerdem greifen wir in unseren Stories oder in den Memes auch immer wieder gesellschaftlich relevante Themen auf.

Sie spielen bei Ihren Memes auch mit Politikern. Können Sie damit die Aussagen von den Regierungsvertretern ad absurdum führen?
Sina Scherzant: Das kann man nicht so pauschal sagen. Es geht uns ja nicht per se darum, Regierungsvertreter:innen durch den Kakao zu ziehen, das ist nicht das Hauptaugenmerk der Seite. Dennoch gibt es einige Politiker:innen, die entweder mit ihren Aussagen, Handlungen oder ihren eigenen Social-Media-Auftritten immer mal wieder guten Stoff für Memes bieten.

Ihr Instagram-Account spielt mit typischen Klischees über Deutsche. Glauben Sie, dass Ihnen Rassismus-Vorwürfe vorgeworfen würden, wenn Sie das mit anderen Nationen machen würden?
Marius Notter: Ja, glauben wir. Und in dem Fall wären die Rassismus-Vorwürfe dann auch berechtigt. Deswegen machen wir das nicht.

Wovon lasst ihr euch eigentlich inspirieren? Vom gesellschaftspolitischen Zeitgeschehen oder Themen, die Ihr schon immer mal ansprechen wolltet?
Marius Notter: Wenn nicht gerade Corona ist, lassen wir uns natürlich viel im Alltag inspirieren, in der Bahn, im Café, im Supermarkt und so weiter. Diese Momente, die viele Leute kennen und schon aus unterschiedlichen Perspektiven erlebt haben - mal beobachtet man das Klischee, mal ist man selbst das Klischee - machen unsere Memes ja aus. In Zeiten wie diesen, in denen man nicht so viel unterwegs ist, bezieht man sich dann tatsächlich stärker auf aktuelle gesellschaftspolitische Themen und Debatten.

Eure Inhalte lassen sich schwer via Instagram monetarisieren.
Sina Scherzant: Am Anfang war das Ganze ein reines Spaßprojekt, das dann aber schnell durch die Decke gegangen ist und auch immer mehr Zeit in Anspruch genommen hat. Da muss man sich dann natürlich irgendwann überlegen: Entweder man investiert weniger Zeit rein oder man schaut, ob man vielleicht auch ein bisschen Geld für die eigene Kreativarbeit bekommen kann. Für uns war immer klar, dass wir die Seite nicht mit Werbung zuballern wollen, deswegen machen wir sehr selten Kooperationen. Eine tolle Möglichkeit uns über den Meme-Account hinaus kreativ zu entwickeln, ist eben der zu Beginn angesprochene Roman, den wir im Rowohlt Verlag herausbringen. Da können wir die Figuren aus unseren Memes weiterentwickeln, uns kreativ austoben und an einigen Stellen mehr ins Detail gehen als wir es in den Memes können.
22.03.2021 11:37 Uhr  •  Fabian Riedner Kurz-URL: qmde.de/125607