10 Jahre «Terra Mater»: ‚Die BBC war unser Vorbild‘
Am Mittwoch wird die Dokumentationsreihe «Terra Mater» des österreichischen Senders Servus TV zehn Jahre alt. Quotenmeter sprach mit der Verantwortlichen Sabine Holzner und dem Chef der Terra Mater Factual Studios Walter Köhler.
Glückwunsch zum 10. Geburtstag der Doku-Reihe «Terra Mater». Sie sind nun ein Jahrzehnt auf Sendung. Können Sie im Team wenigstens etwas unter Corona-Auflagen feiern?
Sabine Holzner: Vielen Dank! Wir würden natürlich gern ein bisschen feiern, in der aktuellen Situation ist das aber vorerst leider nicht möglich – maximal als Microsoft Teams-Event. Aber wir hoffen sehr, dass wir das zu einem späteren Zeitpunkt nachholen können.
Stichwort Corona: Im vergangenen Jahr war die Lage in den ersten Monaten relativ unklar, der Flugverkehr brauch ein. Können Sie ein bisschen von den Produktionsarbeiten in dieser Zeit erzählen?
Sabine Holzner: Das war auch für uns eine Zeit voller Ungewissheit und Herausforderungen. Glücklicherweise konnten wir aber fast alle Produktionen fortsetzen, die wir schon vor der Krise begonnen hatten. Dass wir eng mit Produktionsfirmen vor Ort zusammenarbeiten, spielte uns dabei in die Hände. Lediglich die Drehs für drei Produktionen waren mit extensiver Reisetätigkeit verbunden – diese mussten wir natürlich verschieben. Die größte Herausforderung im vergangenen Frühjahr war es vermutlich, unser Team noch rechtzeitig vor dem Lockdown aus Indien auszufliegen. Das Team hat es geschafft, unser Equipment ließ aber noch eine ganze Weile auf sich warten. Denn aufgrund des Lockdowns haben in Indien auch keine Speditionsfirmen gearbeitet.
Sie haben mit 13 Mitarbeitern begonnen und sind derzeit 40 Kollegen. Wird es zu weiterem Wachstum kommen?
Walter Köhler: Ich bin sehr stolz auf unsere Terra Mater-Familie. Als sich 13 Freunde im Jänner 2011 erstmals am neuen Firmensitz in Wien zusammensetzten, schien die Herausforderung riesengroß. Der Plan – in nicht einmal drei Monaten ein international produzierbares Portfolio an Projekten für die Programmmesse MIP-TV Anfang April 2011 und gleichzeitig den brandneuen Terra Mater-Slot bei ServusTV zu launchen. Was daraus entstanden ist und was wir in unserem ersten Jahrzehnt geschaffen haben, hat meine kühnsten Träume übertroffen. Aktuell sind wir sehr glücklich mit der Entwicklung und gut aufgestellt. Ein weiteres Wachstum streben wir nicht aktiv an, ausgeschlossen ist es aber auch nicht.
Vor allem die amerikanischen Produzenten haben ihre Doku-Reihen etwas quotenträchtiger umgebaut, mehr Entertainment statt reiner Dokumentation. Planen Sie diese Veränderungen ebenfalls oder bleiben Sie beim bisherigen Kurs?
Sabine Holzner: Nach wie vor erleben wir einen sehr großen Bedarf an Blue Chip Natur- und Wissenschaftsdokumentationen auf dem internationalen Markt. Zudem muss man sagen: Entertainment und Dokumentation widersprechen einander nicht. Je unterhaltsamer die Dokumentation, desto angenehmer für den Konsumenten – Lernen mit Spaß. Bei einer Hauptabend-tauglichen Wissenschaftsdokumentation nehmen die Zuschauer tatsächlich sehr viel mit. Das ist natürlich auch das Ziel, das wir mit unseren Dokumentationen verfolgen. Dabei passen wir uns den Bedürfnissen der jeweiligen Zuschauer und Märkte an und entwickeln uns mit ihnen weiter.
Die BBC produziert schon seit vielen Jahrzehnten aufwendige Tierdokumentationen. War dies einst ihr Vorbild?
Sabine Holzner: Die BBC war vor allem in unserer Anfangszeit ein großes Vorbild. Inzwischen sind wir, was Output und Qualität betrifft, gleichauf. Während die BBC auf sehr wenige, sehr teure Serien setzt, produzieren wir bei TMFS noch immer viele Einstünder, beziehungsweise Mini-Serien. So kommen wir einander nicht in die Quere.
Ihre Filme haben es schon auf zahlreiche Preisverleihungen geschafft, unter anderem waren Sie auf einer Oscar-Shortlist vertreten. Wo kann ich mir Ihre besten Filme denn noch mal anschauen? Kooperieren Sie auch mit Streamingdiensten wie Amazon, Netflix oder YouTube?
Walter Köhler: Über diese Auszeichnungen freuen wir uns natürlich sehr. Sie zeigen uns, dass unsere Filme herausragend sind. Und sie reüssieren nicht nur bei internationalen Festivals, sondern auch auf dem internationalen Markt, wo die Terra Mater-Produktionen zu den gefragtesten zählen – für TV-Sender, das Internet und auch Streaming-Dienste. Auf Netflix etwa ist unsere Feature Doc «The Ivory Game» zu sehen und auf Disney+ unsere Feature Doc «Sea of Shadows». Auf Youtube haben wir unseren eigenen Kanal, der erst vor kurzem die 200.000 Subscriber Benchmark und 20 Mio. Views überschritten hat.
Können Sie uns erläutern, wie eine «Terra Mater»-Folge entsteht? Wie lang dauert dies vom Konzept bis zur Ausstrahlung?
Sabine Holzner: Alles beginnt bei unseren redaktionsinternen Brainstormings. Dabei entstehen sehr viele Ideen, einige werden auch von freischaffenden Autoren an uns herangetragen. Entweder intern oder in der Zusammenarbeit mit Freelancern entwickeln wir dann die ersten Konzepte und Treatments und versuchen auf dieser Basis, die Produkte auf dem internationalen Markt zu finanzieren. Bei manchen Themen ist das ganz einfach und geschieht quasi über Nacht. Bei anderen Themen kann es auch mal bis zu einem Jahr oder länger dauern, bis wir die Budgets geschlossen haben. Dabei gibt es allerdings keinerlei Gesetzmäßigkeit, welche Themen schneller finanzierbar sind als andere. Der nächste Schritt ist dann der Dreh, die Drehzeit kann ganz unterschiedlich ausfallen. Manchmal handelt es sich nur um wenige Monate, bis wir alles im Kasten haben. Bei Tierfilmen muss man mit mehr Zeit rechnen – im Idealfall sind wir in zwei Jahren fertig. Dann haben wir für alle Jahreszeiten eine zweite Saison, falls etwas in der ersten nicht klappt. Es gibt aber auch Produktionen, für die die Kameraleute bis zu sieben Jahre vor Ort waren, weil sie beispielsweise die dynamische Entwicklung innerhalb eines Löwenrudels detailgetreu abbilden wollten.
Welche Dokumentation haben Sie zuletzt angesehen und was konnten Sie aus dieser Geschichte mitnehmen?
Die letzte Dokumentation die ich gesehen habe, war tatsächlich eine TMFS-Produktion: Der Rohschritt unseres Films «Cher und der Elefant», der bald auch bei ServusTV laufen wird. Dabei geht es um die Rettung von Kavaan, der als „einsamster Elefant der Welt“ traurige Berühmtheit erlangte. Als letzter asiatischer Elefant in Pakistan fristete er mehr als 30 Jahre lang sein Dasein in einem trostlosen Gehege im Zoo von Islamabad. Auch US-Popstar Cher erfuhr von seinem Schicksal und setzte alle Hebel in Bewegung, um den Elefanten zu retten. Schlussendlich mit Erfolg: Sie konnte Kavaan in ein Reservat nach Kambodscha begleiten, wo er nun wieder zusammen mit Artgenossen leben kann. Die Geschichte zeigt: Jede Initiative zählt, auch wenn sie noch so klein ist und zunächst unmöglich erscheint.
Vielen herzlichen Dank für das Gespräch!