«Tilo Neumann und das Universum»: Mann, ist das alles depressiv hier

Bei TV Now gibt Christoph Maria Herbst einen deprimierten Trauerklos, dem eine Stimme ins Gewissen redet. Wie gelungen ist die neue Serie?

Stab

Darsteller: Christoph Maria Herbst, Karoline Bär, Elena Uhlig, Christina Große
Creator und Headautorin: Sonja Schönemann
Kamera: Carol Burandt von Kameke
Kostüme: Stephanie Fürst
Regie: Julian Pörksen
Was kann man tun, wenn man – gerade in Zeiten der Pandemie – mal wieder so richtig von Herzen lachen will? TVNow hätte da vielleicht was im Angebot: eine achtteilige Comedy mit Christoph Maria Herbst. Was kann da schon schief gehen?

Bei Christoph Maria Herbst weiß man: vieles. Nicht inhaltlich, aber für seine jeweilige Figur: In «Stromberg» gab er einen altbackenen, zotigen Mann aus dem mittleren Management, der sein Umfeld konsequent falsch einschätzte, seine intriganten Bemühungen ein ums andere Mal an die Wand fuhr und damit in jeder Folge brutal auf die Nase flog. Jahre später trat er in «Merz gegen Merz» als gescheiterter Ehemann auf, dessen Frau schleunigst das Weite suchte, während er den Familienkonzern weiterführen musste.

Auch dem Gymnasiallehrer Tilo Neumann sind Scheitern und Misere schon auf den ersten Blick anzusehen: die deprimierten Augen, die traurige Glatze, das Engagement seiner Stimme, das bei seinen Oberstufenschülern aber nur auf desinteressierte taube Ohren stößt. Natürlich ist auch die Frau weg und die gemeinsame Tochter will, dass er sich fürs Erste nicht mehr meldet. In den besten Mannesjahren hat sich sein Leben in der blanken Desillusion eingegroovt, und eines Abends zieht er im Alkohol- und Drogenrausch die Reißleine und will Schluss machen.

Er landet in einer Zwischenwelt, wo ihm die Stimme von Elena Uhlig ins Gewissen redet: Er muss sein Leben in den Griff kriegen – und sie will ihm dabei helfen.

Wenig später erwacht der ermattete Tilo aus seinen düsteren Träumen vom Jenseits. Aber die Stimme ist immer noch da. Und geht auch nicht mehr weg. Sie gibt ihm Ratschläge, kommentiert süffisant seine Gedanken und bleibt bei ihrem Mantra: Nur wenn er anfängt, anderen Menschen zu helfen, wird alles wieder gut in seinem Leben.

Aus eigentlich depressiven Themen, Figuren und Lebenssituationen ein unterhaltsames, witziges Format zu machen, ist eigentlich Christoph Maria Herbsts Paradedisziplin und hat nicht nur in seinen Serien ja auch schon hervorragend funktioniert – von «Jungfrau, 40, männlich sucht» bis «The Last Man on Earth».

Doch bei «Tilo Neumann und das Universum» will der Funken leider nicht so recht überspringen. Das dürfte nicht nur an den vergleichsweise wenig treffsicheren Pointen liegen, sondern gerade auch daran, dass die Serie einen falschen Fokus gesetzt hat: die permanente Darstellung der schier endlosen Trostlosigkeit von Tilo Neumanns Leben, in der ein grauenhafter Tag dem nächsten gleicht, das sogar ein eigentlich optimistischer, lebensfroher Zuschauer in Versuchung geraten könnte, angesichts dieses an die Wand gefahrenen Lebens einen Schlussstrich zu ziehen.

Die eigentliche Botschaft dieser Serie soll natürlich konträr dazu stehen: Alles wird gut, wenn man anderen hilft und an sich arbeitet, auch wenn es nie so werden wird, wie man es sich vorgestellt und gewünscht hatte, denn eigentlich braucht man ja etwas ganz Anderes. Das Universum weiß schon, was es tut. Das mag auf einer höheren, quasi-philosophischen Ebene je nach Betrachtungswinkel sogar stimmen. Doch der Weg dahin ist zumindest im Fall des Trauerkloses Tilo Neumann zu steinig und schwer, als dass man ihm auf Dauer beiwohnen und sich dabei noch amüsieren wollen würde. Denn leider findet die Serie zwischen Hau-Drauf-Komik («Bruce allmächtig») und einem zartfühlenden, klugen und weisen Seelenstück («Vergiss mein Nicht») über die Neuordnung des Lebens im Angesicht des fundamentalen Scheiterns keine sinnvolle eigene Stimme, sondern verliert sich vollends im Mittelweg.

Die Serie «Tilo Neumann und das Universum» kann bei TV Now gestreamt werden. Außerdem wird die Serie am Montag bei VOX ausgestrahlt.
29.04.2021 11:00 Uhr  •  Oliver Alexander Kurz-URL: qmde.de/126488