Eine Serie, die unsere Gesellschaft braucht. In «Schlafschafe» wird Lisa Bitter Anhängerin einer Verschwörung, und Daniel Donskoy versucht verzweifelt, sie wieder zu Sinnen zu bringen.
Das Verstörendste ist vielleicht ihre Ernsthaftigkeit. Denn sie meinen es ja ernst. Zumindest viele von ihnen. Denn in den Augen derer, die uns „Schlafschafe“ nennen, sind wir die Dummen. Die leichtgläubigen Trottel, die das Offensichtliche nicht sehen. Dass Angela Merkel, Bill Gates, Benjamin Netanyahu und ihre Freunde von der Bilderberger-Konferenz seit Jahren eifrig und mit niederschmetterndem Erfolg nicht nur am großen Bevölkerungsaustausch arbeiten, sondern jetzt durch den auf die Bevölkerung losgelassenen Coronavirus auch am „Great Reset“, damit die Herrschenden einen Vorwand haben, um mit ihren mRNA-Impfstoffen unser Erbgut zu ihren Gunsten zu manipulieren und uns bei der dafür nötigen Spritze auch gleich einen Chip zur Dauerüberwachung und Gedankenkontrolle zu implantieren. Nachdem durch die systematische Vergiftung unserer Trinkwasserquellen irgendwie keine ausreichenden Erfolge erzielt wurden. Oder durch die Verbreitung von sterilisierenden Substanzen in Flugzeugabgasen.
Verschwörungstheorien sind ein „Rabbit Hole“, in Anlehnung an das weiße hektische Kaninchen aus „Alice im Wunderland“. Hoppst man einmal hinein, sind die Irrwege so zahlreich, dass man nicht mehr rauskommt, sondern sich nur immer tiefer hineinverläuft und bald vollends verloren ist.
So wie Melanie (Lisa Bitter), liebende Mutter eines Grundschulkindes und Ehefrau von Lars (Daniel Donskoy) und eigentlich auch Fitnesstrainerin. Aber weil coronabedingt gerade alle Studios zu haben, sitzt sie frustriert zuhause, schreibt Bewerbungen, aus denen wegen der aktuellen Lage ja eh nichts werden kann, und verliert sich so langsam in einer haarsträubenden Verschwörung über angeblich gesundheitsgefährdende Masken, angeblich atemanalysierende Rauchmelder und einen angeblichen schwarzen Kometen, der aber in Wirklichkeit ein streng geheimer Satellit sein muss.
Die Beschäftigung mit der Gaga-Verschwörung nimmt nicht nur bald weite Strecken von Melanies Tagesablauf in Beschlag, sondern belastet auch die Beziehung zu Lars und ihrem weiteren Umfeld. Dabei sind all die wahnsinnigen Schritte, die Melanie dabei unternimmt, aus ihrer Binnenansicht vollkommen logisch: Um zu verhindern, dass ihr Sohn an der ominösen Maskenkrankheit stirbt, der laut Melanies Verschwörungsabhandlungen schon zwei Kinder in England zum Opfer gefallen sind, muss sie den Jungen (Stichwort: Maskenpflicht) aus der Schule fernhalten. Also jubelt sie ihm Abführmittel unter das Getränk, um einen Magen-Darm-Infekt vorzutäuschen. Weil es bei Gleichgesinnten „TrueMasks“ zu kaufen gibt, die ohne die tödlichen Inhaltsstoffe der „frei“ verkäuflichen Exemplare auskommen, blättert sie dafür bereitwillig über hundert Euro pro Stück hin. Und weil sich gerade Ärztinnen gut als Mitstreiter ihrer Bewegung machen, versucht sie, eine befreundete Intensivmedizinerin dafür zu gewinnen – die sich aber sofort angewidert von ihr abwendet, weil sie ja seit einem Jahr ständig Leute intubieren muss und deshalb nichts so verabscheut wie die Verharmloser dieser furchtbaren Krankheit.
Besagte Szene ist nur eine von mehreren, in denen «Schlafschafe» einen Fehler all derer demonstriert, die klar im Kopf geblieben sind und nun mit jemandem konfrontiert werden, der dem Wahnsinn aufgesessen ist: Die eigene Erschütterung schlägt in Wut und Abwendung um. Dabei wäre Melanie in diesen Momenten vielleicht tatsächlich noch erreichbar gewesen, wenn man sich mit ihr und einer Tasse Kaffee hingesetzt und in aller Ruhe das Gespräch gesucht, sich ihre Sorgen mit ernsthaftem Interesse angehört und ihrem Geschwurbel mit nüchterner Überzeugungskraft geantwortet hätte. Den Versuch wäre es zumindest wert gewesen.
An anderen Stellen sehen wir noch herzzerreißendere Momente: Zum Beispiel, als die Verschwörungstheorien auch auf den Sohn überschwappen, der die irrsinnigen Geschichten der Mutter natürlich für bare Münze nimmt und in der Schule keine Maske mehr tragen will – womit er natürlich die ganze Familie in ernste Gefahr bringt.
Wie ein Virus hat sich das Gaga-Gedankengut nun im gemeinsamen Haushalt festgebissen. Weil sich diese Serie nicht der Illusion hingibt, dass am Schluss doch alles wieder gut werden könnte, weiß man schon früh, dass auch eine mögliche Enttarnung der Hintermänner nicht fruchten wird. Auch die ist in der verqueren Welt der Verschwörungsgläubigen schon lange eingepreist. Selten endete eine Dramedy auf einer bittereren Note als «Schlafschafe». Und ist dabei leider auch noch verdammt realistisch.
Bleibt zu hoffen, dass diese Serie die Runde macht. Das ideale Publikum wären natürlich die bekannten Querdenken-Demos. Gerne dürfen Daniel Donskoy und Lisa Bitter, die hier beide sehr sehenswerte Performances abliefern, ihr Projekt auch gewissen Kollegen zeigen, die vor kurzem mit Videos für Furore gesorgt haben, die dem Gedankengut von Melanie nicht völlig unähnlich sind.
ZDFneo zeigt alle sechs Folgen von «Schlafschafe» am Mittwoch, den 12. Mai um 00.45 Uhr am Stück.