Emma Stone ist in dem Prequel von «101 Dalmatiner» zu sehen. Wir haben das Werk von Disney gesehen.
Bereits 1958 erschien das Buch „Hundertundein Dalmatiner“ der britischen Autorin Dodie Smith (†94), an dem sich Walt Disney (†65) unverzüglich die Verfilmungsrechte sicherte. Denn Tiere sind für einen Zeichentrickfilm stets dankbare Charaktere, um Kinder in aller Welt begeistern zu können. Bereits drei Jahre später war die abendfüllende Kinokomödie fertig und kam zu Weihnachten 1961 als «101 Dalmatiner» auch in der Bundesrepublik heraus. Unter dem Wiederaufführungstitel «Pongo & Perdi – Abenteuer einer Hundefamilie» eroberte Disneys 17. Zeichentrickklassiker im Laufe der Jahre weitere Herzen deutscher Kinder.
Bei einem Budget von vier Mio. Dollar spielte «101 Dalmatiner» weltweit bis heute das Fünfzigfache wieder ein. Disney hatte also aufs richtige Pferd, besser gesagt auf den richtigen Hund gesetzt. Weshalb es bereits 1996 eine Realverfilmung mit Glenn Close als überkandidelte Hundemörderin Cruella De Vil gab. Vier Jahre später folgte ein Sequel, und 2003 entstand auch noch einen zweiten Teil des Zeichentrickfilms von 1961. Nun geht’s weiter: Mit «Cruella» schickt Disney eine Art Prequel ins Rennen – wieder als Realverfilmung, diesmal aber mit Emma Stone als schurkische Cruella De Vil.
Vom mittellosen Mädchen zur mächtigen Modeschöpferin
Bis Modedesignerin Cruella De Vil (Emma Stone) dafür bekannt wird, 101 Dalmatinern das Fell über die Ohren zu ziehen, um sich damit einen kostbaren Mantel anfertigen zu lassen, ist es noch lange hin. Zuerst lernen wir sie als junges Mädchen Estella (Tipper Seifert-Cleveland) kennen, das davon träumt, eines Tages zu den Reichen und Schönen zu gehören. Aber in ihrer Umwelt erfährt sie das genaue Gegenteil. Sie wird verhöhnt und zur Außenseiterin. Als sie dann auch noch ihre Mutter verliert, ist sie auch noch total mittelos.
Die Jahre vergehen und im London der Siebzigerjahre erhofft sich Cruella den Durchbruch in der Modewelt. Zunächst lässt sie sich aber mit dem Gaunergespann Jasper (Joel Fry) und Horace (Paul Walter Hauser) ein, um sich mit kleinen Trickbetrügereien finanziell über Wasser zu halten. Bis sie die Baroness (Emma Thompson) kennenlernt, der Superstar in der Modewelt. Tatsächlich bekommt Cruella ihre Chance, und sie greift zu, arbeitet sich hoch. Doch dann erwacht in ihr die böse Seite und sie schmiedet einen perfiden Racheplan, um selbst zu Ruhm und Reichtum zu gelangen.
Die Prinzessin des Punks
Es ist wahrscheinlich die beste Drehbuchidee, «Cruella» hauptsächlich in den Siebzigerjahren spielen zu lassen. Denn es war ein Jahrzehnt der Um- auf Aufbrüche, vor allem in der Popkultur. Die Veränderungen in der Modewelt werden hier besonders aufgenommen und Cruella quasi wie eine Prinzessin des Punks präsentiert. Ihre extravaganten Kleider, die sie sich teilweise aus Lumpen zusammennäht, ihre frechen Frisuren in schwarz und weiß aufgeteilt symbolisieren auch äußerlich die zwei Seiten der Dame, die sich im Laufe der Geschichte immer weiter in dämonische Abgründe ziehen lässt.
Oscar-Preisträgerin Emma Stone («La-La-Land») nimmt man die Verwandlung vom träumenden Gutmädchen zur garstigen Übeltäterin nur zu gern ab. Ebenso egomanisch sind die Auftritte von Emma Thompson als böswillige Baroness, und auch Paul Walter Hauser («I, Tonya») und Joel Fry («Yesterday») ergeben ein wunderbar schrulliges Gaunerpärchen. Kurzum. «Cruella» lebt vor allem von seiner grandiosen Besetzung unter der Regie von Craig Gillespie («I, Tonya»). Man schaut den Hauptdarstellern gern zu, wie sie in ihren überdrehten Rollen immer noch eine Schippe drauflegen. Der Spaß, den sie dabei versprühen, überträgt sich aufs Publikum, weshalb man mit Disneys neuer Filmschöpfung im Großen und Ganzen eine gute Zeit hat.
Disneys böse Bräute
Gewiss ist der Erfolg von Disneys «Maleficent» (2014) nicht ganz unschuldig daran, dass uns jetzt «Cruella» beschert wird. Denn bereits mit Maleficent aus «Dornröschen» (1959) wurde die Vorgeschichte einer berühmten Schurkin aus dem Disney-Universum erzählt, die damit zugleich ein neues Image bekam. Angelina Jolie verkörperte sie in dem Realfilm als tragische Figur, was so gut ankam, dass es 2019 zu einer Fortsetzung kam. «Cruella» wandelt sich hingegen dann doch in ein Biest und somit wird lediglich vermittelt, warum sie so werden konnte - weniger um Verständnis für sie zu wecken als vielmehr ihre schrillen Anwandlungen noch stärker hervorzuheben - und das mit einer guten Prise Humor. Bleibt abzuwarten, welche bösen Bräute der mächtige Micky-Maus-Konzern als nächstes aus seiner unendlich erscheinenden Märchenschatztruhe zaubert, um sie filmisch neu aufleben zu lassen. Anbieten würden sich vielleicht schon mal Madame Mim aus «Die Hexe und der Zauberer» (1963) oder die dicke Ursula aus «Arielle, die Meerjungfrau» (1989).
Fazit: «Cruella» ist das realgedrehte Prequel von Disneys Zeichentrickklassiker «101 Dalmatiner». Emma Stone spielt die Schurkin aber mit deutlich mehr Pepp und Ironie, und das Aufleben der wilden 1970er bringt den meisten Spaß.
«Cruella» ist bei Disney+ zu sehen.