SZ: TV-Vorstand gegen Zerschlagung

Nach dem Angebot Springers an das Bundeskartellamt, den Sender ProSieben zu verkaufen, beginnt das Ringen um den richtigen Zeitpunkt. Die Wettbewerbshüter bestehen auf der Trennung des Senders und der Sendervermarktung von der TV-Gruppe noch vor der Übernahme. Springer hält dies laut einem Bericht der Süddeutschen Zeitung aber für "kaufmännisch nicht vertretbar", weil dann noch in diesem Jahr Steuern in dreistelliger Millionenhöhe anfallen würden. Der Vorstand der ProSiebenSat.1 Media AG zeigte sich überrascht von dem Angebot Springers an die Wettbewerbshüter. Mit ProSieben würde die TV-Gruppe die Cashcow verlieren: Der Sender sorgt für mehr als die Hälfte des Konzerngewinns von knapp 203 Mio. Euro. Zudem stellt sich die Frage, ob eine Abspaltung wirtschaftlich überhaupt möglich ist.

"Unter derzeitigen Voraussetzungen ist am 20. Januar eine Freigabe unter Bedingungen zu erwarten", erklärt Irene Sewczyk, Pressesprecherin des Bundeskartellamtes, im Gespräch mit pressetext. Der Unterschied zu einer Freigabe mit Auflage ist, dass die Bedingung vor der Freigabe erfüllt werden muss. Die Bedingungen listet die Behörde in einer Aussendung auf: Verkauf von ProSieben an einen unabhängigen Interessenten, Vermarktung durch einen Dritten (also nicht durch SevenOne Media) und schließlich die Genehmigung der des Verkaufs von ProSieben an einen unabhängigen Käufer durch das Kartellamt. "Durch die aufschiebende Bedingung wird sichergestellt, dass der Sender ProSieben mit einem Marktanteil am bundesweiten TV-Markt von etwa 20 Prozent nicht von der Axel Springer AG übernommen und die TV-Werbezeit nicht von einem Unternehmen vermarktet wird, das Springer zuzurechnen ist", so Kartellamtspräsident Uwe Böge. Durch die Abspaltung von ProSieben werde eine "wesentliche Verbesserung der Wettbewerbsbedingungen am deutschen TV-Werbemarkt" erreicht.

Katja Pichler, Konzernsprecherin der ProSiebenSat.1 Media AG, verweist im Gespräch mit pressetext als erstes auf den "Dissens" zwischen Bundeskartellamt und der Axel Springer AG. Mehr sei dazu zurzeit nicht zu sagen, weil das Management an den "Beprechungen mit dem Kartellamt über einen möglichen Verkauf" nicht beteiligt war. "Der Vorstand wird das Angebot prüfen, sobald weitere Informationen darüber vorliegen", so Pichler. Glücklich scheint bei ProSiebenSat.1 aber niemand mit der Aussicht auf die Zerschlagung des Konzerns zu sein. Kein Wunder, würde doch der Verkauf von ProSieben die Bemühungen der vergangenen fünf Jahre, die Synergieeffekte der im Jahr 2000 zusammengeführten Sender Sat.1 und ProSieben zu nutzen, auf einen Schlag zunichte machen.

Die Süddeutsche Zeitung (SZ) berichtet unter Berufung auf Branchenkreise über den Widerstand des Vorstandes gegen eine Zerschlagung der TV-Gruppe. Sie sei auch nur unter schwierigsten Bedingungen und großem Aufwand möglich. Nur die Programmplanung der Sender sei autonom, berichtet die SZ. Nahezu alle anderen Funktionen wie Lizenzeinkauf, Werbezeitenvermarktung und Rechnungswesen werden zentral abgewickelt. ProSieben ist zudem die Perle des TV-Konzerns und liefert mehr als die Hälfte des Umsatzes. Sat.1 war hingegen in den vergangenen Jahren das Sorgenkind und schreibt erst seit kurzem schwarze Zahlen.
14.01.2006 18:49 Uhr  •  pte  •  Quelle: pte Kurz-URL: qmde.de/12768