Die Kritiker: «Mutter kündigt»

Maren Kroymann will nicht mehr Mutter sein und kündigt kurzerhand die Familie auf. Wie sich daraus ein heiterer und kluger Familienfilm entspinnt, verrät unsere Kritik.

Stab

Darsteller: Maren Kroymann, Jördis Triebel, Ulrike C. Tscharre, Stefan Konarske, Lena Urzendowsky, Rainer Bock u.v.m.
Drehbuch: Freya Stewart, Gabriela Sperl, Ferdinand Arthuber
Schnitt: Mona Bräuer
Kamera: Ahmed El Nagar
Kostüme: Lucie Bates
Musik: Martina Eisenreich
Regie: Rainer Kaufmann
„Regretting Motherhood“ hat vor einiger Zeit solche Wellen geschlagen, dass diese englische Bezeichnung auch vielen Deutschen mittlerweile ein Begriff sein dürfte. Nicht nur hinter vorgehaltener Hand, im engsten persönlichen Umfeld, sondern mitten in der Öffentlichkeit haben Frauen, oft im höheren Lebensalter, freimütig davon erzählt, wie sie es bereuten, Mutter geworden zu sein.

Die Empörung ließ natürlich nicht lange auf sich warten, gerade aus den Kreisen, von denen man es nicht anders erwarten würde: Wie können die nur? Mutter zu sein, ist doch das Schönste, was einer Frau passieren kann!

Manches an dieser Empörung mag echten und vielleicht sogar ehrbaren Gefühlen entsprungen sein, vieles war dagegen künstliche Heuchelei. Was bleib, war, dass diese Debatten nur eisern, in verbalen Schützengräben ausgefochten wurden – und eigentlich nicht als Stoff für eine Komödie zu taugen schienen.

Diesen umgekehrten Weg sind nun das ZDF und die renommierte Produktionsfirma Wiedemann & Berg Television gegangen, mit dem Film «Mutter kündigt», in dem eine Mutter eben: kündigt.

Gut, dass ihre Kinder da schon aus dem Gröbsten raus sind, zumindest altersmäßig. Trotzdem steckt natürlich jeder in seinen eigenen Schwierigkeiten, als Mutter Carla (wie immer ein Fest: Maren Kroymann) der versammelten Meute eröffnet, dass sie die Eltern-Kind-Beziehung aufkündigen will. Dazu liegen 750.000 Euro in kleinen bis mittelgroßen Scheinen als künftiges Erbe auf dem Tisch, an denen sich die drei Sprösslinge bedienen dürfen.

Gebrauchen könnten sie es auch: vor allem Nesthäkchen Phillipp (Stefan Konarske), der mit seinen 30 Lenzen zwar ein Genie an der Börse ist, sich nun jedoch völlig verspekuliert hat und seinen Anlegern eine halbe Million schuldet. Oder seine Schwester Doro (Jördis Triebel), das mittlere Kind. Die will zusammen mit ihrer Frau Hanna (Britta Hammelstein) ein Joga-Zentrum eröffnen, worauf wiederum die Tochter Joe (Lena Urzendowsky) überhaupt keine Lust hat. Carlas ältestes Kind Rita (Ulrike C. Tscharre) kämpft derweil mit anderen privaten Problemen, will ihre Geschwister aber als die „Starke“ im Bunde nicht unbedingt daran teilhaben lassen. Und jetzt kündigt auch noch die Patriarchin die Familie auf. Frechheit.

Dabei kommt dieser erschreckende Schritt „Ich will nicht mehr Mutter sein“ gar nicht so überraschend, wie alle hier immer tun. Nach und nach macht uns dieser Film klar, wie sehr sich der Clan in den letzten Jahren auseinandergelebt hat, wie niemand mehr Rücksicht auf den anderen nahm und gerade Carla nach dem Tod ihres (rigoros untreuen) Mannes schonungslos alleingelassen wurde.

Ist Familie dann doch eine Schicksalsgemeinschaft, der man nicht entfliehen kann? Die von Maren Kroymann mit beachtlicher Überzeugungskraft gespielte Carla wird das bis zum Schluss verneinen und lieber mit Rainer Bock in den Sonnenuntergang fahren. Macht sie das zur Rabenmutter? Nein, denn sie liebt ihre Kinder allesamt. Sie mag sie nur nicht. Eine angenehm unaufgeregte Erkenntnis bei einem Thema, das normalerweise nur in Großbuchstaben und mit einem halben Dutzend Ausrufezeichen ausgefochten wird. Schön, dass sich das ZDF auf diese spannende und heitere Geschichte eingelassen hat.

Das ZDF zeigt «Mutter kündigt» am Donnerstag, den 22. Juli um 20.15 Uhr.
21.07.2021 11:00 Uhr  •  Oliver Alexander Kurz-URL: qmde.de/128219