Markus Höhner: 'Wer diese Prüfung geschafft hat, hat es meist auch ganz nach oben geschafft'
Sport1-Kommentator Markus Höhner spricht im Quotenmeter-Interview über die anstehende Zweitliga-Saison, über die Rolle der 'kleinen' Vereine und gibt seine Tipps für die Aufsteiger ab.
Herr Höhner, vielen Dank für Ihre Zeit. Schon fast Kult ist ja der Satz ‚Die beste 2. Liga aller Zeiten', mit dem Sport1 seit Jahren wirbt. Stimmt er in diesem Jahr tatsächlich?
Wenn er jetzt nicht stimmt, wann dann? Bei so viel überragender Tradition in dieser Liga. Bei 56 Klubs der ewigen Bundesliga-Tabelle liegen Bayern und Dortmund auf eins und zwei, Werder auf drei, der HSV auf vier und Schalke auf sieben, das sagt schon alles. Es sind überragende Klubs mit einer tollen Historie.
Während die Liga mit Werder Bremen, Schalke 04, Dynamo Dresden und Hansa Rostock vier Traditionsvereine dazubekommen hat, vergessen auch viele, dass es mit Sandhausen, Heidenheim, Regensburg und Ingolstadt auch Klubs mit weitaus weniger Strahlkraft in der Liga gibt. Freuen Sie sich auch auf diese Mannschaften?
Ja, absolut Es war auch immer der Reiz, wenn die vermeintlich großen Klubs gegen die vermeintlich kleineren Klubs gespielt haben. Ich erinnere mich, dass Auswärtsspiele in Heidenheim und Sandhausen oft richtungsweisend waren. Wer diese Prüfung geschafft hat, hat es meist auch ganz nach oben geschafft. So verspielte der HSV in den vergangenen beiden Spielzeiten bei Niederlagen in Osnabrück und Heidenheim den Aufstieg. Ich erinnere mich: Am 33. Spieltag der Saison 2019/2020 verzockte Hamburg den Aufstieg, verlor in Heidenheim nach Führung noch 1:2 in der sechsten Minute der Nachspielzeit.
Sie werden die Spiele in der 2. Bundesliga mit einem Experten zusammen kommentieren. Ist der Co-Kommentator seit der Europameisterschaft nun endgültig in Deutschland etabliert?
Ob er bundesweit etabliert ist, kann ich nicht beantworten. Aber Sport1 war in dem Sinne schon lange Jahre Vorreiter. Ich habe lange auf Sport1 das Montagspiel mit Peter Neururer kommentiert und das immer sehr gern. Jetzt freue ich mich auf die ersten Einsätze mit Martin Harnik und Friedhelm Funkel, mit beiden habe ich schon zusammengearbeitet und weiß, dass es sehr gut klappt.
13:30 Uhr vier Spiele der 2. Liga, 15:30 Uhr Bundesliga-Nachmittag, 18:30 Uhr Top-Spiel, 20:30 Uhr Abendspiel der 2. Liga. Wie viel ist aus dem Geschäft Fußball noch herauszuholen? Wäre eine Rückbesinnung auf weniger Spieltermine nicht sinnvoller? Aktuell verliert der Fußball immer mehr seinen Event-Charakter.
Also, ich bin bis heute nicht nur Fußball-Kommentator, sondern Fan und Fußballkonsument. Ich finde die Spielaufteilung gelungen und freue mich zu verschiedenen Zeiten verschiedene Spiele sehen zu können. Die Ansetzungen sollten aber, so gut es geht, fanfreundlich sein, was die Anreise angeht.
Die Quoten der diesjährigen Euro 2020 im Vergleich zu vergangenen Turnieren belegen ein gewisses Desinteresse. Schon vor der EM war dieser Trend bei Spielen der DFB-Elf zu erkennen. Welche Lösungsansätze haben Sie, um die Zuschauer wieder mehr zu begeistern? An der Qualität der Spiele kann es nicht liegen, die war während der Corona-Zeit nachweislich besser.
Der allgemeine Quotenrückgang, wie Sie es beschreiben, hat nichts mit der Qualität zu tun, sondern aus meiner Sicht mit der Atmosphäre. Die fehlenden Zuschauer belasten das Produkt schon zu einem Anteil. Ich bin sicher, dass die Zahlen wieder besser werden, wenn Fans dabei sind und freue mich, dass bei Bremen gegen Hannover 14.000 Zuschauer im Stadion sein dürfen. Das wird eine ganz andere Atmosphäre schaffen als bisher.
Für Sport1 waren Sie über zehn Jahre Nationalmannschaftsexperte. Wie bewerten Sie das Abschneiden der DFB-Elf bei der EM? War einfach nicht mehr drin oder hätte Jogi Löw einige Dinge besser machen müssen?
Zunächst möchte ich für Jogi Löw eine Lanze brechen, in der Summe war seine Amtszeit unfassbar erfolgreich. Auch wenn Fehler dabei waren, hat er den Fußball der Nationalmannschaft im Jahr 2014 und auch schon 2010 revolutioniert. In den letzten Jahren hat er aber, so glaube ich, die letzte Euphorie im Team nicht mehr auslösen können. Was man nicht vergessen darf: Die Leistungsträger wie Toni Kroos hatten schon alles gewonnen, was man gewinnen kann. Zu Beginn hatte es Löw leichter, weil die Mehrheit seiner Leistungsträger noch große Karriereziele erreichen wollte. Jetzt muss Hansi Flick mit einer neuen Generation neu beginnen.
Glauben Sie an eine Saison mit Auswärtsfans, wie es kürzlich beschlossen wurde? Ab dem 3. Spieltag sollen Fans der Gastmannschaft im Stadion erlaubt sein.
Natürlich glaub ich daran, weil ich als optimistisch denkender Mensch davon ausgehe, dass sich die Pandemie, auch dank der Impfquote, abschwächt und die Stadien voller werden. Darauf freuen wir uns alle, egal ob Heim- oder Auswärtsfans.
SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach sagte kürzlich im ‚11Freunde‘-Interview, dass er die falsche Vorstellung hatte. Er erwartete, dass sich Fans […] vor den Stadien zusammenrotten würden. Welche Stimmung erwarten Sie bei den ersten Samstagabendspielen?
Zunächst zu Karl Lauterbach: Ehrlich gesagt habe ich das auch befürchtet und bin im Nachhinein begeistert, wie sich die meisten Fans diszipliniert und richtig verhalten haben. Das ist beachtlich. Es scheint jetzt an der Zeit, dass die Geduld belohnt wird und die Fans nach und nach zurück in die Stadien dürfen. Die ersten Schritte erfolgen ja gerade.
Neben der Rückkehr der Fans wird es auch einen weiteren Grund zum Feiern geben: Die Abschaffung der Montagspiele. Sie waren bei den Anhängern wahnsinnig unbeliebt, wie war das eigentlich aus Kommentatoren-Sicht?
Ich finde, das stimmt so nicht. Nach langen Jahren der Diskussion und Auseinandersetzung sind die Stimmen der Kritiker zum Montagspiel der 2. Liga in den letzten Jahren leiser geworden. Mit dem Erstligaspiel am Montag hat es sich ja anders verhalten. Das Montagspiel der 2. Liga hatte dagegen im Laufe der Jahre als Marke und Fixpunkt zumindest bei immer mehr Fans eine große Akzeptanz bekommen. Und viele haben sich gefreut, am sonst tristen Montag meist sehr unterhaltsame Spiel der 2. Bundesliga verfolgen zu können. Wir hatten in der Saison 2016/2017 im Schnitt 950.000 Zuschauer beim Montagspiel. Das Montagspiel wurde im Laufe der Jahre zur Tradition und zum Aushängeschild der 2. Liga. Diesbezüglich wird es jetzt hoffentlich vom Samstag als neuen Leuchtturm abgelöst.
Wie ist ihr Tipp für das erste Sport1 Livespiel am Samstagabend, Werder Bremen gegen Hannover 96? Kann Bremen den direkten Wiederaufstieg schaffen?
Mein Tipp ist, dass Werder knapp gewinnt, Bremen hat den sehr emotionalen Vorteil im eigenen Stadion endlich wieder vor Zuschauern zu spielen. Trainer Markus Anfang kennt außerdem die 2. Bundesliga richtig gut und gehört für mich mit seinem starken Kader zu den Topfavoriten.
Was meinen Sie? Wer steht am Ende der Saison auf den ersten drei Plätzen?
Puh, ganz schwer zu sagen, das macht ja auch den Reiz dieser ausgeglichenen Liga aus. Wenn ich mich jetzt festlegen sollte, dann Werder, Schalke und Düsseldorf. Es würde mich übrigens freuen, wenn Hansa oder Dynamo als freche Aufsteiger auch ein bisschen mitmischen.