«Nur ein einziges Leben» – Widerstand im Zweiten Weltkrieg

Thomas Kretschmann ist nach «Der Pianist» wieder als Wehrmachtsoffizier zu sehen. Wie gut ist der Spielfilm mit Angelica Huston?

Kinder sollten unbekümmert aufwachsen, ihrer Fantasie freien Lauf lassen und die Schönheit des Lebens kennenlernen. Denn der Ernst des Lebens tritt früh genug ein. Das diese Idealvorstellung für das Wohl unserer Nachkommen nicht immer gewährleistet ist, stellen wir gerade jetzt in Zeiten der Pandemie fest, der besonders Kinder ausgesetzt sind, die sich durch falsche Politik nicht mehr auf die gesellschaftliche Fürsorge verlassen können. Aber es geht noch schlimmer, etwa in Kriegszeiten, wie sie mehrere Generationen glücklicherweise nicht mehr erleben mussten. Besonders unter den Nazis im Zweiten Weltkrieg war das Leiden unzähliger Kinder groß. Viele mussten sogar um ihr Leben bangen und verloren es auch. In dieses finstere Zeitalter führt uns das Drama «Nur ein einziges Leben» zurück. Nach dem Roman „Warten auf Anya“ von dem Kinderbuchautoren Michael Morpurgo wird eine wahre Geschichte erzählt über einen 12-Jährigen, der jüdischen Kindern zur Flucht aus dem besetzten Frankreich nach Spanien verhelfen will.

Das Ende einer Kindheit
1942 ist der Süden Frankreichs noch relativ frei von Nazis. Doch sie dringen mit ihren Panzern immer weiter ins Land und erreichen somit auch ein Dorf in den französischen Pyrenäen, in dem der Hirtenjunge Jo (Noah Schnapp) lebt. Als ein Bär seine Schafsherde angreift, kommt ihm ein Fremder zur Hilfe. Benjamin (Frederick Schmidt) ist ein entflohener Jude, der sich bei seiner Schiegermutter Horcada (Angelica Huston) versteckt hält. Er will aber erst nach Spanien fliehen, wenn seine Tochter Anya zu ihm zurückgekehrt ist. Beide wurden bei einem Abtransport in ein Konzentrationslager auf einem Bahnhof getrennt und Benjamin konnte Anya im letzten Moment in die Obhut französischer Zivilisten geben. In Horcadas Haus verstecken sich noch andere jüdische Kinder. Jo weiß sofort, was zu tun ist und versorgt die Hilfsbedürftigen fortan mit Nahrungsmittel. Nur sein Opa Henri (Jean Reno) weiß davon. Eines Tages lernt Jo einen deutschen Unteroffizier (Thomas Kretschmann) kennen, der jedoch jedem Klischee eines Nazis widerspricht. Er ist freundlich und aufgeschlossen gegenüber dem Jungen, doch letztendlich bleibt er der Feind.

Böser Nazi – guter Nazi
Schon einmal spielte Thomas Kretschmann einen sympathischen Wehrmachtsoffizier in Roman Polanskis vielfach ausgezeichneten Kriegsdrama «Der Pianist». Gekonnt durchbricht er auch diesmal wieder das herkömmliche Bild, dass alle Deutschen im Zweiten Weltkrieg Schurken waren. Und doch lässt er auch immer etwa Unbehagen übrig, denn allein die Uniform signalisiert nun mal, dass er auf der falschen Seite steht. Nichtsdestotrotz muss in «Nur ein einziges leben» auch ein böser Nazi auftauchen, den man umso mehr abgrundtief hassen darf. Dieser wird von dem Isländer Tómas Lemarquis verkörpert, der gleich zum Anfang harmlose Dorfbewohner massenhaft in den Tod schicken will. Merklich zurückhaltend agieren die beiden Weltstars Angelica Huston («Die Ehre der Prizzis») und Jean Reno («Leon – Der Profi»), womöglich um die Spielfläche dem jugendlichen Protagonisten zu überlassen.



Aus der richtigen Perspektive
Im Mittelpunkt bleibt also der inzwischen 16-jährige New Yorker Noah Schnapp als hilfsbereiter Hirtenjunge. Aus seiner Perspektive wird die Geschichte erzählt, aus seiner Perspektive erlebt man den Schrecken des Krieges. Wobei sich der Film nie wirklich in Gewaltbildern suhlt, denn schließlich handelt es sich immer noch um ein Jugendbuch, das hier verfilmt wurde. Insofern wurde die Geschichte zielgruppengerecht umgesetzt, wird darüber hinaus gewiss noch alle anderen Altersgruppen erreichen. Denn das Thema fordert es nun mal, dass man emotional berührt wird, Trauer, Wut und Hilflosigkeit nachempfinden kann. «Nur ein einziges Leben» reiht sich damit in eine Liga von Filmen ein, denen es ebenfalls schon gelungen ist, einem Publikum das schwere Thema Judenverfolgung aus Kindersicht nahezubringen. Etwa Louis Malles «Auf Wiedersehen, Kinder» (1987), «Die Bücherdiebin» (2014) oder «Ein Sack voll Murmeln» (2017). Und man denkt an das Mädchen mit dem roten Kleid aus «Schindlers Liste» (1993) von Steven Spielberg. Der große Spielberg verfilmte übrigens 2011 mit dem Ersten-Weltkrieg-Drama «Gefährten» auch schon mal einen Roman von Michael Morpurgos.

Fazit: Der Film basiert auf eine wahre Geschichte und sieht sich als ein Plädoyer für Mut und Nächstenliebe. Einfühlsam in Szene gesetzt wird stets die Perspektive eines 12-jährigen eingenommen. Der Schrecken jener Zeit dient dabei nie zum Selbstzweck, um vor allem junge Zuschauer nicht zu erschrecken.

«Nur ein einziges Leben» ist als Stream oder Blu-Ray verfügbar.
10.08.2021 11:45 Uhr  •  Markus Tschiedert Kurz-URL: qmde.de/128691