Drei Wochen lang war die Reality-Show von EndemolShine Germany on Air. Die Reichweiten sprechen in diesem Jahr eine klare Sprache – und zwar keine gute.
In Deutschland gibt es derzeit kein anderes Format, das öfter verändert wurde als die Reality-Show «Big Brother». Als die Show vor rund 20 Jahren beim Grünwalder Fernsehsender RTLZWEI startete, waren die Reichweiten hervorragend. Zum einen bekamen die Zuschauer eine völlig neue Art der Show präsentiert, zum anderen wurden erst kurz zuvor die UMTS-Lizenzen für 50 Milliarden Euro an die Telekommunikationsbetreiber verkauft. Fernsehen über den Kabelanschluss oder das Handy? Unrealistische Zukunftsmusik, dachten die meisten Menschen.
Doch genauso abstrakt war die Vorstellung von «Big Brother»: eine Fernsehsendung, die damals drei Monate jeden Tag lief und die 24 Stunden zuvor zusammenfasste. Die Politik schrie Empörung, der Sender RTLZWEI feierte glänzende Einschaltquoten. Diese waren so gut, dass die Staffeln zwei und drei sogar zum Teil bei RTL ausgestrahlt wurden. Als sich Sat.1 dem Programm vor neun Jahren annahm, war der Hype um die wohl langweiligste Reality-Show schon (fast) vorbei.
Zahlreiche neue Sendungen wie «Ich bin ein Star – Holt mich hier raus» liefen «Big Brother» den Rang ab. Die Sendung aus Köln punktet weder mit einem spektakulären Set («Kampf der Reality-Stars»), noch mit besonderen Elementen («Temptation Island»). Dennoch hat das Format bereits neun Staffeln auf dem Buckel und die Einschaltquoten waren zeitweise richtig gut.
Die sechste Staffel holte – zwei Jahre nach dem Netflix-Start – die besten Werte aller Zeiten. Damals war der Cast allerdings auch weitaus prominenter. 2,07 Millionen Zuschauer, davon 1,04 Millionen 14- bis 49-Jährige, sahen das Hausleben von Silvia Wollny (RTLZWEI), Chethrin Schulze («Love Island»), «DSDS»-Gewinner Alphonso Williams, «Bachelor in Paradise»-Teilnehmer Johannes Haller, Rapperin und davor Akteurin von erotischen YouTube-Videos Katja Krasavice und Cora, die Ex-Frau von Formel1-Fahrer Ralf Schumacher.
In diesem Jahr moderieren Jochen Schropp und Marlene Lufen unter anderem Reality-Darstellerin Daniela Büchner, Dschungel-Gewinnerin Melanie Müller und «Geh aufs Ganze»-Moderator Jörg Draeger an. Ansonsten ist das Bild recht überschaubar. Doch nicht nur die prominenten Stars sind an den sinkenden Quoten von «Promi Big Brother» Schuld. Der Sender kann seit Staffel eins einfach nicht genug bekommen. Sukzessiv wurde die Laufzeit von 22 auf 42 Stunden erhöht, dazu kommen «Late Night Show» und früher noch zahlreiche Web-Formate.
ProSieben- und – seit kurzem – Sat.1-Chef Daniel Rosemann hat aber auch klare Fehlentscheidungen getroffen. Zweimal hintereinander ging «Promi Big Brother» hinter König Fußball auf Sendung, zweimal wurde mit dieser ein neues Staffeltief verzeichnet. Bereits seit der FC-Bayern-Übertragung aus dem Jahr 2008 ist klar, dass Sport und Reality-Shows nicht zusammenpassen. «Germany’s Next Topmodel» verbuchte an diesem Donnerstag nach dem UEFA Cup den niedrigsten Wert der Staffel. Es ist anhand von Quotenverläufen völlig klar, dass Fußballzuschauer lediglich ihren Live-Sport verfolgen und danach nicht dranbleiben.
Sat.1 hätte mit Sicherheit zwischen der Fußball-Europameisterschaft und dem 12. August, wahlweise im September wie 2016, konstantere Marktanteile holen können. Das Fußball-Beispiel zeigt doch auch das Zuschauer-Problem von Sat.1 auf. In den drei Tagen nachdem eine Live-Show hinter Fußball gezeigt wurde, fielen die Marktanteile deutlich schwächer aus. Die Marktanteile lagen in fünf von sechs Fällen unter zehn Prozent, selbst die Reichweiten sanken in vier von sechs Fällen.
Mit den Übertragungen der Bundesliga und dem DFB-Supercup erreichte Sat.1 bis zu sechs Millionen Zuschauer und nur 1,25 sowie 0,96 Millionen Zuschauer blieben dran. Es ist daher auch nicht falsch zu behaupten, dass hier einmal mehr dilettantisch gearbeitet wird. Ohnehin muss man sich fragen, wer es bei EndemolShine Germany und in der ProSiebenSat.1-Gruppe als sinnvoll empfand, zwölf Live-Shows um 20.15 Uhr zu starten, acht Folgen zwischen 20.15 und 22.30 Uhr auf Sendung zu schicken und zwei Ausgaben erst nach 23.00 Uhr zu starten. Man kann es vielleicht so auf den Punkt bringen: Bei RTL wäre dieses Sendezeiten-Schlamassel nicht vorgekommen.
Obwohl sich innerhalb von zwei Jahren fast die Hälfte aller 14- bis 49-Jährigen verabschiedeten, ist die Frage nach einem Erfolg von «Promi Big Brother» äußerst schwer zu beantworten. Es ist unklar, inwieweit Sat.1 seine Umsätze mit der Verlängerung der einen Sendewochen vor einem Jahr an Werbegelder umsetzt. Trägt die Verlegung von «Promi Big Brother – Die Late Night Show» zu Sat.1 zum finanziellen Erfolg bei und wie viel spart man mit den wohl unerfolgreichen früheren Formaten «Warm Up Show» mit Aaron Troschke und die von Claudia Obert präsentierte Webshow auf Joyn. Wie viel verdient Sat.1 mit Joyn+ an «Promi Big Brother» und hilft die Reality-Show dem allgemeinen Sat.1 zu mehr Zuschauern? Und überhaupt: Wie viel zahlt der Rewe-Konzern für die Produktplatzierung des Penny-Supermarkts?
Durch die Digitalisierung und die non-linearen Angebote sind die Reichweiten weiter gefallen. Nur noch 1,25 Millionen Menschen schalteten ein, der Marktanteil fiel auf 6,8 Prozent. 0,48 Millionen Zuschauer waren zwischen 14 und 49 Jahre alt. Doch der Marktanteil spricht Bände: Mit 10,2 Prozent wurde das bisher niedrigste Ergebnis aller Zeiten eingefahren. Was «Promi Big Brother» fehlt sind dennoch größere Stars, ein gestrafftes Konzept und eine Reduzierung auf eine Woche. Dann steigen auch die Reichweiten wieder.