32. Filmwochenende Würzburg: Die Eröffnung

Am Donnerstag begann das 32. internationale Filmwochenende in Würzburg. Zum ersten Mal boten die Veranstalter insgesamt sechs Vorführungssäle an, in denen Filmliebhaber, Kinofreaks oder Interessierte sich unkonventionale Filme anschauen konnten. Neben einem Ableger der Kinokette CinemaxX ist das regionale Corso-Kino-Center und die Bühne des Bockshorn, eine Kulturstätte unter dem Kulturspeicher Würzburgs, als Vorführort gewählt worden.

Bereits vor der offiziellen Eröffnungsveranstaltung um 19.00 Uhr liefen bereits zehn Filme an, darunter der Oscarnominierte Film «Hitlerjunge Salomon». Bei der eigentlichen Eröffnungszeremonie ging es wenig glamourös im Bockshorn zu, bei einem Sektempfang und Gesprächen zwischen Besuchern, Veranstaltern, Oberbürgermeisterin Pia Beckmann und der Presse wurde über das Filmwochenende untereinander diskutiert.

Im Rahmen der Eröffnungsveranstaltung wurde um 20.00 Uhr der Film «Viva Cuba» gezeigt. Diese kubanische-, französische- und spanische Koproduktion debattiert die zwei Freunde Malú und Jorgito, die sich im Alter von zehn Jahren in die Welt einbringen möchten. Nur ihre Familien sehen das anders. Die Mutter von Malú ist fromme Katholikin und achtet streng auf den Umgang. Die Mitglieder von Jorgitos Familie sind kompromisslose Castro-Anhänger, Parteibuch-Kommunisten mit ausgeprägtem Sinn für Linientreue. Als Malús Oma stirbt, beschließt die Mutter, ins Ausland zu gehen. Was die Frau dabei nicht erkennt, ist die unermessliche Stärke der Bindung zwischen Malú und Jorgito. Die Kinder erfahren von Plänen der Mutter und sind entsetzt. Daraufhin packen sie ihre Sachen und flüchten an das Ende der Insel, denn dort lebt Malús Vater. Nur er kann die Mutter noch umstimmen.

Einen ebensogroßen Andrang – ein völlig ausverkaufter Kinosaal – hatten die Zuschauer an dem Dokumentarfilm «Fluten» von Niels C. Bolbrinker. Im Vordergrund steht die 75jährige Mutter des Regisseurs, die unter schweren Depressionen leitet – für die Ärzte ist sie ein chronischer Fall der Psychiatrie. Sie zählt zu der so genannten Kriegskindergeneration, die in ständiger Angst vor den Nazis aufgewachsen ist. Die schrecklichen Bilder des Krieges, sexueller Missbrauch und der frühe Tod ihres ersten Mannes ließen Bolbrinkers Mutter in tiefe Depressionen verfallen. Ihr Entsetzen über den tragischen Tod ihres Ehemannes wurde in den fünfziger Jahren mit Elektroschocks behandelt. Vor gut zehn Jahren, mit dem Tod ihres zweiten Mannes, brach die Krankheit erneut aus und steigert sich bis hin zur Demenz.

Über Jahrzehnte wurde in Bolbrinkers Familie über diese Ereignisse geschwiegen. Nun versucht der Regisseur über frühe Familienfotos, Abbildungen aus dem kriegszerstörten Hamburg und Aufnahmen aus psychiatrischen Anstalten die Erinnerungen zu wecken. Er projektiert die Bilder auf im Raum installierte Stoffbahnen und lässt seine Mutter dazu reden. Doch es fällt ihr immer noch sichtlich schwer, die furchtbaren Kriegsjahre und Erlebnisse zu verarbeiten – so flüchtet sie sich wieder und wieder in Kinderreime und Gesänge.

«Fluten» versucht mittels einer individuellen Biografie die Erinnerungen der Vergangenheit zu entschlüsseln und zeigt parallel die unglaublichen Folgen der Falschbehandlungen in der Psychiatrie der Nachkriegszeit.

In der anschließenden Gesprächsrunde – die wegen Druck der nachkommenden Filme abgebrochen wurde – erklärte Niels Christian die Arbeitsbedingungen beim Dreh in einem Hamburger Altenheim.
26.01.2006 23:12 Uhr  •  Fabian Riedner Kurz-URL: qmde.de/12987