Anfang November veröffentlichte RTL+ das jüngste Werk von Ferdinand von Schirach. Eine Episode sticht besonders ins Auge.
Der deutsche Anwalt und Erfolgsautor Ferdinand von Schirach hat schon zahlreiche Werke umgesetzt. Vor knapp zwölf Jahren schrieb der in München geborene Strafverteidiger das Buch „Verbrechen“, in den zwei Jahren danach folgten „Schuld“ und „Der Fall Collini“. Doch nicht nur seine Bücher sind lesenswert, auch die Theaterstücke wie auch die Verfilmungen sind Unterhaltung auf einem ganz hohen Niveau. In «Terror» und «Gott» stehen die ausgiebigen Dialoge im Mittelpunkt. Der Anwalt Biegler wird jeweils verkörpert vom sehr bekannten und talentierten Schauspieler Lars Eidinger.
In der zweiten Hälfte von «Feinde», den Das Erste und die dritten Programme im Januar 2021 ausstrahlten, bekamen die Fernsehzuschauer einen weiteren Schlagabtausch vor dem Gericht zu sehen. Klaus Maria Brandauer schlüpfte in die Rolle des Konrad Bieglers, Neda Rahmanian war als Staatsanwältin Bentrock zu sehen. Im neuen Werk, der Moovie- und Constantin-Television-Produktion
«Ferdinand von Schirach – Glauben», ist Dr. Richard Schlesinger der Anwalt der Opfer – verkörpert von Peter Kurth.
Im zweiten Teil der vierten Episode trifft Kurth auf Ina Reuth (Katharina M. Schubert). Sie fragt ihn, ob sie mit Schlesinger reden darf und dies nicht unter Zeugenbeeinflussung falle. Er wiegelt ab, denn immerhin rede sie ja auch mit dem Staatsanwalt. Reuth will wissen, ob Schlesinger als Verteidiger eines Kinderschänders ein Teil des Verbrechens wird. „Ich verteidige nicht die Tat. Man kann nicht verteidigen, dass ein Kind missbraucht wird. Ich verteidige die Menschen“, so der Anwalt in der vierten Folge. „Sie machen sich mit dem Täter gemein“, so Reuth. „Ich bin nicht der Angeklagte“, stellt Schlesinger fest.
„Wenn eine Frau einen Mann erschlägt, dann wollen Sie doch erklären, warum er dies gemacht hat“, so die Frau. „Damit versuchen Sie die Tat zu rechtfertigen.“ Anwalt Schlesinger verteidigt sich, indem er eigentlich nur zeigen wolle, dass der Angeklagte lediglich ein Mensch sei. „Der Auftrag eines Strafverteidigers ist nicht die Suche nach der Wahrheit. Verteidigung“, so Kurth.
Er erklärt, dass ein Verteidiger seinen Mandanten dienen müsse, wie auch der Staatsanwalt die Ermittlungen voranbringen muss. Die Richter inklusive der Schöffen müssen aus den vorliegenden Fakten entscheiden, wie die Schuld ausfällt. „Es geht um Schuld. Im Mittelalter ging es lediglich um die Tat. Die Hand, die den Apfel gestohlen hat, wurde abgeschlagen. Und niemand interessierte es, ob der Junge, der den Apfel gestohlen hat, Hunger hatte. Oder verrückt ist und gerne Äpfel stiehlt. Den Richter interessierte immer nur die Tat.“
Das Zwiegespräch widmet sich dem vorgeworfenen Vergewaltigungsvorwürfen. Reuth sagt, Menschen, die Kinder sexuell missbrauchen, können keine guten Leute sein. „Sie glauben, Gerechtigkeit heißt Moral durchzusetzen.“, stellt Schlesinger fest. „Ginge es nach der öffentlichen Moral, wäre er schon längst verurteilt. Sie müssen Recht und Moral trennen!“ Der Anwalt stellt fest, dass wir innerhalb einer kurzen Zeit in einer Diktatur der angeblich Moralischen leben würden. Zwar stellen die beiden fest, dass ein Gericht immer auch ein Fünkchen Moral enthalten muss – diese aber schwankt. Ein Beispiel ist die Homosexualität, denn noch vor kurzer Zeit galt sie als krankhaft und wurde bestraft. Ein anderes Ding ist die Abtreibung, die ebenfalls noch nicht vor allzu langer Zeit moralisch verwerflich war. Heute noch sind Homosexualität und Abreibung in vielen Staaten verboten.
Es ist ein schönes Lehrstück, das Ferdinand von Schirach verfasste. Und dazu noch ein TV-Tipp:
«Ferdinand von Schirach – Glauben», seit 4. November 2021, bei RTL+. Die Serie läuft am 1. und 8. Dezember 2021 auch bei VOX.