Die Flaggschiffe des Senders haben schon viele Jahre auf dem Buckel, seit Jahren testet man nur zögerlich neue Formate. Eine kommentierende Analyse von Fabian Riedner.
Die Geschäftsführung von RTL Deutschland, bestehend aus Matthias Dang und Stephan Schäfer, haben sich im Jahr 2021 lieber mit der Markenstrategie und der Zusammenführung ihres Unternehmens mit Gruner+Jahr gekümmert, statt endlich die wahren Probleme des Senders anzupacken. Die Einführung von «RTL Direkt» war und nutzte zahlreiche Formate ab, obwohl eine Informationsoffensive zu diesem Zeitpunkt überhaupt nicht notwendig war.
Die in Köln ansässige Firma hatte bisher ein sehr erfolgreiches Mittagsmagazin namens «Punkt 12», das mit der 14.00-Uhr-Stunde die Quoten in den Keller zieht. Die Hauptnachrichten «RTL Aktuell» sind wie auch das «Nachtjournal» stets erfolgreich, dennoch drückt man sich am Picassoplatz 1 um notwenige Strukturen. Es fehlen neue und zugleich erfolgreiche Shows.
«Das Sommerhaus der Stars – Kampf der Promipaare» war inhaltlich langweilig, die Sendung wurde mit zahlreichen Teamspielen aufgeblasen. Das haben die Fernsehzuschauer gemerkt, weshalb das Interesse deutlich zurückging. Bei «Schwiegertochter gesucht» ist die Luft raus, die Gesellschaft hat sich geändert. Es ist nicht mehr lustig, Menschen nahe der geistigen Behinderung beim verzweifelten Flirten zu verfolgen. Bei diesem Image konnte auch die liebvolle Neuausrichtung keine Pluspunkte mehr sammeln – im Gegenteil, die Reichweiten sanken.
«Das Supertalent» und «Deutschland sucht den Superstar» sind inzwischen 15 respektive 19 Jahre alt. Dass die beiden Formate überhaupt noch laufen, hängt mit der stetigen Überarbeitung und Anpassung der Konzepte zusammen. Dennoch sind diese Formate inzwischen verbraucht, mehrere hunderte Episoden sind seither ausgestrahlt worden. Es gibt kaum Formate, die überhaupt mal so erfolgreich in Deutschland gewesen sind. Einen Blick auf die Quoten zeigt aber auch: Selbst mit Dieter Bohlen war man weit von den Glanzzeiten entfernt. Einzig «Bauer sucht Frau» und der internationale Ableger ist noch ein richtiger Hit, aber RTL kann damit nicht dauerhaft den Programmplan füllen.
Im vergangenen Jahr hat RTL «Ich bin ein Star – Die große Dschungelshow» eindrucksvoll vor die Wand gefahren. Normalerweise adaptiert man die gesamte englische Version fast identisch, ohne Vorlage saßen jeweils drei Promis in einem Tiny House. Dass das nicht fruchtet, war schon nach Folge eins klar. Immerhin ist man in diesem Jahr wieder unterwegs, auch wenn es in Südafrika keine Zeitverschiebung gibt. Allerdings wollte RTL Einreiseprobleme vermeiden, wie es zuletzt bei Novak Djokovic bei den Australien Open war. Da die australischen Behörden als sehr streng bekannt sind, blieben die Australier in Australien, die sonst mehrere Wochen in Südafrika drehen.
Zurzeit ist der Programmplan mit zahlreichen Specials gefüllt, doch dies kann keine dauerhafte Strategie sein. «Der Bachelor» ist ebenfalls wieder zu sehen, hat aber wie auch deren Ableger und die Quizshow «Wer wird Millionär?» an Strahlkraft verloren. Was macht man in Köln? Man kauft sich den «Bergdoktor» Hans Sigl an, der ein belgisches, wenn auch erfolgreiches, Quiz moderieren soll. Das mag funktionieren, aber die bisherigen Gehversuche waren sehr dürftig.
«Murmel Mania» mit Chris Tall ist nicht der Inbegriff der deutschen Unterhaltung, die hochwertigen Fiction-Produktionen für den Streamingdienst RTL+, die bei RTL ausgewertet werden, wie etwa der Sechsteiler «Sisi» oder die Boris-Becker-Biografie reißen keine Bäume aus. In den nächsten Wochen laufen Specials am Donnerstag, es wird weiterhin mit Informationstalks pilotiert. Das ist alles gut, aber es fehlt das Entertainment.
Unterhaltungsfernsehen ist kein Hexenwerk. Doch meist sind die Konzepte so dünn wie das Toilettenpapier auf den Universitätstoiletten. Heutzutage gilt es schon als Fernsehkonzept, wenn man eine Sendung produziert, in der die Kandidaten drei Stunden Hindernisparcours absolvieren müssen und nicht von einem Profiläufer eingeholt werden dürfen. Da hat RTL in seinen 90er Jahren weitaus komplexere und spannendere Ideen im Köcher gehabt, die Familienunterhaltung boten.