Der populistische Angriff auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk

Das Erste und das ZDF stehen zu Jahresbeginn wieder unter Druck. Die Politik will gerade die Aushängeschilder beschneiden. Dabei wäre eine konstruktive Auseinandersetzung mit der ARD wirklich interessant, denn die Unterschiede sind von Anstalt zu Anstalt gewaltig. Ein Kommentar von Fabian Riedner.

Der 51-Jährige Markus Kurze gehört seit 20 Jahren dem Landtag von Sachsen-Anhalt an und wurde zuletzt mit der „Mitteldeutschen Zeitung“ zitiert, er wolle Das Erste als „eigenständigen Kanal abschaffen“. Kurze, dessen Wahlkreis östlich von Magdeburg liegt, wurde allerdings nicht als Vertreter der Alternative für Deutschland (AfD) gewählt, sondern für die Christlich Demokratische Union (CDU). Die Partei diskutiert, nicht zum ersten Mal, wie der öffentlich-rechtliche Rundfunk deutlich reduziert werden kann.

Schon in mehreren Ländern ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk unter Druck. Vor etwa vier Jahren haben die Schweizer darüber entscheiden dürfen, ob deren Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG-SSR) keinen staatlichen Auftrag mehr übernehmen soll und somit 1,2 Milliarden Franken pro Jahr verliert. 71,6 Prozent der Schweizer wollten den Rundfunk behalten. In Großbritannien zielt Boris Johnson schon seit geraumer Zeit gegen die BBC. Seine Kulturministerin plant die Royal Charter, also den Rundfunkvertrag, nicht noch einmal zu erneuern.

Wie die Zeitung „The Mail on Sunday“ berichtete, sollen neue Möglichkeiten diskutiert werden, wie man die Fortführung der Anstalt finanzieren könne. Die Fernsehanstalt von der Insel und der britische Premierminister werden keine Freunde mehr. Seit dem Amtsantritt von Johnson im Juli 2019 und heute ist das Verhältnis schlecht. Die konservativen Tories warfen der Anstalt vor, viel zu negativ über den Brexit zu berichten. Johnson und seine Kollegen lehnen fast alle Interviews ab, teilen lieber gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk bei der Konkurrenz oder den gedruckten Zeitungen aus.

In Deutschland sind wir von solchen Zuständen – zum Glück – noch weit entfernt. Alexander Gauland (AfD) sagte zum 60-jährigen Jubiläum von «Panorama», dass er den Rundfunkbeitrag „eindampfen“ möchte. Wie er mitteilte, sei der Rundfunk einseitig und geht nur in eine Richtung. Nur in welche? Die einen schimpfen über die hohen Sportrechte, die anderen über die zahllosen gleichen Krimis und die nächsten finden, er werde zu viel Geld für Intendanten ausgegeben.

Seien wir doch ehrlich: Die Strukturen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sind sehr verzwickt und mit einem Etat von über acht Milliarden Euro pro Jahr spielt man in einer Großkonzernen-Liga. In einer solchen Größenordnung müssen sich Unternehmen stetig hinterfragen, ob ihr Geschäftsmodell und ihr Aufbau noch zeitgemäß sind. Das hat in den vergangenen Jahren schon oft geklappt, wie die trimediale Arbeitsstruktur. Heißt: Wer einen Fernsehbeitrag macht, stellt einen Radiobeitrag her und verfasst den Text für das Internetangebot.

Es gibt bei den unterschiedlichen ARD-Anstalten überhaupt keine gemeinsamen Linien: Der bayerische Rundfunk hat als einziger Sender eine eigene Vorabendserie, aber unterteilt die Regionalmagazine nur in Nord und Süd. Unterdessen leistet sich der WDR elf verschiedene Lokalstudios. Bei einigen Beiträgen muss man sich fragen, ob die «Lokalzeit» kein Informationsmagazin ist, sondern eine Beschäftigungsmaßnahme. Beim hr Fernsehen gibt es unterdessen bei der «hessenschau» und «maintower» keine regionale Unterteilung.

Beim Blick auf die defizitären Abteilungen Radio Bremen und Saarländischer Rundfunk muss ebenfalls das Angebot hinterfragt werden. Das Saarland hat etwas mehr als eine Million Einwohner, der seit 1. Mai 2021 im Amt befindende Intendant Martin Grasmück unterhält fünf eigenständige Radiostationen. Der Norddeutsche Rundfunk, der finanziell gut aufgestellt ist, produziert mit Deutschlandfunk Kultur eine Podcast-Serie über den Monobloc, ein Plastik-Stuhl.

Journalisten, die sich in die Materie „öffentlich-rechtliches Fernsehen“ einarbeiten bleiben oftmals ratlos zurück. Jede der neun Anstalten unterhält zahlreiche Abteilungen, die wiederrum viele Regionalbüros haben. Es wird allerdings nicht mehr ein Programm produziert, um zu unterhalten oder um zu informieren, sondern als Arbeitsbeschäftigungsmaßnahmen. Der Norddeutsche Rundfunk ist fast im gesamten Norddeutschland zuständig, nur für den Stadtstaat Bremen gibt es die Anstalt radiobremen, die jährlich Millionen verschlingt. Nicht nur die 44 Millionen Euro aus Beiträgen, sondern weitere 50 Millionen von den anderen ARD-Anstalten.

Fazit: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland ist riesig, schwerfällig und eine gigantische Behörde. Eine Diskussion über eine Reform, wenn nicht sogar mehrere, ist angebracht. Aber bitte auf keinem populistischen Niveau, sondern auf eine konstruktive Art und Weise. Doch bislang ist kein sinnvoller Prozess gestartet worden, um ARD und ZDF fit für die Zukunft zu machen. Übrigens: Mittlerweile ruderte Kurze zurück, Das Erste könne ja das „Schaufenster der Regionen“ werden. Aber dafür haben wir doch die Dritte.
01.02.2022 11:50 Uhr  •  Fabian Riedner Kurz-URL: qmde.de/131963