Ein ausdrucksstarkes Epos des US-amerikanischen Autors Thomas Savage.
Der Roman "Die Gewalt der Hunde" (1967) des US-amerikanischen Autors Thomas Savage (1915-2003) lässt sich zunächst einmal recht eindeutig als klassischer Western- bzw. Wildwest-Roman charakterisieren, ist jedoch bei näherem Hinsehen deutlich vielschichtiger. Schauplatz ist eine Ranch in Montana in den 1920ern, Protagonisten sind die ungleichen Brüder Phil und George Burbank. Als George die verwitwete Rose heiratet (die auch einen Sohn mit in die Ehe bringt) und mit ihr auf die Ranch zieht, löst dies einen Konflikt zwischen den Brüdern aus, der den ganzen Roman beherrscht. Phil bekämpft mit aller Macht seinen Bruder, dessen Ehefrau und ihren Sohn. Die Verachtung, die Phil für seinen Bruder und dessen neue Familie empfindet, wird (auch) damit erklärt, dass Phil sich gleichsam in einem Kampf gegen seine Homosexualität befindet, die er bereits sein Leben lang unterdrückt.
In Savages Roman mischen sich somit traditionelle Handlungsstränge von Western-Erzählungen (das Ranch-Leben, Problematiken der Industrialisierung) mit klassischen biblischen Metaphern und Handlungsmotiven (der Bruderzwist). Jedoch weist der Roman trotzdem eine erstaunliche Aktualität auf - so wird anhand von Phil nicht nur das Themenspektrum Homosexualität, sondern auch die Männlichkeit an sich verhandelt. Phil versucht (um seine Homosexualität zu verbergen) in seinem Verhalten ganz dem tradierten Ideal des starken, gefühlsbefreiten, zupackenden Mannes zu entsprechen - und verachtet seinerseits alle Männer, die diesem Ideal nicht entsprechen, die schwach oder sensibel zu sein scheinen. Unter diese Kategorie fällt z.B. auch Roses Sohn.
Wie alle Romane von Thomas Savage ist auch "Die Gewalt der Hunde" von autobiografischen Aspekten geprägt: die Handlungsorte sind die, an denen der Autor selbst in seiner Kindheit lebte, und Savage ist selbst homosexuell und verließ zeitweise seine Familie, um mit einem Mann zusammenzuleben. Auch die spätere Alkoholabhängigkeit von Rose scheint an Savages eigene Mutter angelehnt zu sein, die süchtig wurde.
"Die Gewalt der Hunde" war lange Zeit nicht auf Deutsch verfügbar - erst seit 2021 gibt es eine Ausgabe in deutscher Übersetzung. Ebenfalls im Jahr 2021 wurde eine Verfilmung unter der Regie von Jane Campion veröffentlicht.
Fazit: "Die Gewalt der Hunde" ist ein bildgewaltiges Westernepos, das an Aktualität und Eloquenz nichts verloren hat.