Marko Wendrichs ist eine ehrliche Haut. Der Verkaufsfahrer für ein Tiefkühlkostunternehmen, ist stets pünktlich, freundlich, hilfsbereit. Als ihn ein Rückenleiden von einem Tag auf den anderen aus dem Job zu katapultieren droht, eröffnet sich ihm eine überraschende Chance, in Zukunft trotzdem noch gut über die Runden zu kommen: vorausgesetzt, er nimmt es mit der Ehrlichkeit nicht mehr so genau.
Stab
Regie: Ute Wieland
Buch: Maximilian Kaufmann
Kamera: Eeva Fleig
Schnitt: Dunja Campregher
Kostüme: Elena Wegner
Ton: Torsten Többen
Produzent: Michael Eckelt
Redaktion: Patrick Poch
Darsteller: Axel Prahl, Merlin Rose, Christine Schorn, Inge MauxEines vorweg: Mit Axel Prahl kann man nichts falsch machen. Die Rolle des Marko Wendrichs ist eine Maßanfertigung für den Hamburger Schauspieler. Marko ist ein wirklich netter Kerl. Er ist auf den Straßen von Hamburg unterwegs und beliefert vor allem ältere Kundinnen und Kunden, wobei die Betonung auf Kundinnen liegt. Mit seiner freundlichen Art kommt er einfach gut bei den älteren Damen an, wie etwa bei der Witwe Charlotte: Schließlich zieht Marko sogar die Schuhe aus, wenn er die Wohnung betritt. Und wenn es mal Gratispröbchen gibt, bleibt er auch mal zum gemeinsamen Auslöffeln derselben vor Ort. Der Witwer ist einfach ein warmherziger Kumpeltyp. Allerdings hat er neuerdings ein Problem: Sein Rücken macht ihm zu schaffen. Leider sind es nicht nur die üblichen Verschleißerscheinungen, die sein Job so mit sich bringt. Die Probleme gehen tiefer. De facto steht er vor der Berufsunfähigkeit, was auch seiner Firma nicht verborgen bleibt, für die er nur eine Nummer in einem Wagen ist.
Als er eines Tages einer treuen Kundin sein Leid klagt und daraufhin ihre Einladung zu einem gemeinsamen Abend annimmt (rein platonisch, versteht sich!), schläft er in ihrem Haus ein. Am anderen Morgen ist seine – durchaus gut betuchte Stammkundin – tot. Friedlich ist sie auf der Couch im Schlaf gestorben. Selbstverständlich will Marko sofort ihren Tod melden: da erblickt er jedoch ihre goldene Kreditkarte auf einer Kommode und er fragt sich, ob es nicht noch etwas Zeit hat, das Ableben der alleinstehenden Dame zu melden. Tatsächlich vermisst sie, so tragisch das auch klingen mag, niemand.
Das also ist die Ausgangssituation einer Tragikomödie, die leider keine echten Funken fliegen lassen kann. Was definitiv nicht Hauptdarsteller Axel Prahl anzulasten ist, der diesen Marko Wendrich als einen redlichen Kerl darstellt, der eine Gelegenheit bekommt. Und sagt nicht schon der Volksmund, „Gelegenheit macht Diebe“?
Marko will ja eigentlich nur über die Runden kommen und ein guter Vater sein. Sein Sohn will studieren. Von dem, was Marko verdient, können die beiden leben. Aber große Sprünge sind nicht drin. Und nun wird er auch noch mit dem Ende seiner Berufslaufbahn konfrontiert – wer sucht denn schon Endfünfziger mit kaputten Rücken? Da kann man sogar verstehen, dass er diese Gelegenheit nicht an sich vorbeiziehen lässt. Was aber gar nicht so einfach ist, wenn man ein von Grund auf anständiger Mensch ist. Prahl bringt das sympathisch rüber, er trägt den Film und mag Autor Maximilian Kaufmann auch in der Pressemappe zum Film damit zitiert werden, dass er die Geschichte ohne eine konkrete Schauspielerwahl vor Augen geschrieben haben mag, so stimmt einfach alles an der Besetzung des Marko Wendrich mit Axel Prahl, einem Schauspieler, der am Ende aber auch nicht gegen die eklatante Schwäche von «Eisland» ankommt: Dem Fehlen von Humor. «Eisland» möchte eine Komödie sein, jedoch hat sie offenbar Angst zu humorvoll des Weges zu kommen. Die Tatsache, dass Marko einen Tod vertuscht und sich am Geld der Verstorbenen bedient, sie hängt wie ein bleierner Schatten über der Inszenierung. Natürlich ist das, was Marko macht, falsch. Aber gerade, weil er eine so sympathische Figur ist, wäre es ein Leichtes, über seine Verfehlungen hinwegzuschauen. Als würde dies allerdings einem öffentlich-rechtlichen, pädagogischen Auftrag widersprechen, muss Marko natürlich immer wieder mit seinem Tun konfrontiert werden: Und zwar auf die nachdenkliche Art. Dabei steckt in «Eisland» tief verborgen sogar eine Schwarze Komödie. In einem kurzen Moment wird sie sichtbar, nämlich in dem Augenblick, in dem Marko den Tod seiner Gastgeberin feststellt und sich überlegt, wie er ihren Tod am besten vor der Welt verbergen kann. Er ist ja ein Lebensmittellieferant, der mit einem Eiswagen herumfährt: Und bekanntlich hält so eine ordentliche Kühlung nicht nur Waren frisch...
Leider aber ist dies wirklich nur ein ganz kurzes Aufflackern einer schwarz-komödiantischen Geschichte, die in der Handlung steckt, ohne, dass sie weiter verfolgt würde. Sicher, Markos Handeln mündet nie in einer Tragödie shakespearescher Dramatik. Dennoch gelingt es «Eisland» nie wirklich, den Gefilden des Dramas zumindest so weit zu entkommen, dass sie einem zweiten Genre, der Komödie, einen warmen Platz unter ihrer Decke bieten könnte. Die Komödie bleibt angedeutet. Entfalten kann sie sich nicht.
Fazit: Ein bärenstarker Hauptdarsteller und eine starke Grundprämisse stehen einer Inszenierung gegenüber, die sich nicht traut, das Komödiantische in der tragischen Geschichte freizulassen.
Postskriptum: In einer Nebenrolle tritt Roland Kaiser als er selbst auf. Nach dem «Tatort: Summ, summ, summ» aus dem Jahre 2013 ist dies der zweite Film, in dem der Schlagersänger als Schauspieler an der Seite von Axel Prahl agiert.
Am Mittwoch, 16. Februar 2022, 20.15 Uhr, Das Erste