Stephan Lacant: ‚Eine komplexe Geschichte‘

Ein Überfall löst eine fatale Kettenreaktion aus, die Lacant verfilmte. Quotenmeter sprach mit dem Regisseur über die neue UFA Fiction-Serie.

Hallo Herr Lacant. Sie studierten zunächst im Ruhr-Gebiet Theater-, Film und Fernsehwissenschaften. Danach waren Sie in New York – Was haben Sie dort gelernt, was Sie hier nicht mitbekommen haben?
Was ich aus fünf Jahren New York vor allem mitgenommen habe, war auf jeden Fall Lebenserfahrung. Es ist nicht so leicht, sich dort durchzuschlagen und in der Independent-Filmszene Fuß zu fassen. Bei meiner Regieausbildung am Stella Adler Conservatory lag der Fokus sehr auf Schauspielführung. Wir mussten dort selbst viel spielen und haben quasi am eigenen Leib erfahren, welche Art von Kommunikation hilfreich ist und welche nicht. Das hat meine Erfahrung im Filmemachen und die Arbeit mit Schspieler:innen sehr bereichert.

Sie haben mehrere Kurzfilme gedreht, die nur auf Festivals gezeigt wurden. Waren Sie enttäuscht, dass Ihnen damit die große Bühne verwehrt wurde?
Nein, eigentlich nicht. Die Filme liefen auf vielen Festivals, auf denen man erste Berührungen mit der Filmszene bekommt. Außerdem ist bei Kurzfilmen viel weniger Geld im Spiel und man hat mehr Freiheiten, sich in alle möglichen Richtungen auszuprobieren.

Sind Ihre Filme inzwischen auch bei einem Streamingdienst aufrufbar?
Ja, da ist viel in Bewegung und ich freue mich immer, wenn ich sie oft zufällig auf Plattformen entdecke. Die meisten Filme sind auf Amazon oder Netflix erhältlich. Vor allem «Freier Fall» ist weltweit auf diversen Plattformen vertreten.

Vor fünf Jahren folgte «Toter Winkel» für Das Erste, für dessen Inszenierung Sie gefeiert wurden.
Von der Emmy- und Banff-Nominierung für «Toter Winkel» war ich wirklich überrascht. Das war ein tolles Erlebnis, dass mir gezeigt hat, dass man auch mit einem vergleichsweise kleinen Budget gegen große, internationale Produktionen durchaus konkurrieren kann. Bei dem Film kamen viele Faktoren zusammen - das unglaublich starke Drehbuch von Ben von Rönne, Caren Tönnissen als inspirierende Redakteurin, Hans Geißendörfer als mutiger Produzent und Michael Kotschi als Kameramann, mit dem gemeinsam wir immer wieder versuchen, den Kern jeder einzelnen Szene erzählerisch auszuloten.

Am 4. März startet die Ausstrahlung von «Der Überfall» im ZDF. Worauf können wir uns freuen?
Auf eine rasante, unterhaltsame, komplexe, emotionale, auch tiefgreifende Geschichte aus der genialen Feder von Stefan Kolditz und Katja Wenzel. Auf ein hervorragende Schauspielensemble. Auf Drama und Spannung und zahlreiche unerwartete Wendungen.

«Der Überfall» soll etwas Besonderes sein – Sie sprachen über eine multiperspektivische Erzählweise. Was unterscheidet Ihre Serie von vergleichbaren Ansätzen wie beispielsweise «8 Zeugen»?
Ob es etwas Besonderes ist, muss letztlich der Zuschauer entscheiden. Wir haben auf jeden Fall unser Bestes gegeben. Im Unterschied zu zum Beispiel «8 Zeugen», der ein Event aus unterschiedlichen Blickwinkeln erzählt, folgt «Der Überfall» 6 Tage lang den unterschiedlichsten Menschen, deren Lebenslinien sich ohne den Überfall auf einen kleinen Supermarkt wahrscheinlich nie gekreuzt hätten. Jetzt sind sie alle miteinander verbunden - sei es schicksalhaft oder zufällig. Alles hängt miteinander zusammen. Und jede Entscheidung des einen, beeinflusst das Leben des anderen...

Der Cast hat zahlreiche interessante Gesichter vorzuweisen: Filmstar Katja Riemann, Lola-Gewinnern Lorna Ishema oder Soapstar Alissa Jung.
Gemeinsam mit der Casterin Suse Marquardt, den Redakteurinnen Caroline von Senden/Alex Staib, dem Produzenten Benjamin Benedict und den Autoren, haben wir sehr genau hingeschaut, immer wieder verworfen und die Figuren neu hinterfragt, bis wir nach über einem haben Jahr intensiver Castings unser wirklich tolles und besonderes Ensemble beisammen hatten.

Die neue Serie stellt wichtige Fragen ans Leben – die ich Ihnen stellen möchte: Wer sind Sie im Kern? Was macht Sie tief im Inneren aus? Warum tun Sie Dinge, die Sie tun? Gibt es nur die eine Wahrheit, oder hat jeder Mensch seine eigene?
Für mich ist es wichtig, dass eine Geschichte, neben den Unterhaltungsaspekten, auch essentielle Fragen an unser Leben stellt. Wie und womit verbringen wir unsere doch recht überschaubare Lebenszeit auf dieser kleinen, sich um eine von Milliarden Sonnen (allein in unserer Galaxie) drehende Kugel? Welche Entscheidungen treffen wir? Wie Empathiefähig sind wir? Sind wir in der Lage, unser Ego irgendwie in Relation zu stellen? Filmmomente, die mein Leben geprägt haben, hatten schon immer etwas mit diesen philosophischen Grundfragen zu tun - zum Beispiel Rutger Hauer als Replikant, der in «Blade Runner» seinem Schöpfer Tyrell gegenübertritt: ‚Vater, ich will mehr Leben…‘. Selbst der letzte Craig-Bond wird mit einem Zitat von Jack London abgerundet: 'Die wahre Aufgabe eines Menschen ist es, zu leben, nicht nur zu existieren. Ich soll meine Tage nicht dazu verschwenden, sie zu verlängern. Ich soll meine Zeit nutzen.'

Gibt es aktuell Serien, die Sie gerne konsumieren?
Momentan schaue ich «Succession» und «Euphoria». Es gibt eine Menge herausragender Serien.

Vielen Dank für das Gespräch!

«Der Überfall» (UFA Fiction) ist seit Freitag, den 25. Februar 2022, in der ZDF Mediathek zu sehen. Am 4. März erfolgt die Ausstrahlung um 21.15 Uhr im ZDF.
28.02.2022 11:49 Uhr  •  Fabian Riedner Kurz-URL: qmde.de/132729