Seit 1989 flimmern sie auf den TV-Bildschirme. Aber ist der Zenit der gelben Familie nicht schon längst überschritten?
Mit über 720 Episoden ist Matt Groenings Serie diejenige, die am meisten Folgen für sich verbuchen kann. Erzählt wurden sie in bisher 33 Staffeln, Tendenz steigend. Dass eine 34 Staffel produziert wird, bzw. längst vollendet wurde, ist selbstverständlich, ebenso wie weitere Staffeln. Doch in der nicht enden wollenden Produktion von weiteren Folgen muss man sich eines in Erinnerung rufen: «Die Simpsons» sind keine reine Erfolgsgeschichte, vor allem dann nicht, wenn man sich die inhaltliche Qualität der letzten Staffeln vor Augen hält. Auch die Einschaltquoten sind seit der Erstausstrahlung Ende 1989 gefallen, zwar schleichend, aber konstant. Während die Serie ihr absolutes Hoch mit der ersten Folge der zweiten Staffel erreichte und sich in den USA 33,6 Millionen Zuschauer Bart Gets an “F” (deutscher Titel: der Musterschüler) anschauten, kommen die Folgen der aktuellen Staffel durchschnittlich gerade einmal auf vier Millionen.
Es ist unmöglich eine Serie von über 660 Folgen auf einem qualitativ hochwertigen Niveau zu halten. Selbst Hochkaräter wie
«Die Sopranos» (1999-2007),
«Breaking Bad» (2008-2013) oder
«Game of Thrones» (2011-2019) können ihre einzelnen Staffeln nicht immer an dem Qualitätsstandard ihrer besten Folgen ausrichten. Eine Serie wie «Die Simpsons», die sich nicht an einer durchgehenden übergeordneten Handlung orientiert, wie die zuvor genannten Serientitel, hat es dazu noch umso schwieriger. Als die qualitativen Highlights der gelben Köpfe gelten Folgen wie „Cape Feare“ („Am Kap der Angst“, Staffel 5/ Episode 2), „Homer‘s Enemy“ („Homer hat einen Feind“, Staffel 8/ Episode 23) und die beiden kultigen Episoden „Who Shot Mr. Burns?“ („Wer erschoss Mr. Burns?“, Staffel 6/ Episode 25, Staffel 7/ Episode 1). Auch die „Treehouse of Horror“-Folgen, die immer pünktlich zu Halloween erscheinen, zählen zuverlässig zu den kreativsten Höhepunkten. Doch mittlerweile sind qualitativ herausragende Folgen rar gesät, was sich auch an den Einschaltquoten wiederspiegelt. Allerdings muss auch gegen gehalten werden, dass Disney mit seinem Streamingdienst Disney+ Geld verdienen will und dort auch die Geschichten entsprechend nachgefragt werden.
Von der Kritikerrezeption her sind die bis dato letzten Staffeln «Die Simpsons» bestenfalls durchschnittlich aufgenommen worden. Die bekannten Highlights und besten Rezensionen stammen nahezu ausnahmslos aus den früheren Staffeln bis etwa zur zehnten. Es wirkt fast so, als ob sich die Kultserie nur noch aus denselben Running Gags zusammensetzt, ohne dabei neue Impulse zu fördern.
Im Englischen gibt es den Sprachgebrauch
Jumping the shark. Dies steht dafür, dass etwas ehemals Populäres versucht, durch drastische Änderungen an alte Erfolge anzuknüpfen. Meistens wird
jumping the shark im Kontext bei Serien verwendet, die ihre beste Zeit längst überschritten haben und nun versuchen ihr vergeblich hinterherzurennen. Leider lässt sich dieses Phänomen auch bei «Die Simpsons» beobachten. Doch es wäre übertrieben davon zu sprechen, dass es sich bei Matt Groenings gelben Kosmos um eine qualitativ schlechte Serie handeln würde. Das Problem dabei ist, dass sich «Die Simpsons» ihre Messlatte in den frühen Staffeln selbst so hoch gelegt haben, dass sie nur noch schwerlich erreicht werden kann. Wie kommt die Kultserie also aus dieser Zwickmühle heraus?
Momentan wird die Serie
«Disenchantment» (2018-laufend) auf Netflix überwiegend lobend hervorgehoben. Der Mix aus Fantasy-Persiflage und Simpsons-Humor stammt aus der kreativen Feder von Matt Groening selbst, der damit wieder einmal beweist, dass er auch für Projekte abseits seiner größten Serie zu haben ist. Zugegeben, Groenings neue Serie wird nicht völlig über den grünen Klee gelobt. Laut dem Kritiker Brian Tallercio der renommierten Seite rogerebert.com kann die Handlung nicht über die kompletten zehn Folgen tragen und kommt natürlich nicht an den Simpsons-Humor aus deren Glanzzeiten heran. Dennoch ist sich die Kritikerschaft einig, dass man einer zweiten Staffel durchaus positiv entgegen sieht.
Wie bereits
«Futurama» (1999-2003) ist auch «Disenchantment» der Vorstoß in ein für Groening fremdes Genre, mit dem er gleichzeitig beweist, dass seine Kreativität als Schreiber und Zeichner bei Weitem noch nicht erschöpft ist. Anstatt weitere Ressourcen auf den Fortbestand von «Die Simpsons» zu verwenden könnte man sich auch an neuen und innovativen Animationsserien à la
«Rick and Morty» (2013-laufend) orientieren. Mit einem derart starken und populären Zugpferd wie Matt Groening wäre darin sicherlich erhebliches Potenzial vorhanden.
Was wäre aber ein würdiger und dennoch finaler Abschluss von «Die Simpsons»? Schaut man elf Jahre zurück, trifft man auf
«Die Simpsons – Der Film». Der 2007 erschienene Kinofilm spielte über eine halbe Milliarde US-Dollar ein und zählt damit zu den Top 200 der erfolgreichsten Filmen aller Zeiten. Der kurzweilige und humorvolle Film traf sowohl bei Kritikern, als auch den Fans auf großes Wohlwollen und ist bis heute eine sichere Bank für die TV-Sender (
mehr dazu hier). Eine derart populäre und einflussreiche Serie wie «Die Simpsons» hat einen ebenso großen Abschluss verdient, wozu ein zweiter Simpsons-Kinofilm ideal geeignet wäre. Mit dem entsprechenden Budget und kreativer Freiheit könnte man noch einmal die Hochzeit der gelben Charaktere aufleben lassen, um ihnen ein angemessenes Ende zu schenken. Mit einem Absetzen der Serie wären die liebenswürdigen Springfield-Einwohner auch keineswegs aus der Popkultur verschwunden. Dafür haben sie sie über die Jahrzehnte zu aktiv mitgestaltet, sich in ihr ausgelebt, sie referenziert und beeinflusst. Und wer sagt, dass ein zweiter Simpons-Film der letzte sein muss? Anstatt die Serie weiter in ein Quotentief absteigen zu lassen könnte man auch in einem fünf oder drei Jahresrhythmus einen großen Simpsons-Film produzieren, um ihre Bedeutung und Erfolge weiter aufrecht zu halten.
Die Kuh wird gemolken, bis sie keine Milch mehr gibt und «Die Simpsons» laufen, bis sie keinen mehr interessieren. Hoffentlich folgt der US-Sender FOX nicht diesem Motto und gesteht einem ihrer größten Zugpferde ein würdiges Ende oder zumindest ein Pause mit angemessener Länge.