Die Renaissance des Westerns geht weiter, diesmal bei Amazon Prime Video, mit einer gehörigen Brise Sci-Fi.
Mit dem gigantischen Erfolg von «Yellowstone», das seit dem Sendestart im Jahr 2018 Rekordquoten einfährt, die sowohl im US-amerikanischen Kabel- als auch Networkfernsehen ihresgleichen suchen, war es nur eine Frage der Zeit, bis auch andere Fernsehsender und Streaminganbieter auf den Westernzug aufspringen. Paramount+ hat mit dem Yellowstone Prequel «1883» in diesem Jahr vorgelegt, welches direkt zu dessen erfolgreichster Eigenproduktion mutierte. Bei AMC+ ist jüngst «That Dirty Black Bag» gestartet, The CW hat ein Prequel zu Walker bestellt und Amazon bringt mit «Outer Range» nun ebenfalls eine Westernserie.
Wer lediglich die Synopsis zur Serie betrachtet, könnte auf den ersten Blick meinen, die Autoren hätten eine 1:1 Kopie von «Yellowstone» geschrieben, nur mit Josh Brolin statt Kevin Costner in der Hauptrolle. Doch nach nur einigen Minuten wird deutlich, wie weit diese Einschätzung von der Realität entfernt ist. Zwar dreht sich die Erzählung auch hier um einen Ranchbesitzer, der zusammen mit seiner Familie das Familieneigentum, um jeden Preis zu verteidigen bereit ist und in «Hatfields & McCoys» Manier ist auch die antagonistische Konkurrenzfamilie nicht weit entfernt, doch wurde bei «Outer Range» wohl ganz bewusst auf die Massenkompatibilität verzichtet, die den Erfolg von «Yellowstone» auszeichnet. Weder darf sich der Zuschauer auf hell leuchtende, weitläufige Landschaftsaufnahmen in Dauerschleife einstellen, noch auf den Seifenopercharme, den «Yellowstone» bis zu einem gewissen Grad ausmacht. Stattdessen müssen die Augen fest zusammengekniffen werden, denn «Outer Range» ist düster und das in mehrfacher Hinsicht.
Ein nicht unbeträchtlicher Teil der Handlung findet nachts statt, ohne, dass eine übermäßig künstliche Aufhellung des Bildes erfolgt, wodurch häufig nicht wirklich viele Details erkennbar sind. Selbst bei den Tageslichtszenen wirkt es immer wieder so als wäre das Bild gedämpft, um stilistisch eine gewisse Tristheit zu erzeugen. Neben der visuellen Komponente gibt es zudem auch die Protagonisten betreffend nicht viel Licht im Schatten. Die Charaktere sind allesamt nur schwer zugänglich, in den beiden Auftaktfolgen findet äußerst wenig Charakterzeichnung statt, was zur bedrückenden Grundstimmung beiträgt.
Dass zudem das Science-Fiction Element der Serie aus einem großen schwarzen Loch inmitten des Feldes von Royal Abbott (Josh Brolin) besteht, rundet die Dunkelheit, die die Serie umgibt, ab. Schauspielerisch kann sich aufgrund der erwähnten zaghaften Charakterzeichnung noch kein Darsteller übermäßig profilieren, wobei Brolin als großer Name der Produktion und Imogen Poots als mysteriöse Unbekannte noch am ehesten Interesse wecken.
Bisher schafft es «Outer Range» zwar ein gewisses Grundinteresse zu wecken, beim Zusammenspiel von Sci-Fi und Western in einem düsteren Setting will der Funke allerdings noch nicht gänzlich überspringen. Insbesondere die unzugängliche Charakterzeichnung samt eindimensionaler Nebencharaktere sowie die Science-Fiction Komponente um das schwarze Loch, welches scheinbar ein Tor in eine alternative Dimension darstellt und damit den Kreis um das Hauptthema der Serie „Dunkelheit“ schließt, indem sich etwas unkreativ beim Netflix Hit «Dark» bedient wurde, macht es schwierig der Serie einen übermäßigen Vertrauensvorschuss zu gewähren. Auch die strenggläubig christliche Religionsthematik, die dominant in den beiden Auftaktfolgen zum Vorschein trifft, wirkt bisher wenig schlüssig und eher deplatziert.
«Outer Range» ist in vielen Aspekten eine Art Anti-«Yellowstone» geworden, auch was höchstwahrscheinlich das Zuschauerinteresse betrifft. Die Serie ist visuell schwer zugänglich, bisher wecken lediglich Brolin und Poots zaghaftes Interesse und handlungstechnisch besteht ernstzunehmende Gefahr, sich mit der Science-Fiction Komponente schnell in Logiklöchern zu verfangen.
Outer Range läuft seit dem 15.04.2022 bei Amazon Prime Video.