Caren Blumbergs Nieren sind geschädigt. Ihr Ehemann Sebi würde ihr eine Niere spenden, allein würde Carens Körper seine Spende abstoßen. Auch Birthe wäre bereit, ihrem Ehemann Jan eine solche Spende zukommen zu lassen. Doch auch sie würde nichts bringen. Ihr behandelnder Arzt schlägt den Ehepaaren eine Spende über Kreuz vor. Die aber bewegt sich in einer rechtlichen Grauzone.
Stab
REGIE: Dagmar Seume
BUCH: Annika Tepelmann, Dagmar Seume
KAMERA: Friederike Heß
SCHNITT: Ingo Recker, Benjamin Ikes
MUSIK: Fabian Römer, Steffen Kaltschmid
PRODUCERIN: Katrin Kuhn
DARSTELLER: Annette Frier, Christina Hecke, Benjamin Sadler, André Szymanski, Philip Noa Schwarz, Lewis Köhl, Ava Montgomery, Johannes Ahn, Ilknur Boyraz
Caren ist Mutter zweier Söhne. Finanziell geht es ihr und ihrem Ehemann blendend. Beide könnten das Leben an sich in vollen Zügen genießen: Wäre Caren nicht erkrankt. Ihre Nieren versagen aufgrund einer genetisch bedingten Erbkrankheit. Ihr einziger Trost in dieser Zeit stellt die Tatsache dar, dass eine Testung ihrer Söhne ergeben hat, dass sie wohl von dieser Erkrankung verschont bleiben werden. Acht Jahre beträgt die durchschnittliche Wartezeit auf ein Spenderorgan. Caren wird jedoch keine acht Jahre mehr haben. Ihr Mann Sebi wäre sofort bereit, eine Niere für seine Frau zu spenden. Die Voruntersuchungen aber haben ergeben, dass seine Spende von Carens Körper nicht angenommen würde.
Auch Birthe und Jan könnte es ganz gut gehen. Sie haben eine Tochter und leben zusammen in einem netten Häuschen. Sicher ist das alles eine Nummer kleiner als bei Caren und Sebi, aber emotional und materiell fehlt ihnen nichts. Alles könnte so schön sein, wenn Jan nicht an einer Niereninsuffizienz leiden würde, die in absehbarer Zeit zu einem Nierenversagen führen wird. Auch Birthes Bereitschaft einer Spende ist ohne Nutzen, denn auch Jans Körper würde Birthes Spende abstoßen.
Es ist ein Zufall, der die beiden Ehepaare zusammenführt. Beim Aktenstudium entdeckt Carens Arzt zufällig eine mögliche Kompatibilität. Birthes Nierenspende würde Caren helfen, Sebis Spende Jan. Eine Überkreuzspende. Der Arzt bittet die beiden einander unbekannten Ehepaare in sein Büro und klärt sie über die sich zufällige Möglichkeit auf. Jedoch sind solche Spenden in Deutschland schwierig, wenn nicht gar unmöglich. Lebendspenden sind eigentlich nur im Umfeld enger Verwandter oder durch Ehepartner erlaubt. Allerdings gibt es eine Grauzone. Wenn Menschen emotional eine besondere Verbundenheit aufweisen, sprich, wenn sie gute (oder besser: beste) Freunde sind, dann gibt es Ausnahmen. Allerdings reicht es nicht aus, ein Formular auszufüllen und zu behaupten, einander emotional verbunden zu sein. Vielmehr müssen sie vor einer Spende vor einer Ethikkommission ihre Verbundenheit glaubhaft machen.
Für Jan und Caren tickt die Uhr. Das bedeutet, dass die beiden Familien schnell beste Freunde werden sollten.
Tragikomisch soll der Film sein, heißt es in der Ankündigung des ZDF für die Bericht erstattende Presse. Tragisch ist «Leben über Kreuz» durchaus. Aber komisch? Schnell stellen die beiden Familien nämlich fest: Sie mögen sich nicht besonders. Sebi und Caren, stilbewusst, gutverdienend, mit der unbewussten Überheblichkeit der sogenannten kulturellen Elite „gesegnet“, schauen auf die kleinbürgerlichen Kempes herab. Darüber hinaus leidet Jan Kempe seit der Diagnose seiner Erkrankung an Depressionen und spielt ernsthaft mit dem Gedanken, sich das Leben zu nehmen. Caren hingegen überlegt trotz Risiken und hoher Kosten, sich im Ausland eine Spenderniere zu besorgen, was wiederum ihrem Mann widerstrebt. Und Sebi, als erfolgreicher Unternehmer gewohnt, seinen Willen durchzusetzen, gerät mit den Kempes an seine persönliche Grenze. Die Nerven liegen blank. Beide Paare verstricken sich immer mehr in Streitereien, untereinander und gegeneinander. Auf der Strecke bleiben dabei ihre Kinder, die sich in diesem Streit übergangen und in ihren Ängsten alleingelassen fühlen. Hinter dem Rücken der Eltern schmiedet Livia, die 15-jährige Tochter der Kempes, Fluchtpläne mit Torben, dem pubertären Sohn der Blumbergs. Sie hat die Nase von den Streitigkeiten voll und spürt, dass es Torben ganz ähnlich ergeht. Die beiden fühlen sich zueinander hingezogen, da sie einander verstehen.
Ideen werden verschenkt
Komisch ist in diesem Film nichts, selbst wenn man bedenkt, dass „tragikomisch“ ein sehr dehnbarer Begriff ist. Natürlich kann eine Tragödie komisch sein und eine Komödie durchaus tragisch. Die Grenzen sind fließend, Komödie und Tragödie sind oft nur zwei Seiten Medaille. In einer explizit als tragikomisch definierten Geschichte sind es in der Regel situative Begebenheiten, die zum Schmunzeln Anlass geben, die die Schwere der Geschichte brechen und die so etwas wie Hoffnung am Ende der Filmrolle vermuten lassen. Um es kurz zu machen: Solche Momente sucht man in diesem Film vergeblich. Tatsächlich wirkt «Leben über Kreuz» irritierend mutlos, obwohl die Ausgangssituation jenseits des dramatischen Aspektes – nämlich der Clash of Cultures zwischen den Blumbergs und den Kempes – an sich pures Komödienfutter geboten hätte. Auf der einen Seite die wohlhabenden Snobs, auf der anderen die kleinbürgerlichen Malocher, die sich zusammenraufen müssen.
Klar wäre das Thema für eine durchaus komische Geschichte herausfordernd, um nicht zu sagen, zu ernst. Aber die Kunst der, nun ja, Kunst besteht darin, Erwartungen zu brechen. Warum also nicht komödiantisch an die Thematik herangehen? Offenbar ist das auch die Ursprungsidee dieser Geschichte gewesen, sonst hätte sie kaum das Szenario der zwei so unterschiedlichen Familien ersonnen. Es ist ja keine Überraschung, dass diese Unterschiedlichkeit zu Spannungen führen wird. Wie aber werden sich diese Spannungen entladen? Eher komödiantisch? Oder in dunkler Dramatik?
Irgendwo auf dem Weg von der Idee über die Vorproduktion hin zum Dreh haben sich die Kreativen für den Weg der Dramatik entschieden, was wiederum zur Folge hat, dass die Zuschauerschaft zwei Familien kennenlernt, die beide nicht sonderlich sympathisch sind.
Caren ist überheblich, Sebi aufbrausend. Positive Charaktereigenschaften sind das schon einmal nicht. Birthe ist allerdings ebenfalls eine ziemlich miesepetrige Person, von der man nicht glauben mag, dass sie jemals anders gewesen ist. Sie begegnet Caren und Sebi von Anfang an mit einer nicht zu übersehenden Antipathie. Warum sie Caren und Sebi von Anfang an nicht leiden kann? Dafür bietet die Geschichte keine wirklich fassbare Erklärung, was aber auch nicht wirklich wichtig ist, denn, um dies zu wiederholen: Es ist eh nicht anzunehmen, dass diese Birthe jemals ein fröhlicher, lustiger Mensch gewesen sein könnte. Allein die Figur des Jan bietet etwa Futter. Zwischen depressiven Schüben und Momenten der Hoffnung zeigt sich eine differenzierte Charakterzeichnung. Jan ist die eine Sympathiefigur, die es der Zuschauerschaft erlaubt, wirklich mit ihr zu leiden. Außerdem vermittelt die Nebenhandlung, in deren Mittelpunkt die Kinder der Familien stehen, ein bisschen Herzfutter.
Ansonsten aber bietet die Inszenierung wenig Grund zur Begeisterung. Brav folgt sie dem Weg der Familien. Der erste Akt beschreibt ein verkrampftes Kennenlernen; der zweite Akt mündet in einem Eklat, welcher die Ausgangssituation für den dritten Akt bereitet, in dem die Figuren nun zusammenfinden müssen, wenn sie am Ende nicht Freunde und Verwandte zu zwei Beerdigungen einladen wollen.
Fazit: Die Ausgangssituation mag reizvoll sein, der Film ist es nicht.
Offenlegung: Für die Inhaltsangabe sind einige Passagen aus der ZDF-Pressemappe zum Film wörtlich übernommen worden.
Am Montag, 9. Mai, 20.15 Uhr im ZDF