Die fünf Networks haben ihr Programm bekannt gegeben. Große Änderungen blieben auf der Strecke, man könnte meinen, es gäbe keine Streaming-Konkurrenz. Ein Kommentar von Fabian Riedner.
Netflix, Disney+, AppleTV+, HBO Max, Hulu, Paramount+ und Peacock – das sind einige der Streamingdienste in den Vereinigten Staaten von Amerika. Diese nehmen bereits seit Jahren den etablierten und klassischen Networks die Fernsehzuschauer weg. Doch nicht das Streaming ist dem Zuschauerwandel zuzuschreiben, sondern der Chefetage der Sender wie CBS, ABC und NBC. Die Programmstrategen wurschtelten in den vergangenen Seasons weiter vor sich hin, als wäre der amerikanische Serienweg das Eldorado. Doch damit hat man sich viele Steine verbaut.
Gewinner der vergangenen Jahre ist Dick Wolf, dessen Produktionsfirma mit neun Serien fast 200 Stunden Programm herstellen wird. Seine drei Franchises, «Chicago» (NBC, mittwochs), «FBI» (CBS, dienstags) und «Law & Order» (NBC, donnerstags), füllen mit jeweils drei Serien einen Sendetag. Wolf hat es geschafft, anders als Jerry Bruckheimer vor eineinhalb Jahrzehnten, dass seine Serien sich nicht selbst kannibalisieren. Neben den Wolf-Serien sind auch die FOX-Formate «9-1-1» und «9-1-1: Lone Star» zwei Formate, die aufgrund ihrer abgeschlossen Handlung, auch mit Festplattenaufnahmen und Streaming hervorragend funktionieren.
Sollte Disney+ weiterhin an der Programmierung von «Dancing with the Stars» festhalten, werden am Montagabend gleich drei Shows gegeneinander laufen. Der Streamingdienst wird das amerikanische «Let’s Dance» zeigen, ABC programmiert das schwächste der «Bachelor»-Formate dagegen («Bachelor in Paradise») und NBC macht mit den Staffeln 22 und 23 von «The Voice» weiter. CBS kontert und strahlt seine Reality-Shows am Mittwochabend aus. Weitere zahllose Factual-Formate sind in Arbeit und werden vermutlich wieder zwischen den Jahren oder als Lückenfüller eingesetzt.
Sport ist für die Networks weiterhin ein großer Programmpunkt. Die Fernsehsender können sich beispielsweise am Sonntag auf die vielen Football-Übertragungen verlassen, NBC erreicht in der Primetime viele Millionen Fernsehzuschauer. Doch warum kommen die meisten Serien nicht an diese Werte? Wäre lineares Fernsehen tot, warum funktioniert es beispielsweise bei den deutschen öffentlich-rechtlichen Sendern oder in Südkorea?
Die Antwort liegt nicht unbedingt beim Fernsehzuschauer, sondern bei den Networks. Zahlreiche gesichtete Piloten der vergangenen Jahre zeigen, dass nur noch wenige hochwertige Serien ihren Weg ins Programm finden. So war die NBC-Serie «This Is Us» sechs Jahre ein Lichtblick, doch ein neues «The Mentalist» (CBS), «Person of Interest» (CBS) oder «The Good Wife» (CBS) ist nicht zu finden. Prestige-Serien wie «La Brea» (NBC) oder «Fantasy Island» (FOX) sind inhaltlich schlecht verfasst.
Die Programmstrategen sollten in Richtung Streamingdienste schielen und besonders einen Blick auf Netflix werfen. Nicht, weil das Unternehmen aus Los Gatos alle Episoden auf einen Schlag veröffentlicht, sondern weil man neben zahlreicher mittelmäßiger Ware auch starke Serien im Programm hat. Doch Formate wie «Inventing Anna» (von Shonda Rhimes) oder «Willkommen auf Eden» (aus Spanien) wären im Network-Fernsehen gar nicht möglich gewesen. Auch andere Dienste bewiesen mit «The Dropout» (Hulu) oder «WeCrashed» (AppleTV+), dass man tolle Projekte realisieren kann, die den Network-Serien meist überlegen sind.
Network-Fernsehserien sollen nach Wünschen der Programmplaner mindestens 18 Episoden umfassen, sollten sehr gut wiederholbar sein und wenn möglich bitte so verfasst, dass der Sender jedes Jahr im Frühjahr entscheiden kann, ob es eine neue Staffel gibt. Das Negativ-Beispiel der vergangenen Jahre ist hierbei «The Blacklist», das einst mit einer guten Idee startete und inzwischen laut Feuilleton eine herbe Enttäuschung ist. Das Format beschäftigte sich mit einer Liste von Kriminellen, die Red Reddington seiner Tochter übergeben wollte. Zwischenzeitgleich gab es mit einem Hauptdarsteller Ryan Eggold ein Spin-off, doch nach dem Ende kehrte er nicht zurück, sondern bekam die Serie «New Amsterdam». Immer wieder wurde in der Mutterserie das familiäre Verhältnis auf die Probe gestellt, doch das Format verdient durch die internationale Lizenzierung und den Verkauf an die Lokalstationen viel Geld.
Womit wir beim Hauptproblem wären: Die Sender sind weiterhin eine Goldgrube! Der Sender von Disney, ABC, wirft jährlich über eine Milliarde US-Dollar ab und gehört zu den erfolgreichsten Fernsehsendern des Landes, obwohl die Reichweiten stets rückläufig sind. Wirkliche Hits mit über zehn Millionen Fernsehzuschauer sind schon lange passé, stattdessen setzt die Fernsehstation auf eine Mischung von Reality- und Factual-Shows (günstig), Franchises (erprobte Konzepte) und langläufige Serien (bringt Lizenzgebühren). Innovative Ideen werden im Network-Fernsehen ausgebremst, Mini-Serien sind dort absolute Ausnahmen. Das ist verwunderlich, aber eine Tatsache. Ohnehin haben sich die Besitzer der Networks auf die Fahne geschrieben, dass Streaming das nächste große Ding wird. Doch bislang hat noch kein amerikanischer Medienkonzern mit seinen Portalen Gewinn verzeichnet. Man sollte das Network-Fernsehen deshalb nicht so stiefmütterlich behandeln.