Eine Polumkehr auf der Sonne verursacht auf der Erde das Sterben sämtlichen Lebens. Nur wer tief in der Erde geschützt ist, oder vielleich in den Tiefen des Meeres, überlebt. So wie die Besatzung des türkischen U-Boots Yakamoz S-245. Wo aber geht eine Reise hin, wenn die Apokalypse jeden Tag bei Sonnenaufgang von Neuem beginnt?
Stab
SHOWRUNNER: Jason George
DARSTELLER: Kıvanç Tatlıtuğ, Ertan Saban, Özge Özpirinçci, Meriç Aral, Ece Çeşmioğlu, Ecem Uzun, Jerry Hoffmann, Onur Ünsal
SHOWRUNNER: Jason George
REGIE: Tolga Karaçelik, Umut Aral
AUTOREN: Jason George, Murat Uyurkulak, Cansu Coban, Sami Berat Marçali
MUSIK: Ahmet Kenan Bilgic
SCHNITT: Aziz Imamoglu, Cicek Kahraman, Özkan Vadar, Barkin Yesiltepe
Irgendwie klingt die Geschichte vertraut. Die Sonne als Auslöser der Apokalypse, der nur entkommt, wer einen Ort findet, der von ihren Strahlen nicht erreicht wird? Gab es da nicht schon einmal eine ganz ähnliche Serie? Die gibt es. Am 20. Mai 2020 startete die belgische Serie «Into The Night» auf Netflix, ein Jahr später folgte die zweite Staffel. Und tatsächlich ist die türkische Serie «Yakamoz S-245» ein sogenanntes Sidequel zur Originalreihe. Sprich: Ihre Handlung spielt parallel zu den Geschehnissen von «Into The Night» an einem anderen Ort. Auch die Figuren sind neu. Allein die Rahmenhandlung, die Apokalypse, die über die Menschheit einbricht, ist das verbindende Element.
Zur Erinnerung: «Into The Night» beginnt mit der Entführung eines Flugzeuges auf dem Flughafen von Brüssel durch einen italienischen Nato-Offizier. Sein Ziel: Immer der Nacht entgegen, immer weg von der Sonne. Bald wird klar, warum. Der Mann ist kein Irrer. Überall dort, wo die Sonnenstrahlen auf die Erde treffen, sterben nicht nur die Menschen. Alles Leben stirbt. Die einzige Hoffnung der Menschen an Bord: Sie müssen einen Ort finden, an dem sie weit unter der Erde in Sicherheit sind. Eine ausführliche Besprechung der ersten Staffel gibt es hier!
Yakamoz S-245
Die Geschichte des türkischen Ablegers der belgischen Mutterserie beginnt an der türkischen Mittelmeerküste. Hier lebt der Meeresbiologe und U-Boot-Konstrukteur Arman. Seine frühere Freundin Defne kann ihn für ein Projekt gewinnen, dass sie in einen tiefen Graben zwischen griechischen und türkischen Hoheitsgewässern führt. Um dies klarzustellen: Es geht um Tiefen, in denen normale U-Boote vom Außendruck zerstört werden. Arman startet demnach mit Defne und einer kleinen Crew bestehend ausschließlich aus Meeresbiologen zu einer ersten Testfahrt. Dieser Test verläuft so weit ohne Probleme. Sie starten vor Sonnenaufgang. Und kurz nach Sonnenuntergang kehren sie an die Oberfläche zurück. Jedoch ist der Hafen menschenleer. Um genau zu sein: Es herrscht Totenstille. Am Hafen, in der Stadt, überall. Defne erhält eine aufgezeichnete Videonachricht ihres Verlobten Kenan. In Panik berichtet er ihr von Nachrichten aus Asien. Menschen würden dort von der Sonne umgebracht. Alle Menschen! Er selbst sei auf dem Weg zur nahegelegenen griechischen Insel Kos. Dort soll es einen Bunker geben, der tief genug in die Erde reicht, um zu überleben.
In dem Moment, in dem Defne die Nachricht abruft, ertönt aus dem Meer ein Grollen und ein türkisches Marine-U-Boot steigt auf: Es ist die Yakamoz S-245, die Armans U-Boot zufällig auf dem Radar entdeckt hat. Auch die Yakamoz S-245 hat seit Stunden keinen Kontakt mehr zu anderen Menschen. Bald steht fest: Nicht mehr und nicht weniger als die Apokalypse hat stattgefunden und allein die Nacht hält sie am Leben. Der Kommandant des U-Bootes bietet den Biologen Schutz an. Schutz auf einem Schiff, auf dem Unsicherheit und Verzweiflung herrschen. Letztlich ist es allein der Befehlszwang, der die Emotionen nicht aufkochen lässt. Arman überzeugt den Kommandanten Kurs auf Kos zu setzen – des Bunkers wegen. Auf Kos aber entpuppt sich der Bunker als eine vergebene Hoffnung und es kommt zu einem Unglück. Auf der Insel ist der Strom ausgefallen. Armans Forscherkollegen Cem und dem Deutschen Felix gelingt es allerdings im nahen Stromwerk, die Energieversorgung wieder zum Laufen zu bringen. In genau diesem Moment befinden sich einige Soldaten in einem Tresor der Inselbank, dessen Gitter durch die wieder einsetzende Stromversorgung geschlossen werden. Dies bedeutet für die Männer das Todesurteil, denn sie kommen aus dem Tresorraum nicht mehr hinaus.
Auf der Yakamoz S-245 wird den Zivilisten die Schuld am Tod der Männer gegeben.
Das Problem der Zeit
«Yakamoz S-245» ist keine schlechte Serie, was vor allem den Charakteren zu verdanken ist. Arman hat Heldenpotenzial. Wo die Mutterserie von einer Ansammlung von Anti-Helden bevölkert wird, die alle ihre Leichen im Keller liegen haben, ist Arman fast schon eine Lichtgestalt. In einer Welt der gebrochenen Seriencharaktere ist es nicht verkehrt, auch einmal eine Serienfigur zu erleben, die einfach gut sein darf. Seinen Antagonisten stellt der Erste Offizier des Schiffes, Umut, dar. Einerseits wird dieser als ein Schleifer dargestellt, der keine Widerworte duldet: Als rechte Hand des Kapitäns ist er für die Disziplin an Bord zuständig. Umut, der als Kind aus Jugoslawien flüchten musste (sein Darsteller Ertan Saban stammt tatsächlich aus dem heutigen Nord-Mazedonien), verlangt Ordnung und Unterordnung. Auf der anderen Seite gestattet die Geschichte Umut aber auch überraschend menschliche Momente; gerade gegenüber Rana, einer Biologin aus Armans Team, tritt er überraschend verständnisvoll auf. Man kann sich bei Umut nie wirklich sicher sein, ob seine Härte allein seinem soldatischen Pflichtgefühl entspringt, oder ob in ihm nicht ein veritabler Psychopath nur darauf lauert, endlich freigelassen zu werden.
Das Problem der Serie sind denn auch nicht die Figuren. Sie alle haben ihre Momente, ihre kleinen Geheimnisse, ihre Stärken und Schwächen. Das Problem der Serie ist ihre Spielzeit. «Yakamoz S-245» umfasst sieben Episoden. Ab Teil 2 spielt sich die gesamte Handlung de facto auf dem U-Boot ab und allen Problemen zwischen Zivilisten und Soldaten zum Trotz – geht man halbwegs zivilisiert miteinander um. Es mögen Aggressionen in der Luft liegen, aber die Story vermeidet es dann doch, in ausgelatschte Klischeefallen zu treten getreu dem Motto: Auf der einen Seite die auf Gehorsam gedrillten Kommissköppe, auf der anderen Seite die augeklärten Wisschenschaftler. Andererseits aber reicht dies nicht aus, um sieben Episoden mit Inhalt zu füllen. Demnach müssen künstlich von Außen Spannungsmomente an die Story herangetragen werden. Da ist etwa ein Funksignal aus Spanien, dem man folgt, auch wenn man ahnt, dass dies die Geschichte kaum voranbringen wird. Oder da ist die Story rund um eine Agentin des Militärgeheimdienstes, die zwar für die Rahmenhandlung wichtig ist, jedoch wird ihre Geschichte fürchterlich in die Länge gezogen.
Das bedeutet, dass die Serie Leerlauf produziert. Sie hat Handlung für vielleicht vier Episoden (früher wären dies zwei 90-minütige Spielfilme gewesen). Sie besteht aber eben aus sieben Folgen.
Der Sprung zur Mutterserie
Da die Produktion in der Türkei zu einem Zeitpunkt startete, an dem sich die Dreharbeiten zu «Into The Night» (Staffel 2) noch im vollen Gange befanden, funktioniert der Übergang von «Yakamoz S-245» zur Mutterserie tadellos. Da gibt es keinen Bruch, das alles ist auf den Punkt inszeniert und es sollte in einer dann dritten – gemeinsamen - Staffel von «Into The Night» münden: Wenn Netflix der Serie denn endlich Grünes Licht gibt. Das ist bislang nicht geschehen, obwohl die belgische Mutterserie eine treue Fangemeinde um gescharrt hat.
Fazit: «Yakamoz S-245» ist eine gut durchdachte, durchaus unterhaltsame Serie, die leider einige Längen nicht übertünchen kann.
Bei Netflix verfügbar.
25.05.2022 11:00 Uhr
• Christian Lukas
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