Nach knapp drei Jahren Wartezeit kehrt Netflix‘ Aushängeschild «Stranger Things» mit einer zweigeteilten vierten Staffel auf die Bildschirme zurück.
Als «Stranger Things» vor sechs Jahren anlief, mutierte die Serie in kürzester Zeit zum Überraschungshit. Eine Serie mit kleinen Kindern in den Hauptrollen, die absolut nicht für diese Zielgruppe geeignet war und stattdessen jene ansprach, die zu dieser Zeit selbst aufgewachsen sind, schaffte es ein gut strukturiertes Verhältnis aus Nostalgie, Humor und Horror in sich zu vereinen. Doch was bleibt sechs Jahre später von der Hit-Formel übrig, deren Schöpfer die Serie zunächst lediglich auf eine, später dann auf drei Staffeln ausgelegt hatten und die nun in der bereits vierten Staffel auf Sendung geht?
Gut möglich, dass sich die Duffer-Brüder dachten, mit extralangen Folgen für die lange Wartezeit entschädigen zu müssen. Bereits in den beiden Auftaktfolgen der Staffel wird allerdings schnell deutlich, dass weniger ab und an mehr gewesen wäre. Inhaltlich passiert auf die Erzählzeit gesehen praktisch nichts. Der Zuschauer sieht liebgewonnene Charaktere wieder, aufgeteilt in Joyce, die mit ihren Kindern Will und Jonathan sowie Elfi nach Kalifornien gezogen ist sowie den restlichen Cast um Dustin, Mike, Lucas, Max etc. die immer noch in Hawkins leben. Mit wenigen Ausnahmen bleibt diese Aufsplittung der Charaktere für den Verlauf des ersten Teils der vierten Staffel bestehen, dasselbe gilt für den nach den Ereignissen des dritten Staffelfinales sich nun, wie auch immer, in einem russischen Gefängnis befindlichen Hopper. Diese Aufsplittung der Charaktere ist ein gängiges Mittel der Autoren um zeitfüllende, separate Handlungsstränge erzählen zu können und damit auch das größte Problem dieser Staffel, denn die Charaktere funktionieren aufgesplittet kaum. Die gesamte Storyline in Kalifornien wirkt, wie überflüssiges Füllmaterial, das vollständig gestrichen, praktisch keinerlei Auswirkungen auf die Gesamthandlung hätte. Hoppers russischer Gefangenschaft fehlt es zudem an Relevanz, da dem Charakter spätestens mit dem Ende der dritten Staffel ebenso wie den Kinderdarstellern eine Plot Armor zugeschrieben werden kann. Zurück in Hawkins fällt insbesondere auf, dass ein wichtiger Punkt, den die Serie von jeher ausmachte, ebenfalls praktisch keinen Platz mehr hat, der Humor. Dieser wird in der neuen Staffel nur noch unfreiwillig erzeugt, wenn beispielsweise eine Hand voll Teenager „angsteinflößende“ Dämonen mit ein paar Paddeln bekämpfen und Situationen wie diese, immer wieder durch eine massive Plot Armor beschützt, unbeschadet überstehen.
Dies wird auch dem „Big Bad“ der aktuellen Staffel nicht gerecht, der auf grauenvolle Weise Jugendliche in Hawkins ermordet, nur eben dem gesamten Hauptcast, der nun nicht mehr durch Elfis Kräfte geschützt ist, aus konstruierten Gründen nichts Ernsthaftes anhaben kann. Dieser Faktor sorgt auch dafür, dass die hervorragende visuelle Umsetzung der Staffel, gepaart mit den wohl besten Suspense-Horror Elementen der gesamten Serie an Prägnanz verliert. Der Horror funktioniert, der Bösewicht hätte kaum furchteinflößender dargestellt werden können, wie er aus der Schattenwelt heraus Jugendliche durch Gedankenkontrolle auf äußerst brutale Art und Weise tötet und doch fehlt es aus zuvor genannten Gründen am Gefühl der Gefahr.
«Stranger Things» liefert mit seiner vierten Staffel eine Menge Fanservice, macht aber selten wie nie deutlich, dass weniger manchmal mehr ist. Die überlangen Folgen, insbesondere durch die drei parallel verlaufenden Handlungsstränge verursacht, sind mit zu viel irrelevantem Füllmaterial vollgestopft und die einstigen leichten, humorvollen Elemente der Serie praktisch inexistent. Brillieren kann Staffel 4 hingegen mit der visuellen Umsetzung und den damit verbundenen Horrorelementen der Serie. An diesem Gesamtpaket dürften auch die zwei in Spielfilmlänge noch verbleibenden Episoden der vierten Staffel, die den Cast wohl letztendlich wieder zusammenführen werden, nichts mehr ändern.