Neue Wege für mehr Medienvertrauen

Medien möchten vertrauenswürdig sein, gleichzeitig sieht sich die Branche mit einer zweifelnden Audience konfrontiert. Doch wie gelingt es Medienmacher:innen tatsächlich Vertrauen aufzubauen? Eine Transparenz-Offensive ist eindeutig zu kurz gegriffen. Es geht vielmehr darum, alt eingesessene Strukturen im Redaktionsalltag zu hinterfragen. Wo Potenziale liegen, offenbart der neue Report “Building Trust!”.

Das Vertrauen in Medien ist ein Dauerthema in Redaktionen, Newsboards und in der Bevölkerung. Fake News, die im Netz unterwegs sind, die Lethargie der User:innen gegenüber (schlechten) Nachrichten und eine allgemein mangelnde Medienkompetenz sind drei Bausteine, die das Vertrauen in Medien zum Schwanken bringen. Insbesondere private Publisher tun sich schwer, das Vertrauen der Bevölkerung zu gewinnen, wie eine Auswertung der Ludwigs-Maximilians-Universität München und der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz im Auftrag der Rudolf-Augstein-Stiftung zeigt. Knapp jeder und jede Fünfte schätze in dieser Erhebung (während der Corona-Pandemie) private Nachrichtendienste wie etwa Bild, Welt oder t-online als tendenziös ein, öffentlich-rechtliche Medienanstalten kamen etwas besser weg. Anfang des Jahres erschien der “Edelman Trust Barometer 2022”, auch darin wird ein Vertrauensverlust gegenüber den Medien bescheinigt. Medien erhielten einen Score von 47 Prozent - alles unter 50 liegt im Bereich des Misstrauens. Sogar Wirtschaftsunternehmen schnitten in der Bewertung von Informationsleistungen besser ab. Das ist ein alarmierendes Ergebnis für die Medienbranche in Deutschland.

Alte Konstrukte fördern kein Vertrauen


Es gibt offensichtlich Handlungsbedarf, um das Vertrauen in die Medien zu stärken. Das ist leichter gesagt, als getan. Denn eine PR-Kampagne allein genügt dafür nicht. Auch das viel bemühte Buzzword “Transparenz” reicht allein nicht aus. Vielmehr müssen Medienmacher:innen auf ihre Audience zugehen, alte Konstrukte und Prozesse hinterfragen und letzten Endes neue Wege der Authentizität schaffen. Wie das gelingen kann, damit beschäftigt sich der User Insight Report “Building Trust!” aus dem Media Lab Bayern. In diesem Whitepaper wurden sowohl Nachrichtenkonsument:innen als auch Menschen, die keine Nachrichten konsumieren, nach ihren Erwartungen, Wünschen und Bedürfnissen befragt. Grundsätzlich kann man sagen: Die Erwartungen der Audience haben sich verändert und damit auch die Parameter, die sich vertrauensfördernd auswirken können. Aus den Aussagen der Befragten lassen sich Ansätze ableiten, die Medienhäuser dazu befähigen, die neuen Lebensrealitäten der User:innen zu verstehen und damit das Vertrauen aufzubauen.

Insight 1: Betroffene sind glaubwürdiger als Berichtende


Digitale Medienzugänge, wie YouTube, Twitch oder TikTok ermöglichen schon heute eine direkte Interaktion und eine Berichterstattung durch Betroffene. Der professionelle Journalismus durch ein Medienhaus wird so umgangen. Doch das bedeutet nicht, dass direkte Interaktion und professioneller Journalismus sich ausschließen. Vielmehr können Medienschaffende das nutzen, indem bei einer journalistischen Berichterstattung der Fokus weniger auf einen Sachbericht durch neutrale Reporter:innen gelegt wird, sondern O-Töne von Betroffenen wichtiger werden und/oder explizite Sendezeit für Betroffene während eines journalistischen Beitragsstück eingeplant wird. Auch Formate aus der Ich-Perspektive sind denkbar, zum Beispiel eine Reportage, in der die Berichtenden zu Protagonist:innen werden. Durch diese Neugestaltung von Sendeformaten wird Authentizität erzeugt und Vertrauen aufgebaut.

Insight 2: Lieber glücklich statt informiert


Durch die extremen Ereignisse, wie etwa die Pandemie oder der Krieg in Europa, sehen sich User:innen zunehmend mit negativen Nachrichten konfrontiert. Auf der Suche nach Sicherheit wird gerade bei schlechten Meldungen noch mehr Information intensiver konsumiert, es kommt so zum Beispiel zum Phänomen des Doom-Scrolling. Das bedeutet, User:innen scrollen sich durch ihren Nachrichtenfeed und werden immer weiter mit negativen Nachrichten konfrontiert. Erste Untersuchungen zeigen, dass schon wenige Minuten reichen, um Effekte in der Stimmung und den Einstellungen der User:innen zu bewirken. Um sich diesen negativen Emotionen nicht aussetzen zu müssen, greifen einige User:innen zu harten Bandagen: sie konsumieren überhaupt keine Nachrichten mehr! „Ich habe jetzt auch die Nachrichten-Apps von meinem Handy gelöscht. Das letzte Jahr war hart. Es hat mich nur gestresst, immer schlechte Nachrichten zu lesen. Also habe ich die Apps für meine geistige Gesundheit gelöscht“, sagt beispielsweise die Userin Lea im Building Trust! - Report.

Damit Medienmacher:innen ihre Zielgruppen nicht ganz verlieren, sollten Ansätze wie etwa der konstruktive Journalismus mit in die Berichterstattung einfließen. Jegliche Hilfe durch Medienmacher:innen, welches die User:innen befähigt eine Nachrichtenroutine und eine Nachrichtenhygiene zu etablieren, ist ebenfalls ein positiver Ansatz. Ein individuell auf User:innen kuratierter Newsletter, der am besten noch zur Wunschuhrzeit zugestellt wird, kann dazu beitragen, dass User:innen sich nicht ganz abwenden. Auch ein Newsletter mit einem lösungsorientierten Ansatz, in dem neben der Nachricht auch Lösungsperspektiven aufgezeigt werden, kann schon einen positiven Effekt haben.

Insight 3: Helden und Heldinnen


Mutige Aktivist:innen, renommierte Expert:innen und nahbare Journalist:innen sind für viele Menschen Vorbilder und damit auch Informationsquelle. Laut des Building Trust! - Reports vertrauen gerade die 20- bis 30-Jährigen diesen “Held:innen” und beziehen Informationen durch sie. Meist haben die auserkorenen Vorbilder eine persönliche Leidensgeschichte oder einen großen beruflichen Bruch aufgrund ihrer Ideale vollzogen. Das können zum Beispiel ehemalige Journalist:innen sein, die sich öffentlich gegen etwas ausgesprochen haben, dann ihren Job verloren und im Anschluss etwas Eigenes auf Social Media initiiert haben.

Auch Medienhäuser können ihre eigenen Helden und Heldinnen aufbauen, indem sie zum Beispiel Journalist:innen zu Personenmarken machen. Das gelingt, indem Einblicke in die Arbeit, Haltung und das Leben der Journalist:innen gewährt wird. Ein weiterer Ansatz wäre es, mit bereits etablierten Gastautor:innen zu arbeiten. Diese haben bereits ein Standing in ihrer Community. Das Vertrauen in Gastautor:innen überträgt sich dann auf das Medium.

Journalismus auf Augenhöhe


Das Vertrauen in Medien ist essentiell und hat Auswirkungen auf viele Bereiche der Gesellschaft. Medien stehen beispielsweise für Meinungspluralität und stärken so die Demokratie. Desweiteren haben journalistische Angebote trotz Social Media weiterhin Einfluss auf den gesellschaftlichen Diskurs. Deshalb ist es wichtig, dass Medien das Vertrauen der Menschen nicht verlieren, sondern es erstrebenswerterweise aufbauen. Damit das heutzutage gelingt, muss die hierarchische “Top-down-Denke”, wie man sie aus der Vergangenheit kennt, enden. Stattdessen geht es darum, ein rollierendes System zu etablieren, in dem Interessen, Bedürfnisse und Belange der Audience in das Agenda-Setting, also das Setzen von Themen, einfließen. Eine Kommunikation mit den User:innen auf inhaltlicher Augenhöhe in zielgruppenspezifischen Formaten ist dafür die Voraussetzung. Mehr Insights für einen vertrauensvollen Journalismus gibt es im kostenlosen User Insight Report Building Trust!, den das Media Lab Bayern publiziert hat.

Disclaimer: Sabrina Harper ist freischaffend in der Kommunikationsbranche tätig und arbeitet unter anderem auch für das Media Lab Bayern.
07.06.2022 11:33 Uhr  •  Sabrina Harper Kurz-URL: qmde.de/134681