Sven Voss: ‚Für mich ist «Aktenzeichen XY ungelöst» die Mutter aller True Crime-Formate‘

Ab Freitag ist der Moderator mit einem neuen True-Crime-Format zu sehen. Quotenmeter sprach mit Voss über seine Verbindung zu «Aktenzeichen XY» & Co.

Hallo Herr Voss, vielen Dank für Ihre Zeit. Sie führen durch die neue Sendung «XY… gelöst». Was können wir als Zuschauer erwarten?
Mit «XY gelöst» bauen wir die Erfolgsmarke «Aktenzeichen XY» im ZDF weiter aus und setzen dazu auf echte Verbrechen, Originalschauplätze und spektakuläre Ermittlungen. Ich treffe in den vier Folgen die Ermittler, die mir erzählen, wie sie die Täter überführen konnten. Begeistert bin ich von der Qualität, mit der wir die Verbrechen „re-enacten“ also nachspielen. Journalistisch, präzise, emotional aber nicht reißerisch, das ist unsere Handschrift bei «XY» gelöst.

Vorerst sind vier Ausgaben geplant, die am 5. August 2022, um 21.15 Uhr zu sehen sind. Die Sendung beginnt mit dem Fall „Tod der 8-jährigen Johanna“. Hat das ZDF schon Signale gesetzt, dass es eine zweite Staffel geben wird?
Bislang noch nicht, aber grundsätzlich setzt das ZDF auf mehr True-Crime. Es kommt ja nicht nur «XY gelöst» in neuer Form dazu, bald startet auch der Podcast zu «Aktenzeichen XY ungelöst» mit Rudi Cerne. Aber ich finde, die vier Folgen gelöst machen Lust auf mehr.

Sie übernehmen einen Sendeplatz, der meist mit «SOKO Leipzig» bespielt wird. Passt eine True-Crime-Serie auf diesem Slot?
Das wird ein spannendes Experiment. Wenn ich mich recht erinnere, war der Freitag ja ganz früher auch mal der «Aktenzeichen»-Sendeplatz. In gewisser Weise geht’s also zurück zu den Wurzeln. Aber ich bin auch gespannt, wie wir mit echten Verbrechen und unserer Erzählweise an die starken ZDF-Krimis andocken können. Deswegen ist nicht nur unserer inhaltlicher, sondern auch unser filmischer Anspruch an «XY gelöst» so hoch. Gut erzähltes und fotografiertes True Crime-Fernsehen im ZDF.

Wie ist Ihnen True-Crime zum ersten Mal begegnet? Als einer der zahlreichen Podcasts oder solche Fernsehsendungen wie «Medical Detectives»?
Für mich ist «Aktenzeichen XY ungelöst» die Mutter aller True Crime-Formate. Ich bin damit aufgewachsen. Meine erste Erinnerung war ein Fall „Raub in der Gartenlaube“ oder so ähnlich, den ich mit 13 Jahren gesehen habe. Weil die Verbrecher an einen teuren Ring des Opfers rankommen wollten, der aber nicht vom Finger ging, nahmen sie die Heckenschere... Die Gewissheit, dass das Verbrechen so oder so ähnlich stattgefunden hat, hat mich nachhaltig beeindruckt. Der Sendung bin ich bis heute treu geblieben und darüber hinaus ein True Crime-Podcast-Hörer. Auf meiner morgendlichen Joggingrunde schaffe ich immer eine Folge.

True-Crime-Formate boomen – allerdings nur auf kleinen Sendern und im Nachtprogramm. Ist es also ein logischer Schritt, dass das ZDF die Primetime erobern will?
Im ZDF gibt es schlaue Programmplaner, die den Bedarf der Zuschauer ermitteln. Nicht umsonst ist das ZDF seit Ewigkeiten Marktführer in Deutschland. Insofern ist es nur logisch, dass man das True Crime-Angebot ausbaut.

Können Sie sich vorstellen, wieso die private Konkurrenz nicht schneller war?
Ich denke, dass das mit True Crime im Fernsehen gar nicht so einfach ist. Man kann nicht einfach irgendeinen Fall nehmen, ein bisschen recherchieren und ab damit aufn Sender. Im habe jetzt bei «XY gelöst» erlebt, was da alles dahinter steckt. Die Redaktion und die Produktionsfirma arbeiten seit Jahren für «Aktenzeichen» zusammen und schöpfen aus der Erfahrung von über 50 Jahren True Crime im TV. Dadurch haben sie ein enormes Netzwerk und das Vertrauen der Polizei und der Ermittler in ganz Deutschland. Das macht sich dann für die Aufarbeitung der Fälle bezahlt. Die Seriosität und Ernsthaftigkeit, mit der das ZDF dieses Genre bedient, ist das Entscheidende.

Sie begleiteten für das Zweite Deutsche Fernsehen zahlreiche Sportarten – welche von diesen hat Ihnen am meisten Spaß und Freude bereitet?
Das Tolle an der Arbeit im Sport ist die Abwechslung. Ich war bei der Fußball-Europameisterschaft der Frauen, im August beginnt schon wieder die Bundesliga und im Winter zeigen wir Wintersport im ZDF, das hält frisch. Eine der spannendsten Reporterreisen war die Arbeit bei der Tour de France. Drei Wochen quer durch Frankreich, immer am Hinterrad der Radfahrer, jeden Tag eine andere Etappe, ein anderer Ort – das war toll. Und im August kommt mein zweites Sport-Kinderbuch raus... „Fußballstars – 40 Idole und ihre Geschichte“. Auch hier versuche ich die Faszination und Begeisterung für die Sport weiterzugeben.

Sie wurden Nachfolger von Wolf-Dieter Poschmann beim «aktuellen sportstudio». Wie viele Samstage müssen Sie sich im Jahr freihalten und wie schaffen Sie sich einen Ausgleich?
Im «Sportstudio» sind wir zu viert, einmal im Monat bin ich dran. Ähnlich wie «Aktenzeichen» ist das Sportstudio eine der ältesten und erfolgreichsten Sendungen im ZDF. „They call it a Klassiker,“ würde Franz Beckenbauer vielleicht sagen. Die Kombination aus Sport und True Crime im ZDF finde ich toll. In beiden Bereichen trete ich als Journalist auf. Empathie und Sachlichkeit sind in beiden Bereichen wichtig. Einen Ausgleich finde ich, wenn ich selber Sport machen. Zum Beispiel, wenn ich einmal in der Woche mit meiner Ü-40 Truppe Basketball spiele oder als Fußball-Vater bei meinem Sohn an der Seitenlinie stehe.

Es gibt zahlreiche Kritik an der Vergabe der Olympischen Spiele. Die Spiele in Rio und Paris haben Milliarden verschleudert. Denken Sie, dass Los Angeles und das australische Brisbane ein ähnliches Nachhaltigkeitskonzept haben wie beispielsweise London, die damit einen neuen Stadtteil erschaffen haben?
Ich habe zumindest bei Los Angeles und Brisbane die Hoffnung, dass beide Austragungsorte die Chance nutzen, um Dinge besser zu machen und aus Fehlern zu lernen. Gerade in Puncto Nachhaltigkeit gehören Gigantismus-Spiele oder Weltmeisterschaften doch der Vergangenheit an. Wenn schon in Paris 2024 ein Zeichen für ein nachhaltiges Weltsportfest gesetzt werden kann, hätten die Organisatoren dafür von eine Goldmedaille verdient, finde ich.

Im November und Dezember findet die Fußball-Weltmeisterschaft in Katar statt. Obwohl es große Kritik gegen die Arbeitsbedingungen gibt, dealt neuerdings die Politik um Öl und Gas mit dem Emirat. Wie soll man mit dieser komplexen Lage differenziert umgehen? Sind Boykott-Aufrufe daher noch zeitgemäß?
Als Zuschauer finde ich die Haltung legitim, Katar zu boykottieren. Ob das Zeichen tatsächlich bei denen ankommt, die einen Denkzettel bekommen sollen, bezweifle ich allerdings. Für die Fußballer ist die WM eine der größten Chancen ihres Lebens. Die können und sollen zwar ihre Popularität nutzen, um die Menschen in Deutschland auf Missstände in Katar aufmerksam zu machen. Doch einen Boykott zu verlangen, finde ich Unsinn. Als Sport-Journalist halte ich ebenfalls nichts davon, die WM zu boykottieren. Es ist unsere Chance, hinzufahren und darüber zu berichten, was passiert. Ansonsten überlässt man die große Bühne den Blendern, die uns weismachen wollen, dass in Katar alles sauber gelaufen ist.

Vielen Dank für Ihre Zeit!
02.08.2022 11:27 Uhr  •  Fabian Riedner Kurz-URL: qmde.de/135902