Die Kritiker: «Tatort - Risiken mit Nebenwirkungen»

Beim «Tatort» geht es am Sonntag wieder nach Zürich, und zum ersten Mal schimmern die verschiedenen Charaktereigenschaften der Ermittlerinnen durch.

Stab

Darsteller: Anna Pieri Zuercher, Carol Schuler, Rachel Braunschweig, Aaron Arens, Therese Affolter, Benjamin Grüter
Musik: Marcel Vaid
Kamera: Simon Guy Fässler
Drehbuch: Nina Vukovic und Stefanie Veith
Regie: Christine Repond
Ein Mädchen sitzt im Rollstuhl, weil es an einer schlimmen Immunerkrankung leidet. Nur ein neues Medikament, das vom Argon-Konzern erforscht wird und sich zumindest in Europa noch in der Erprobungsphase befindet, macht Hoffnung. Doch nach der Therapie geht es dem Mädchen schlechter als vorher – was die kaltherzige Anwältin des Konzerns nicht davon abhält, die kranke junge Frau vor den Augen ihrer schockierten Mutter gehörig unter Druck zu setzen. Denn wenn sie bei ihrer Aussage bleibt und die Schuld an der Verschlechterung ihres Gesundheitszustands auf das Medikament schiebt, werden viele Kinder mit derselben schweren Krankheit nie in den Genuss seiner Heilungschancen kommen.

Wenig später wird die Leiche der Anwältin aufgefunden. Sie ist mit einer Überdosis Insulin totgespritzt worden. Die Kommissarinnen Isabelle Grandjean (Anna Pieri Zuercher) und Tessa Ott (Carol Schuler) zieht es als Erstes in die Wohnung des kranken Mädchens und deren Mutter – denn wer unter solchen Umständen auf eine derart kaltherzige Person trifft, die keinen Funken Menschlichkeit und Verständnis zeigt, hat sicherlich einen gehörigen Hass in seinem Herzen. Vielleicht ist der ja groß genug, um mit einer Insulinspritze kurzen Prozess zu machen.

Eine weitere Fährte führt in den Argon-Konzern selbst. Denn die ermordete Anwältin, so stellt es sich bald heraus, war mitnichten so abgebrüht, wie sie sich nach außen hin gab. In ihrer Kanzlei hatte sie nur zwei Verbündete: die Seniorchefin, für die sie wie eine Tochter war, und einen ihrer Untergebenen, mit dem sie eine romantische Beziehung führte. Doch vielleicht ist der Mörder diesmal – wie nicht selten in einem «Tatort» eine Person, die dem Opfer besonders nahestand.

Der eigentliche Kampf, den dieser Film ausfechten möchte, ist aber die Schlacht David gegen Goliath: Das arme Mädchen, das im Rollstuhl sitzt und vermutlich ein von Krankheit gezeichnetes Leben vor sich hat, gegen einen übermächtigen Konzern, der anscheinend bereit ist, über Leichen zu gehen, um seine Gewinne zu maximieren. Dieser etwas plumpe Stoff setzt dann auch voraus, dass diese Zeichnung der Guten gegen die Bösen sehr nach Holzhammer riecht und mitunter unglaubwürdige Figuren voraussetzt: Denn sowohl die menschenverachtende Haltung als auch die zarten Gewissensbisse wirken oftmals nicht wirklich durchdacht.

Dafür können Anna Pieri Zuercher als Isabelle Grandjean und Carol Schuler als Tessa Ott umso besser gefallen. Denn in „Risiken mit Nebenwirkungen“ kommen ihre unterschiedlichen Charakterzüge, Biographien und Sichtweisen deutlicher zur Geltung als in bisherigen Filmen und es wird klarer, warum sich die beiden als Figuren so gut ergänzen. So kann man am Schluss zumindest etwas optimistischer in die Zukunft des Zürcher «Tatorts» blicken als auf diesen leider nicht recht gelungenen Film.

Im Ersten ist «Tatort – Risiken mit Nebenwirkungen» am Sonntag, den 11. September zu sehen.
08.09.2022 11:00 Uhr  •  Oliver Alexander Kurz-URL: qmde.de/136744