Die Kino-Kritiker: «Jeepers Creepers – Reborn»

Die Geschichte des Creepers geht in seine vierte Runde und der Untertitel Reborn deutet es an: Die Filmsaga rebootet sich. In einem neuen Setting soll Reborn den Start einer neuen Trilogie darstellen und im Gegensatz zum dritten Film der Reihe, der hierzulande nur auf DVD und BluRay erschien, gibt es das Reboot auch wieder auf der großen Leinwand zu sehen.

Stab

USA / GB 2021/22
REGIE: Timo Vuorensola
DREHBUCH: Sean Michael Argo
KAMERA: Simon Rowling
SCHNITT: Eric Potter
MUSIK: Ian Livingston
VERTRIEB: Screen Media Film
DARSTELLER: Sydney Craven, Imran Adams, Jarreau Benjamin, Dee Wallace, Gary Graham
«Jeepers Creepers» ist keine unumstrittene Spielfilmreihe, was jedoch nicht an den Filmen als solchen liegt. Die Kontroverse saß, wenn man so will, auf dem Regiestuhl. Victor Salva, der auch die Drehbücher zu allen bisherigen Filmen verfasst hat, ist ein verurteilter Sexualstraftäter. Er ist für die Tat, er hat einen Jungschauspieler zum Oralsex gezwungen, zu einer Gefängnisstrafe verurteilt worden, die er auch verbüßt hat. Es überrascht nicht, dass der Neustart der Reihe ganz ohne Salva vonstattengeht. Stattdessen wurde Timo Vuorensola für die Regie engagiert. Der Finne, Schöpfer von «Iron Sky», hat mit «Jeepers Creepers: Reborn» ein Drehbuch von Sean Michael Argo adaptiert, einem Autor, Produzenten und Regisseur, der bislang filmisch eher in niederen B-Filmgewässern unterwegs gewesen ist.

Zur Erinnerung: «Jeepers Creepers» nahm seinen Anfang mit dem ersten – gleichnamigen - Spielfilm im Jahre 2001. Der erhielt bereits im Vorfeld einiges an Aufmerksamkeit, da ihn Francis Ford Coppolas Produktionsfirma auf seine cineastische Reise schickte und Coppola höchstselbst als Executive Producer agierte. So sicherte sich MGM die Rechte und brachte den Film auf breiter Front in die Kinos. Erzählt wird die Geschichte der Geschwister Trish und Darry, die auf der Fahrt vom College nach Hause (irgendwo im Nirgendwo) fast mit einem alten Laster kollidieren, dies aber in letzter Sekunde verhindern können. Bei ihrer Weiterfahrt, erblicken sie den Laster noch einmal an einer Kapelle und beobachten, wie der Fahrer offenbar einen Körper in einen Schacht wirft. Haben die beiden gerade tatsächlich gesehen, wie ein menschlicher Körper „entsorgt“ worden ist?

Wie nicht anders zu erwarten, gehen sie selbst dieser Frage nach (dies ist immerhin ein Horrorfilm), und so treffen sie auf den Creeper, ein menschenähnliches Wesen, das offenbar große Freude am Töten empfindet.

Um es kurz zu machen: Die erste Hälfte von «Jeepers Creepers» ist wahrscheinlich einer der spannendsten, unheimlichsten jemals gedrehten Horrorfilme, in der zweiten Hälfte bricht diese Spannung aber leider ziemlich in sich zusammen, weil die Story keinen Weg findet, zu einem halbwegs plausiblen Ende zu gelangen. Was den Erfolg des Filmes keinesfalls schmälerte, der bei Kosten von 10 Mio Dollar über 50 Mio erwirtschaftet hat. 2001 nannte man das noch einen Erfolg! Und das sind nur die Kinozahlen, denn international wurde der Film auch auf DVD ein großer Hit. Teil 2, der im Grunde die Story von Teil 1 mit einem etwas größeren Darstellerensemble wiederholt, erreicht zwar dramaturgisch nie die Dichte der ersten Hälfte von Teil 1, dafür aber muss man dem Film zugestehen, dass er seine Geschichte zu einem anständigen Ende bringt. Auch er ließ die Kassen durchaus klingeln - dennoch brauchte es 14 Jahre, bis 2017 ein dritter Film in die US-Kinos kam. Der aber wurde von Kritikern ziemlich verrissen und international ging er gleich in die DVD- und BD-Auswertung.

Nun also geht es in eine neue Phase, mit einem Prolog der die Geschichte von Trish und Darry wiederholt, nur dass Trish und Darry hier ein älteres Ehepaar sind. Dieses ältere Ehepaar, die Ehefrau wird von Dee Wallace dargestellt, die durch ihre Mitwirkung in Horrorfilmen wie «Cujo», «Das Tier» und «Hügel der blutigen Augen» einen gewissen Kultstatus im Genre genießt, wird von einem Lkw fast von der Straße gedrängt. Später entdecken sie den Wagen an einer kleinen Kirche und beobachten, wie der Fahrer offenbar eine Leiche verschwinden lässt. Sie gehen dem nach, der Prolog endet. Im Laufe der Geschichte wird sich ergeben, dass dies alles vor 27 Jahren geschehen ist. Es ist aber, soviel Spoiler darf sein, für den Rest der Story ohne größeren Belang. Diese Story nämlich dreht sich um Lane und Chase, ein junges Pärchen, das sich auf dem Weg zu einem Horrorfestival in der Provinz von Louisiana befindet. Es wird schnell klar, dass Chase der Fan ist und ihm Lane im Grunde nur einen Gefallen tut. Sie ahnt bereits, dass er ihr einen Heiratsantrag machen will; tatsächlich wäre sie allerdings gerne einfach nur daheim, denn die ständige Übelkeit, die sie seit Tagen heimsucht, deutet darauf hin, dass das mit einer Eheschließung aus steuerrechtlichen Gründen vielleicht gar nicht die schlechteste Idee wäre. Auf dem Festival geht Chase ganz in seiner Passion auf und bekommt die Möglichkeit, eine Social-Media-Horrorfilmexpertin beim Besuch eines Hauses zu begleiten, in dem einige unheimliche Dinge geschehen sein sollen. Das alles klingt nach einem großen Spaß. Allerdings erwartet sie im Haus nicht nur der Creeper, es sind auch noch einige böse Damen auf Lanes Lendenfrucht heiß.

Das ist die Handlung des neuen Filmes. Mehr gibt es nicht. Ein junges Paar besucht ein Spukhaus, darin erwartet sie ein Monster, … das war es auch schon. War da nicht was mit der Schwangerschaft? Ach ja. Das kennt man. Egal, was für ein widerliches Monster auch aus dem Dunkel der Nacht auftaucht, es finden sich immer ein paar Irre, die solch ein Monster als anbetungswürdige Kreatur betrachten und ganz in seinem Banne stehen. So wie die Damen aus der amerikanischen Provinz, die dem offenbar selbst nicht sonderlich fruchtbaren Creeper etwas Nachwuchs kredenzen wollen. Da kommt so eine junge, schwangere Großstädterin doch gerade recht. Originell ist das nicht, aber immerhin könnte es die Dramatik etwas ankurbeln. Eine angehende Mutter in Gefahr? Leider ist die einzige dramatische Tatsache, mit der «Jeepers Creepes: Reborn» seine Zuschauerschaft konfrontiert, seine unfassbare Langweile, das Fehlen jeglichen Gespürs für Spannung und seine nicht vorhandene Schauspielführung. Oder, um es kurz zu machen: Der Film ist ein einziges Desaster. Von der ersten bis zur letzten Minute.

Es fängt schon damit an, dass dem Prolog eine ewig lange Einführung von Lane und Chase folgt. Diese Einführung findet in ihrem Auto statt. In dem die beiden reden. Und reden. Und reden. Unterbrochen wird der ewige Dialog lediglich durch eine schwangerschaftsbedingte Kotzpause. Danach reden sie weiter; wegen einer Wegbeschreibung besuchen sie einen Antikshop, treffen eine seltsame Frau – und reden. Bis sie schließlich auf dem Festival ankommen, das offenbar von den Ausstattern der C-Filmschmiede The Asylum ausgestattet worden ist. Das Festival ist nämlich keine große Convention, auf der Fans aus dem ganzen Land ihre Lieblinge aus Slasherfilmen und Goregemetzeln live bewundern dürfen. Es ist auch keine kleine Convention, auf der die Stars der dritten Reihe ein paar Dollar mit Autogrammen und Fotos verdienen (wo aber wenigstens die Tickets deutlich günstiger sind). Nein, dieses Horrorfest, für das Lane und Chase offenbar durchs halbe Land gefahren sind, ist eine auf einem offenen Feld veranstaltete Hillbilly-Fete, auf der ein paar Hillbillys Hillbilly-Spielchen veranstalten. Wenn Lane und Chase dann endlich zur Fahrt in das unheimliche Haus aufbrechen, ist die Hälfte der Spielzeit auch schon um - was keine ironische Überspitzung im Rahmen dieser so gar nicht von Begeisterung getragenen Filmbesprechung darstellt. Zu diesem Zeitpunkt ist die Hälfte der Spielzeit tatsächlich um. Zwar hat es zu diesem Zeitpunkt immerhin auf Nebenschauplätzen einige kurze Auftritte des Creepers gegeben, für die Handlung aber sind diese de facto ohne echten Belang!



So also landen Chase, Lane und eine Handvoll Zählopfer im Haus, wo es bald zu unerfreulichen Begegnungen mit dem Creeper kommt. Da Regisseur Timo Vuorensola offenbar jedoch überhaupt kein Gespür für die Inszenierung von Räumen besitzt, wirkt das, was die Kamera während der zweiten Spielhälfte des Filmes einfängt, wie ein Bühnenspiel, bei dem ein Bösewicht und seine Opfer auf einer gut ausgeleuchteten, rechteckigen Bühne gegeneinander agieren. Eine Bildsprache egal welcher Art findet Timo Vuorensola nicht. Weder bleibt die Kamera auf Augenhöhe der Protagonisten, noch spielt er etwa mit Licht und Dunkelheit, sodass etwas aus dem Dunkel heraus das Böse agieren täte. Sicher wäre das nicht sonderlich originell, aber in wie vielen Horrorfilmen funktioniert dies? In unzähligen Horrorfilmen!

Doch nichts davon geschieht. Die Figuren in diesem Haus sind Zählopfer auf offener Bühne.

Nun gibt es da ja immer noch die Geschichte mit dem Kind, auf welches es der Creeper abgesehen hat. Selbst diese Szenen aber, Szenen, in denen der Creeper Lane malträtiert, bleiben ohne emotionale Wirkung. Was der Schauspielführung zu verdanken ist – in der Lane wie eine Schlafwandlerin porträtiert wird. In den Gesprächen mit Chase wirkt sie meist an dessen Worten desinteressiert, überhaupt ist ihre Zuneigung zu Chase behauptet. Es gibt schlicht keine Szene, in der ein Verlangen zu spüren wäre – oder ganz einfach eine echte Zuneigung. Die britische Schauspielerin Sydney Craven findet in keinem Moment eine echte Beziehung zu der Figur, die sie darstellt. Wo aber soll sie Bezugspunkte finden, um einen komplexen Charakter zu kreieren, wenn das Drehbuch ihr einfach keine solchen Momente liefert?

Gelungen ist wenigstens das Design des Creepers. Der wird von einem britischen Schauspieler namens Jarreau Benjamin verkörpert, der diesem Wesen der Nacht tatsächlich eine unheimliche Note zu verpassen versteht. Sein Körperspiel wirkt bedrohlich, die Maske legt sich wie eine zweite Haut über seinen Körper; ja, es gibt auch etwas Positives über diesen Film zu sagen. Es ist aber das einzig Positive, was es über diesen Film zu sagen gibt, der einem schrecklichen Autounfall gleicht. Man möchte nicht hinschauen, kann aber den entsetzten Blick nicht abwenden.

Mutig ist es nicht nur, diesen Film in die Kinos zu bringen, noch mutiger ist es, gleich eine Trilogie anzukündigen. Da im Filmverkauf ein in Serie etablierter Titel immer leichter zu vermarkten ist als ein neuer, ist es selbst im Falle eines Scheiterns an den Kinokassen keinesfalls ausgeschlossen, dass diesem vierten Teil ein fünfter folgen wird. Es wäre allerdings auch keine Überraschung, wenn ein solcher fünfter Teil gleich der nächste Reboot der Serie darstellen würde.

Kinostart: 15. September 2022
15.09.2022 11:13 Uhr  •  Christian Lukas Kurz-URL: qmde.de/136863