Mit dem neuesten Dokumentarfilm aus dem Hause Prime Video tat sich das Unternehmen in der Branche keinen gefallen. Bei den Fans könnte die Dokumentation aber tatsächlich sehr gut ankommen.
Seit Ende September 2022 hat der Online-Streamingdienst Prime Video eine Dokumentation über den Künstler Apache 207 im Programm. Bereits in den ersten Minuten werden die großen Erfolge aufgeführt: Volkan Yaman, wie der Musiker mit bürgerlichem Namen heißt, bekam 27-mal Gold, sieben Mal Platin, einmal Diamant und seine Songs wurden über zwei Milliarden Mal bei Diensten wie Prime Music und Spotify aufgerufen. Sein Lied „Roller“ war in den Jahren 2019 und 2020 jeweils der erfolgreichste deutschsprachigen Songs.
Und jetzt also die erste Dokumentation für die deutsche Lieblingsstreaming-Plattform Prime Video: Regie führte der recht unbekannte Regisseur Nepomuk V. Fischer, der seine Karriere mit dem Musikvideo von Ali As „Frühlungsgefühle“ startete, danach als Kameramann und Regisseur bei mehreren Ernsting’s Family Werbefilmen arbeitete und sogar die FC-Bayern-Doku machte. Eines kann man Fischer lassen: Er kann seine Interviewpartner zeitweise echt toll ins Szene setzen.
Doch die Musik-Kollegen sind zeitweise zweifelhaft. So bekommt unter anderem die schweizerische Sängerin Loredana eine Plattform geboten, die mit einer Betrugsmaschine einem älteren Ehepaar rund 600.000 Franken abgenommen hat. Nachdem die Polizei entschied, es bestünde weder Flucht- noch Verdunkelungsgefahr flog sie zwei Tage später mit ihrem Mann in den Kosovo. Inzwischen hat man sich außergerichtlich geeinigt, aber inwiefern die Rapperin den Status von Apache einordnen kann, ist mit ihren 27 Jahren fraglich.
Auch der bereits mehrfach vorbestrafte Xatar ist Teil der Dokumentation, kann aber in seinen wenigen Szenen deutlich mehr inhaltliches bringen. Bausa, der mit „Was du Liebe nennst“ schon ziemlich popigen Sound anbietet, arbeitete auch schon für den Song „Madonna“ mit dem Künstler zusammen. Doch diese Informationen kommen nur spärlich zur Sprache. Genauso wird nur angedeutet, dass seine Texte sehr soft sind und mit zahlreichen Einflüssen der 80er Jahren überzeugen.
Stattdessen bekommen die Fernsehzuschauer unkritische Ware á la Fußball-Dokus von DAZN, Sky & eben auch Amazon. Bereits «FC Bayern – Behind the Legend» war furchtbar unkritischer Journalismus. Der Film von Wiedemann & Berg, einst für «Dark», «4 Blocks» und «Die Ibiza Affäre» verantwortlich, ist die unterste Qualitätsstufte. Regisseur Fischer, der auch schon den FC-Bayern-Dreiteiler machte, will eine klassische Heldenstory erzählen. Das gelingt ihm aber nicht, denn der Erfolg von Apache 207 ist ein algorithmischer Zufall einer YouTube-Content-Suppe. Schlicht: Er hatte damals kein professionelles Management und Leute, die sich um Promotion kümmern.
Ob Erfolgsfußballer, Hip-Hop-Künstler oder angehender Politiker: Solche Doku-Reihen, für sich die Unternehmen rühmen, laufen meist gleich ab. Es wird auf ein Event hingearbeitet, bei Volkan ist es der erste große Auftritt, der im schweizerischen Chur stattfand. Die Reise startet mit einem Besuch bei seiner alten Lehrerinn im Theodor-Heuss-Gymnasium in Ludwigshafen am Rhein. Es folgen die Anfänge der Musik, die ersten Folge und schlussendlich die Versuche, mit neuen Tracks ebenfalls im Gespräch zu bleiben. Auf einen Sprecher wird verzichtet, sodass man noch tiefer in die Materie eintauchen kann. Schließlich würde ein Sprecher nur zwischen dem Zuschauer und den Akteuren stehen.
So schön die Einführungs- und Schlussszenen am Walensee ganz in der Nähe von Chur sind, so hat diese Dokumentation nur einen kleinen Erkenntnisgewinn. Für die zahlreichen Apache-Fans mag dieser Film mit Sicherheit spannend sein. Aber für einen zehnminütigen Beitrag für «red.» hätte es auch gereicht.