Rundschau: 1000 Zeilen sind im Westen nichts Neues

Am verlängerten Wochenende können zahlreiche neue Produktionen nachgeholt werden. Beispielsweise die neue Sisi-Serie «Die Kaiserin», die Netflix im Portfolio hat.

«Im Westen nichts Neues» (seit 29. September im Kino, ab 28. Oktober bei Netflix)
Frühjahr 1917. Der 17-jährige Paul Bäumer (Felix Kammerer) und seine Freunde können es nicht erwarten, in den Krieg zu ziehen, auf Paris marschieren, den Sieg davontragen. So stellen die Jungs sich das vor. So wird es ihnen versprochen. Jubelnd und singend marschieren sie los, die „eiserne Jugend“, für Kaiser, Gott und Vaterland. Die Begeisterung hält nicht lange. Als sie nach tagelangem Marsch an der Westfront ankommen, regnet es in Strömen. Der Schützengraben läuft voll, ist ein einziger Morast. Doch die Franzosen warten nicht. Schon bald nehmen sie den Graben unter Beschuss.

Die Welt: „Edward Bergers Version von «Im Westen nichts Neues» ist das Antidot zu all den Hollywood-Kriegsfilmen der vergangenen Jahrzehnte, in denen Heldentum immer mehr überhandnahm, es immer weniger Schlamm und Blut und Hunger gab. Es wird auch bei Berger viel geschossen und explodiert, und Panzerketten zerquetschen Menschen und Flammenwerfer rösten Menschen, und die Kameraden um Paul herum sterben wie die Fliegen. Das ist, trotz unserer Gewöhnung an Filmfeuerwerk, immer noch schockierend.“



«Pistol» (seit 28. September bei Disney+)
Die Miniserie, die auf Steve Jones' Memoiren „Meine Sex Pistols Geschichte“ basiert, erzählt die Geschichte einer von wütenden, lauten „No Future“-Kids aus der Arbeiterklasse gegründeten Band, die das langweilige, korrupte Establishment bis ins Mark erschütterte, mit dem Sturz der Regierung drohte und Musik und Kultur für immer veränderte. The Sex Pistols waren der furios wütende Sturm im Mittelpunkt der Rock'n'Roll-Revolution in den 1970er Jahren. Im Mittelpunkt dieser Serie steht Gründungsmitglied und Gitarrist Steve Jones. Seine urkomische, emotionale und zuweilen herzzerreißende Geschichte gewährt uns einen facettenreichen Blick auf drei der ereignisreichsten Jahre der Musikgeschichte voller Mucke, Spucke und purem Chaos.

Süddeutsche: „Dass Punk in London 1976 wohl wirklich erst mal mehr wie eine aus dem Ruder gelaufene Teenagerparty aussah, mag sein. Aber hier ist es eine typische Nebenwirkung der vielen Musik-Biopics, die nach dem olympischen Erfolg des Queen-Films «Bohemian Rhapsody» bald noch anstehen: Die Mythen, die den wahren Gehalt und die Magie des Pop ausmachen, werden in ihnen meist totbiografiert, mit ganz wenigen Ausnahmen. Auch Danny Boyle scheitert in dieser Hinsicht.“



«Tausend Zeilen» (seit 29. September im Kino)
Der eine hat Erfolg, der andere Zweifel! Der freie Journalist Juan Romero (Elyas M'Barek) stößt auf Ungereimtheiten in einer Titelgeschichte des preisgekrönten Reporters Lars Bogenius (Jonas Nay). Bei seiner Recherche geht Romero buchstäblich an Grenzen, bis er nichts mehr zu verlieren hat… außer seinen Job, seinen Ruf und seine Familie. Inspiriert von Juan Morenos Buch „Tausend Zeilen Lüge“ entdeckt der freie Journalist Romero in Ungereimtheiten in den preisgekrönten Reportagen des Starreporters Lars Bogenius und löst mit seinen Enthüllungen einen der größten deutschen Medienskandale aus.

Süddeutscher Rundfunk: „Michael ‚Bully‘ Herbigs Film ist eine beißende Satire über einen deutschen Star-Journalisten, der sich manchmal Reportagen einfach so ausdenkt. Ein Kollege in der Redaktion wird skeptisch und will ihm das nachweisen. Das ist manchmal bitterböse, aber insgesamt komisch. Herbig ist ein glänzender Erzähler. Er zeigt großartige Filmsequenzen, oft bleiben die Bilder auch mal stehen, um die Geschichte zu erzählen. Das ist ein großes wildes Vergnügen.“



«Die Kaiserin» (seit 29. September bei Netflix)
Im Österreich des 19. Jahrhunderts kämpfen die leidenschaftliche rebellische junge Kaiserin Sisi und Kaiser Franz Joseph im Angesicht von Intrigen und Machtkämpfen am Hof um ihre Liebe.

Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ): „Anders als «Die Kaiserin», die neue Herrscherinnen-Serie von Netflix, groß angekündigt, aber durchweg enttäuschend. Fehlen darf in dieser Story, in der lesbische Liebe und Transgenderfiguren das spanische Hofzeremoniell begleiten, auch nicht Luziwuzi, der jüngste Bruder des Kaisers, dessen Faible für Roben und Männer ein offenes Geheimnis war. Das Problem ist ein anderes. Diese Produktion will so viel mehr sein als die neueste «Sisi»-Interpretation, wirft sich aber bloß auf die Liebeshändel und Familienstreitigkeiten.“



«Blonde» (seit 28. September bei Netflix)
In den 1940er Jahren wird Norma Jeane unter dem Künstlernamen "Marilyn Monroe" zum Pin-up-Girl und erscheint auf Zeitschriftencovern und Kalendern. Während sie versucht, in der Schauspielbranche Fuß zu fassen, wird sie vom Präsidenten des Filmstudios Mr. Z vergewaltigt. 1950 spricht sie für die Rolle der Nell in Don't Bother to Knock vor. Das Vorsprechen läuft schlecht, nachdem sie zusammenbricht und unter Tränen geht, aber sie beeindruckt den Casting-Direktor genug, um ihr die Rolle zu geben.

Süddeutsche: „Ana de Armas ist, wie Monroe auch, nicht blond, und ihr fehlt jene Naivität, mit der Marilyn scheinbar ordinären Rollen eine unglaublich leichte Unschuld verlieh. Andrew Dominik legt den Film komplex an, wechselt flink zwischen Farb- und Schwarz-Weiß-Szenen. Er rutscht am Ende aber, wie ihm das schon in seinem ebenso langen Film «Die Ermordung des Jesse James durch den Feigling Robert Ford» mit Brad Pitt und Casey Affleck passiert ist, doch in tragisches Pathos.“

30.09.2022 11:31 Uhr  •  Fabian Riedner Kurz-URL: qmde.de/137218