Frank-Markus Barwasser: ‚Die Idee stammt von einem Psychiater‘
Der Satiriker ist derzeit wieder mit «Beim Pelzig auf der Bank» zu sehen. In der 3sat-Mediathek können die neuen Folgen angeschaut werden. Wir sprachen mit Barwasser unter anderem über Echokammern.
Hallo Herr Barwasser. Vielen Dank für Ihre Zeit! Ihre Sendung «Beim Pelzig auf der Bank» wird fortgesetzt. Sie geben den Zuschauern eine Stimme – aber auch Kontra?
Neben bekannten Gesichtern wie Markus Söder oder Sky Du Mont habe ich wieder hochinteressante Fachleute zu meinen Themen Macht, Freiheit und Liebe auf der Bank sitzen, dazu aber eben auch viele spontane Gespräche mit Leuten auf der Straße geführt. Ich finde, gerade bei Letzteren dürfen Aussagen auch mal einfach stehen bleiben, selbst dann, wenn ich deren Ansichten nicht teile. In der letzten Staffel saß zum Beispiel ein totaler Corona-Leugner auf der Bank. Dafür, dass ich ihm nicht in die Parade gefahren bin, wurde ich auch kritisiert. Ich glaube aber schon, dass das 3sat-Publikum im Gesamtkontext eines Films in der Lage ist, dies entsprechend einzuordnen. Im Übrigen hat Widerspruch ohnehin nur dann Sinn, wenn das Gegenüber bereit ist, auf die andere Meinung einzugehen und sie auszuhalten, so wie ich dazu ja auch bereit bin, dies allerdings nur bis an eine strafrechtlich relevante Grenze. Ich möchte die Gespräche auf der Bank auch nicht vergleichen mit den Talks meiner früheren Sendung. Die Filme sind monothematisch, sie finden im Freien statt und es gibt kein Publikum, also keine unmittelbare Resonanz. Schon das sorgt für eine völlig andere Wirkung, auch auf mich. Ich glaube, dass es uns gelungen ist, gerade in der zweiten Staffel das Profil von Pelzig sehr deutlich herauszustellen.
Sie haben die Idee aus Simbabwe. Warum stehen dort solche Freundschaftsbänke herum?
Vermutlich in Ermangelung einer psychotherapeutischen Grundversorgung. Jedenfalls stammt die Idee dort von einem Psychiater und hat einen ernsthaften Hintergrund, auch wenn wir das hierzulande vielleicht als kurios empfinden. Ist es aber nicht. Ich bin von dieser Idee sehr überzeugt. Auf den Bänken dort sitzen psychologisch geschulte ältere Frauen, die vielen Menschen helfen, ihre Probleme zu bewältigen.
Sind wie zu sehr auf Social Media und die Echokammern fokussiert, statt uns mit Menschen auf einer Sitzgelegenheit einfach zu unterhalten?
Das könnte so sein. Manche Städteplaner und Architekten bemängeln es ja auch, dass in den Städten zu wenig öffentliche Räume für Kommunikation und Begegnung vorhanden sind. Platz für Autos ist irgendwie immer und doch nie genug vorhanden. Wer neu baut, muss Stellplätze nachweisen. Wie wäre es mal mit der Verpflichtung zu Sitzplätzen, Grünflächen und Umgebungen, die Lust machen, anderen zu begegnen und mit ihnen zu sprechen? Und wer nicht auf die Zufallsbegegnung vertrauen mag, der kann ja farbig markierte Bänke aufstellen, die nur für die gedacht sind, die sich explizit unterhalten wollen. Aber klar, Social Media ermöglicht dir einen Lebensstil, der die physische Begegnung in höchstem Maße vermeidbar macht. Durch den erzwungenen Rückzug während der Pandemie haben wir uns, glaube ich, alle an diese Vermeidung gewöhnt. Manche müssen das wieder neu erlernen, ich teilweise auch. Ich erschrecke gelegentlich ein bisschen, wenn ich jemanden die Hand zum Gruß entgegenstrecke.
Nach welchen Kriterien wurden die Diskussionspartner ausgesucht? Gab es ein Casting vorab? Oder hatten Sie auch Anhänger von rechten Gruppierungen auf Ihrer Bank?
Nein, ein Casting gibt es bei uns nicht. Und schon gar nicht suchen wir Gesprächspartner nach Gesinnung aus. Es geht im Vorfeld allein darum, wer etwas zum Sendungsthema substanziell beitragen könnte, wer zum Thema gut passt. Es gibt dann auch in der Regel keine Vorgespräche, außer der Gast wünscht es sich, mich vorher noch kennenzulernen. Das machen wir dann telefonisch und ich erkläre, worum es im Film gehen wird und warum ich ihn mir als Gast gewünscht habe. Konkrete Vorabsprachen gibt es aber keine. Prominenz spielt dabei nicht die größte Rolle. Bei den spontanen Begegnungen sind es höchst unterschiedliche Menschen gewesen, die Platz nehmen wollten. Rechtsextreme waren nicht dabei, aber du weißt du ja nie, wer gleich kommt. Da hatten wir diesmal viel Glück, gerade auf dem Alexanderplatz in Berlin. Da laufen so viele bunte Vögel herum, in meiner schrägen Pelzig-Kluft bin ich da nicht mehr groß aufgefallen.
Die Strecke sind Sie mit dem Rad gefahren, wie viele Kilometer haben Sie dafür zurückgelegt?
Naja, bei größeren Strecken wie von Berlin nach München glaubt hoffentlich niemand ernsthaft, dass ich das Rad nehme. Da bin ich natürlich Bahn gefahren. Aber wenn am Set der Hunger ausbrach, wurde damit schon mal zur nächsten Bäckerei geradelt. Mein Filmrad ist ja irre schwer und die Straßenlage der angehängten Bank äußerst fragwürdig, da bin ich schon froh, wenn ich es unfallfrei über den nächsten Bordstein schaffe und dass das Gerät keine TÜV-Pflicht hat. Aber zu meiner Ehrenrettung: es ist kein E-bike, sondern meine wahre Muskelkraft, die alles in Bewegung hält. Leider haben wir versäumt, einen Kilometerzähler zu montieren, aber nach sechs Filmen dürften da schon einige Kilometer zusammengekommen sein. In Berlin mussten wir sogar einen mobilen Schweißer ans Set bitten, weil die Konstruktion wohl überbeansprucht worden war. Mobile Schweißer! Ich staune, was es alles gibt.
Sie führten knapp 17 Jahre durch «Aufgemerkt!» und «Pelzig hält sich». Vermissen Sie ein regelmäßiges Programm im Fernsehen?
Nein, vermisse ich nicht. Es war eine tolle Zeit, aber sie hat mich extrem in Anspruch genommen, das kannst du nicht ewig durchhalten. Klar, manchmal würde es mich schon jucken, wieder Gäste im Studio vor Publikum zu empfangen. Aber eine Rückkehr steht trotzdem nicht zur Debatte. Mir geht's prima, danke.
Zusammen mit Urban Priol führten Sie vier Jahre durch «Neues aus der Anstalt». Verfolgen Sie die Nachfolgersendung «Die Anstalt» im ZDF?
Ich war ja noch einige Male zu Gast in der neuen Anstalt und gelegentlich schaue ich mir auch Folgen oder Ausschnitte in der Mediathek an, wenn mich das Thema interessiert. Insgesamt verfolge ich schon, was alles in dieser Richtung läuft.
Vor 15 Jahren drehten Sie gemeinsam mit Thomas Heinemann den Spielfilm «Vorne ist verdammt weit weg». Wo kann ich den Spielfilm heute noch sehen?
Den können Sie leider gar nicht mehr sehen. Oder findet sich das auf YouTube? Keine Ahnung. Soweit ich weiß, sind die DVDs neu gar nicht mehr so leicht zu bekommen. Ich muss mal nachschauen, ob ich selbst noch eine habe.
Vielleicht kann die ARD ja die Rechte organisieren und den Film wiederholen. Sie stehen seit etwa 30 Jahren auf der Bühne. Wie hart hat Sie die Corona-Pandemie getroffen?
So wie alle Künstlerinnen und Künstler und all jene, die mit dran hängen: von einem auf den anderen Tag war alles vorbei und niemand wusste, wie und wann es weiter geht. Da ist mir richtig bewusst geworden, was für ein riesiges Glück ich bis dahin hatte. Mehr als zwei Jahrzehnte auf der Bühne, viele Jahre im TV, und so gut wie nie musste etwas ausfallen oder wurde abgesagt. Das ist doch gar nicht selbstverständlich. Einmal bin ich am Ende der Vorstellung von der Bühne gefallen und habe mir den Arm ausgerenkt, war für Wochen abgemeldet. Aber das passierte nicht nur am Ende des Abends sondern auch am Ende einer Tournee. Auch wieder Glück gehabt. Und jetzt darf wieder gespielt werden, aber die Unsicherheit bleibt. Hinzu kommt nun die Frage, wie lange sich die Menschen den Eintrittspreis noch leisten wollen und können. Die gigantisch steigenden Betriebskosten lassen sich ohnehin nur in begrenztem Maße auf die Eintrittspreise umlegen. Das stürzt die Theater dann in die nächste Krise. Von den Auftritten der Künstlerinnen und Künstlern sind ja so viele andere Menschen beruflich auch abhängig, das wurde und wird immer unterschätzt bei der Diskussion.
Und im Winter 2022 gehen Sie wieder auf Tour?
Ja, ich habe in diesem Jahr noch einige Termine, auf die ich mich freue: Dresden, Leipzig, Erfurt und Berlin zum Beispiel. Zum Teil sind das Vorstellungen, die vor knapp zwei Jahren wegen Corona abgesagt und verlegt worden sind. Das neue Programm heißt "Der wunde Punkt" und beschäftigt sich mit den Kränkungen der Menschheit. Corona, Klimakrise, die Folgen des Krieges in der Ukraine, das stellt alle Gewissheiten, Selbstverständlichkeiten, ja unsere gesamte Lebensweise in Frage und das wird von vielen auch als schwere Kränkung empfunden. Ein psychologischer Ansatz also, aber wie sollte man dieser bescheuerten Menschheit noch anders begegnen als auf diese Weise?
Sie sollten ja eigentlich im Franken-«Tatort» die Rolle des Leiters der Spurensicherung übernehmen. Warum hat das schlussendlich nicht geklappt?
Da die Dreharbeiten sehr viel später als geplant beginnen sollten, musste ich absagen, weil zu der Zeit mein Tourplan schon gut gefüllt war. Ich hätte so viele Veranstaltungen verlegen müssen, das erschien mir damals nicht praktikabel. Naja, mit der heutigen Corona-Erfahrung weiß ich jetzt: es ist praktikabel.
Danke! Und viel Erfolg bei 3sat, in der Mediathek und auf Tour!